Eine kleine Geschichte aus der nahen Zukunft

Datenschutzrheinmain/ Januar 31, 2018/ alle Beiträge, Verbraucherdatenschutz/ 0 comments

Der nachstehend wiedergegebene fiktive Dialog zwischen einem Menschen und seinen kleinen elektronischen Helfern wurde erstmals veröffentlicht am 30.01.2018 in Online-Magazin Beueler Extra-Dienst. Der Betreiber der Homepage und der Verfasser des Beitrags, , haben ihr Einverständnis zur Zweit-Veröffentlichung des Beitrags erteilt.

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– Nachlese zum 37. Europäischen Tag des Datenschutzes am 28.1.2018 –

Bert will verreisen und setzt sich in ein von ihm per APP gerufenes autonomes Fahrzeug des Mobilitätsanbieters www.vonahnachbeh.de . Eine sanfte Stimme, die ihm irgendwie bekannt vorkommt, begrüßt ihn:

„Willkommen im autonomen Fahrzeug, ich bin Aurora, Deine freundliche Auto-KI.“ (Künstliche Intelligenz). 

Bert: Oh freut mich, Du kommst mir irgendwie bekannt vor – bin ich schon einmal mit Dir gefahren?

„Oh nein, Bert, ich habe Dich nur mit meinen biometrischen Innenraumsensoren identifizert und unsere Datenbank hat daraufhin aufgrund eines Vergleiches der Stimmuster Deiner letzten fünf Freundinnen eine Deinem Beuteschema entsprechende Stimme ausgewählt, damit Du Dich nicht so einsam fühlst. Du bist ja wohl auch gerade Single, Du armer! 

Bert staunt: Boah, gut geraten – wie kommst Du denn darauf? 

„Lieber Bert, wie Du weisst, sind Dein Mobilitätsprovider vonanachbeh.de und Dein Handyprovider nullminusnull zwei Abteilungen des Unternehmens „Rundummobil“, früher Telekom-Amazon-BMW-Bahn AG und da haben wir natürlich die Stimmprofile parat.“ 

Bert: Wie – hört Ihr mir etwa bei telefonieren zu?

„Nein, das würden wir doch nie tun! Es gibt doch Artikel 10 Grundgesetz, das Post- und Fernmeldegeheimnis! Du hast nur bei Deiner Ultra-X-Allin-Flatrate eingewilligt, dass bestimmte Schlüsselwörter Deiner Gespräche für Marktforschung ausgewertet werden dürfen, dafür zahlst Du nur die Hälfte und bekommst regelmäßig tolle Super-Shopping-Angebote Deiner Interessen!“

Bert: Ach so, ja, das hatte ich ganz vergessen… 

„Bitte gib jetzt zunächst an, wie Du heute bezahlen möchtest. – Du kannst mit EC-karte, Kreditkarte, kontaktlosem Handy, RFID-Chipimplantat, Paypal oder Bitcoin bezahlen. Prepaid – Karten oder Bargeld sind aus Datenschutzgründen nicht zulässig. Mit der Bezahlung stimmst Du der Datenschutzerklärung zu. Möchtest Du sie lesen?“ –

Bert hält sein Handy vor das kontaktlose RFID-Lesegerät. „Nein“! –

„Vielen Dank, Bert! Möchtest Du nun wieder wie letzten Freitag zu Deinem Freund Mike und dann zusammen in den Saunaclub „Paradiesischer Planet“ gefahren werden?“

Bert: – Nein, moment….Woher weisst Du DAS denn? –

„Du hast doch eben der Datenschutzerklärung zugestimmt!“

Bert versteht nicht: – Aähh??? –

„Ja, denn Datenschutz ist, wenn die Daten, die  www.vonahnachbeh.de  über Dich gesammelt hat, geschützt sind. Da steht doch alles drin: Ja, ich stimme zu, dass alle meine Adresse, Email, Telefon, Bezahldaten und meine Bonität jederzeit überprüft werden können und unbeschränkt an alle potenziellen Anbieter von Entertainment, Erfrischungen, Kleidung, Übernachtungsmöglichkeiten, pharmazeutischen Produkten und Vergnügungsangeboten an der von mir gewählten Wegstrecke weitergegeben werden dürfen. Dafür ist die Benutzung des Navigationssystems kostenlos.“

Bert: – „…und wenn ich das jetzt nicht mehr möchte?“ –

„Dann kannst Du entweder ein Ziel eingeben und fünf Euro bezahlen, oder mir den Weg während der Fahrt genau mit der exakten Angabe der Straßennamen beschreiben! Du kannst auch den kostenlosen Kartendienst von „Gurgel“ benutzen! Da musst Du dann nur der Datenschutzerklärung (DSE) zustimmen!

