Gilt der Datenschutz auch für Mieter*innen? Eine Anfrage an den Magistrat der Stadt Frankfurt, eine (unbefriedigende) Antwort und eine datenschutzrechtlich zweifelhafte Praxis

Datenschutzrheinmain/ Januar 26, 2018/ alle Beiträge, Datenschutz im Mietrecht, Regionales/ 0 comments

Die Fraktion DIE LINKE. im Römer hat am 21.09.2017eine Anfrage mit der Überschrift „Gilt der Datenschutz auch für Mieter*innen?“ an den Magistrat der Stadt Frankfurt gerichtet. In der Anfrage wird Bezug genommen auf die Praxis verschiedener Wohnungsbaugesellschaften, die sich im (Mit-)Besitz der Stadt Frankfurt befinden: “Will man sein Interesse zur Anmietung einer Wohnung bekunden, muss man bei der ABG zum Beispiel angeben, welche Staatsangehörigkeit man besitzt und ob man wegen Hausstreitigkeiten verurteilt wurde. Bei der Nassauischen Heimstätte (NH) wird zusätzlich nach dem Arbeitgeber und dem Monatsnettoeinkommen gefragt.” Vor wenigen Tagen wurde dazu die Antwort des Magistrats veröffentlicht.

Die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main hat in einer ersten Stellungnahme die Antworten des Magistrats und die Praxis der Wohnungsbaugesellschaften der Stadt Frankfurt wie folgt bewertet:

  • Der Magistrat zieht sich bei tatsächlichen und politischen Fragen auf abstrakte, rechtliche Positionen zurück. Er behauptet, das seine Aufsichtspflicht damit genüge getan ist. Dabei wird die Anfrage behandelt, als ob sie an die Wohnungsbaugesellschaften der Stadt ginge und nicht an den Magistrat selbst. Die Antworten dieser Gesellschaften werden nicht weiter kommentiert und/oder bewertet.
  • Die Antworten der ABG Holding und der Nassauische Heimstätte sind teilweise recht ausführlich; aber auch sie ziehen sich teilweise auf rechtliche Floskeln zurück und bleiben im Allgemeinen.
  • Teilweise werden sensible Daten (Rasse, Herkunft, Staatsangehörigkeit) erhoben und geprüft, dies mit dem Argument, eine Durchmischung der Mieter pro Objekt zu gewährleisten. Die gleichen Daten können aber auch dazu verwendet werden, BewerberInnen zu diskriminieren. Was nun von beiden passiert, lässt sich von außen kaum beurteilen.
  • Besonders skandalös: Im Wohnungsbewerbungsbogen der Nassauischen Heimstätte wird unter „Nationalität“ (einem Pflichtfeld im Antragsformular) differenziert zwischen „Deutschland“ und „Deutsche anderer Herkunft“. Was letzteres ist, wird nicht erläutert. Das weckt Erinnerungen an den Ariernachweis der Jahre 1933 – 1945. Eine Begründung für diese Differenzierung wird nicht genannt.

Quelle: Wohnungsbewerbungsbogen der Nassauischen Heimstätte

  • Auch die Nachfrage im Wohnungsbewerbungsbogen der Nassauischen Heimstätte nach dem „Arbeitgeber“ (ebenfalls Pflichtfeld im Antragsformular) erscheint datenschutzrechtlich mehr als zweifelhaft. In einer Informationsschrift der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit wird dazu festgestellt: Welche Informationen der Vermieter verlangen darf, ist stark vom Zeitpunkt der Datenerhebung abhängig. Solange noch nicht klar ist, ob sich die Interessentin oder der Interessent überhaupt für die Wohnung bewerben möchte und es zunächst nur um die Vereinbarung eines Besichtigungstermins geht, dürfen nur solche Daten erhoben werden, an denen der Vermieter ein berechtigtes Interesse hat. Dies sind in der Regel Angaben zur Identifikation, zur Erreichbarkeit, zu Wohnungswünschen, zu (größeren) Haustieren und gegebenenfalls Daten aus dem Wohnberechtigungsschein, da diese Angaben notwendig sind, um eine geeignete Wohnung anbieten zu können. Bewirbt sich die Interessentin oder der Interessent nach der Besichtigung auf eine konkrete Wohnung, dürfen diejenigen Daten erhoben werden, die für die Begründung des Mietverhältnisses erforderlich sind. Dies betrifft insbesondere Daten zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Mieters… Grundsätzlich gilt, dass Daten zur wirtschaftlichen Situation erst dann erhoben werden dürfen, wenn sich die Interessentin oder der Interessent nach der Wohnungsbesichtigung tatsächlich auf eine bestimmte Wohnung bewirbt. Rechtswidrig ist es hingegen, bereits vor dem Besichtigungstermin umfangreiche Daten zur wirtschaftlichen Situation aller Mietinteressentinnen und Mietinteressenten auf Vorrat zu erheben, wenn noch unklar ist, ob sich die Betroffenen überhaupt um die Wohnung bewerben möchten…“
  • Auch die Nachfragen im Wohnungsbewerbungsbogen der Nassauischen Heimstätte Wird die Miete von einer öffentlichen Stelle übernommen?“ und „Wird die Kaution von einer öffentlichen Stelle übernommen?“ (auch sie Pflichtfelder im Antragsformular) erscheinen aus den genannten Gründen datenschutzrechtlich mehr als zweifelhaft.

Bei dieser Sachlage mutet es als zynisch an, dass die Nassauische Heimstätte – zitiert in der Antwort des Magistrats – verlautet: „Bei der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten werden datenschutzrechtliche Bestimmungen (insbesondere das Bundesdatenschutzgesetz, künftig die EU-Datenschutz-Grundverordnung, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz) beachtet… Der Datenschutzbeauftragte wirkt auf die Einhaltung von Datenschutzvorschriften hin, er unterstützt und kontrolliert die datenverarbeitenden Stellen innerhalb der Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt in allen datenschutzrechtlichen Belangen. Alle von der Unternehmensgruppe von Mietinteressenten abgefragten Daten wurden hinsichtlich eines möglichen Verstoßes gegen die datenschutzrechtlichen Vorschriften einer juristischen Untersuchung und Bewertung unterzogen und für zulässig befunden…“

Die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main wird zu den genannten – und ggf. weiteren – datenschutzrechtlich zweifelhaften Praktiken der Wohnungsbaugesellschaften der Stadt Frankfurt eine Anfrage an den Hessischen Datenschutzbeauftragten richten.

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Update 13.02.2018

Die Frankfurter Rundschau berichtet am 13.02.2018. Hier zum Nachlesen.

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