Fragen zur Videoüberwachung an der Westendsynagoge in Frankfurt
Am 13.02.2025 hat der hessische Innenminister Roman Poseck (CDU) darüber informiert, dass das Umfeld der Westend-Synagoge mit Videokameras überwacht wird und erklärt: „Es freut mich, dass es uns nur wenige Wochen nach dem Gesetzesbeschluss im Dezember gelungen ist, die erste Videoschutzanlage auf der Grundlage des neuen Rechts zu starten. Es wird zunächst mit polizeilichen Kameras gearbeitet, bevor diese im Laufe des Jahres gegen städtische Kameras ausgetauscht werden…“
Im Dezember 2024 hatte der Hessische Landtag mit der Mehrheit von CDU und SPD umfanreiche Änderungen im hessischen Polizeirecht (HSOG) beschlossen. So wurde in § 14 Abs. 4 HSOG neu aufgenommen: „Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können mittels Bildübertragung offen beobachten und aufzeichnen 1. zum Schutz besonders gefährdeter öffentlicher Einrichtungen oder Räumlichkeiten oder besonders gefährdeter Religionsstätten, 2. …“
Seit Mitte Februar wird das Umfeld der Westendsynagoge privisorisch durch Polizeikameras überwacht.
Sie sollen – so der Wille der Polizeiführung und des Magistrats der Stadt Frankfurt – dauerhaft durch von der Stadt Frankfurt finanzierte Kameras ersetzt werden.
Auch den Mitgliedern der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main ist bewusst, dass Einrichtungen von und für in Deutschland lebende jüdische Menschen besonderer Gefährdung durch rechtsextremistische und islamistische Gewalttäter*innen und Organisationen unterliegen und deshalb eines besonderen Schutzes bedürfen.
In einem Offenen Brief an den Frankfurter Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) und die Sicherheitsdezernentin Annette Rinn (FDP) stellt die Gruppe fest: „Und gerade deshalb erscheint es ihnen notwendig, dass Sie vor einer entsprechenden Beschlussfassung in Magistrat und Stadtverordnetenversammlung einige Fragen – auch gegenüber der Frankfurter Bürgerschaft – beantworten:
- An welchen Punkten erscheint das bisherige Sicherheitskonzept der Landespolizei (baulichen Maßnahmen im öffentlichen Raum, Präsenz von Polizeikräften im nahen räumlichen Umfeld u. a. m.) unzureichend für den Schutz der Synagoge selbst und ihrer Besucher*innen zu sein?
- Wie viele und welche sicherheitsrelevanten Vorkommnisse gab es in den letzten 5 Jahren im räumlichen Umfeld der Westend-Synagoge?
- In wie vielen Fällen gab es daraus folgend in den letzten 5 Jahren Strafverfahren und Verurteilungen?
- In wie vielen Fällen gab es daraus folgend in den letzten 5 Jahren Ordnungswidrigkeiten, die behördlich verfolgt und mit Bußgeldern belegt wurden?
- In wie vielen Fällen war eine Aufklärung mangels Identifikation der Täter*innen nicht möglich?
- Welche zusätzlichen sicherheitsrelevanten Auswirkungen versprechen Sie sich durch die Installation von 24/7 in Betrieb befindlichen stationären Videoüberwachungskameras?“
Zu diesen Fragen hat der Frankfurter Polizeipräsident in seinem Schreiben vom 08.11.2024 an den Magistrat der Stadt Frankfurt keinerlei Auskünfte erteilt. Er verweist lediglich auf den Mordanschlag in Halle am 09.10.2019 und zwei weitere Vorfälle in Berlin (versuchter Brandanschlag) und München (versuchter Schusswaffenangriff). Inwieweit in diesen Fällen Videoüberwachung vorhanden war und genutzt wurde und welche Auswirkungen dies in der Prävention oder Aufklärung von Taten bzw. deren Vorbereitung hatte, wird nicht ausgeführt. Auch im Vortrag des Magistrats der Stadt Frankfurt vom 21.02.2025 (M 31) werden diese Fragen nicht beantwortet.
Absperrungen vor der Westendsynagoge
Kameras an der Westendsynagoge, die auf der Grundlage des Hausrechts (§ 4 BDSG) von der Jüdischen Gemeinde Frankfurt betrieben werden
In Ihrem Brief macht die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main auf ein weiteres Problem aufmerksam: „Es ist nicht irrelevant, auf Art. 9 Abs. 1 DSGVO hinzuweisen, auch wenn das Handeln von Polizei und Justiz aus dem Geltungsbereich der DSGVO ausgenommen sind: ‚Die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen… religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen… hervorgehen… ist untersagt.‘ Zudem gibt es identische vergleichbare Regelungen zu Art. 9 DSGVO in den §§ 41 und 43 HDSIG. Auf letzteres hat der Hessische Datenschutzbeauftragte Prof. Dr. Alexander Roßnagel in der Anhörung zur Novellierung des HSOG im November 2024 im Innenausschuss des Hessischen Landtags (dort S. 34) hingewiesen. Er erklärte dazu u. a.: „Die Ausweitung von Videoüberwachungsmaßnahmen geht grundsätzlich einher mit einer Intensivierung des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung… Zudem ist darauf hinzuweisen, dass gerade im Zusammenhang mit der Ausübung von Religion vorliegend auch besondere Kategorien personenbezogener Daten i. S. v. § 41 Nr. 15 a) HDSIG von der Videoüberwachung – die religiöse Überzeugung der Besucher der Glaubenseinrichtungen – betroffen sein können. Diese Datenverarbeitung erfordert die Beachtung spezifischer Vorgaben. Nach § 43 Abs. 1 HDSIG muss die Datenverarbeitung zur Aufgabenerfüllung unbedingt erforderlich sein und nach § 43 Abs. 2 HDSIG bedarf sie geeigneter Garantien für die Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen.“
Auch auf dieses Problem geht der Frankfurter Polizeipräsident in seinem Schreiben vom 08.11.2024 nicht ein, das Gleiche gilt für den Vortrag des Magistrats vom 21.02.2025 (M 31).
Antworten von Oberbürgermeister Mike Josef und Sicherheitsdezernentin Annette Rinn liegen der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main bislang nicht vor. Die Direktorin der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, die eine Kopie des Schtreibens erhielt, erklärte: „Vielen Dank für Ihre Anfrage. Wir sind leider der falsche Ansprechpartner und können keine Auskünfte dazu geben. Die Installation der Kameras lief über das Land Hessen, hier das Ministerium des Inneren. Wir werden keine gesonderte Bewertung vornehmen.“