– und was steht da drin? –

„Naja, ich trage gemäß der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) nur die Teile der DSE vor, die nach Artikel 12 DSGVO besonders klar verständlich sein müssen und von sensibler, datenschutzrechtlicher Relevanz sind:

Da ist zum einen § 135 Absatz IV DSE auf Seite 101, mit der Du zustimmst, dass Deine Bewegungsprofile erfasst werden und auch außerhalb der EU für 145 Jahre gespeichert werden, damit Rückschlüsse auf eventuelles Verhalten oder Fehlverhalten Deinerseits und Deiner Nachkommen möglich sind. Predictive Policing – Du möchstest doch auch sicher leben?

Dann wichtig der § 177 Absatz II DSE. Der gibt Dir sogar die Wahlfreiheit, dass Deine Bewegungsprofile, Konsumentendaten und die von den Außenkameras erfassten Daten zur Verifizierung Deines sozialen Umfelds wahlweise nur an:

a) sämtliche Restaurants, Geschäfte, Dienstleister und Entertainmentbetriebe entlang Deiner Fahrstrecken; oder

b) an alle Deinem Konsumentenprofil entsprechenden Onlineshops und Versandhändler im Netz europaweit; oder

c) an das soziale Netzwerk „Everyone’s Page“ zur Aktualisierung und Ergänzung Deines persönlichen Profils weitergegeben werden. Dafür gibt es sogar 120  Bonuspunkte, die Du zum Beispiel zur Verkürzung der Wartezeit auf den nächsten Facharzttermin bei Deiner gesetzlichen Krankenkasse einsetzen kannst!

Nun kannst Du selbstverständlich nach Art. 7 DSGVO völlig freiwillig und ohne Beeinflussung wählen und einwilligen. Allerdings ist im Falle c) davon auszugehen, dass Du die Daten niemals zurück bekommst, weil „Everyone’s Page“ in den USA gehostet wird. Deshalb musst Du auch bei c) zweimal einwilligen. 

Außerdem sieht § 488 DSE vor, dass der BND und die NSA aufgrund von Artikel 49 Absatz 1 d) DSGVO sowie der russische und der chinesische Geheimdienst diese Daten zur Terrorismusbekämpfung übermittelt bekommen.

Natürlich kannst Du den russischen und chinesischen Geheimdienst abwählen, aber im Vertrauen: Das nützt Dir nichts, macht nur einen schlechten Eindruck, die bekommen die Daten sowieso von der NSA und beim nächsten Besuch im chinesischen Restaurant rächt sich das, glaub es mir!“

Bert, ratlos – „Gibt es wirklich keine andere Möglichkeit?“-

„Es gibt noch den Kartendienst „PLONG“ da musst Du nicht mit Daten bezahlen, aber auf Seite 331 steht in § 1993 der „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“, dass Du damit Deine zweit- und drittgeborenen Kinder zwischen 14 und 16 Jahren für zwei Jahre zu kostenlosen sozialen Dienst bei „PLONG“ verpflichtest.

Dabei handelt es sich entweder um das Entfernen von verbotenen Inhalten aus dem Internet, (die phillippinischen Billigarbeiter mit überwigend katholisch-stregen Ethikmaßstäben gegenüber Pornografie gingen wirklich nicht mehr), das Entstauben der 23 km Bücher der Privatbliothek des „PLONG“-Gründers Bob Gebs oder der Vertrieb von gentechnisch verändertem Saatgut der Gebs-Stiftung an afrikanische Kleinbauern. Und die können ganz schön sauer werden, wenn sie mitkriegen, dass sie das Saatgut anschließend jedes Jahr wieder teuer kaufen müssen – kann ich echt nicht empfehlen. “

Bert, langsam verzweifelt: – „Na gut, dann zahl ich die fünf Euro.“

“ Schon abgebucht, danke! Wo solls denn jetzt hingehen?“

– Zu Oma Müller, Epplestraße 229 in Stuttgart-Möhringen –

„Wird gemacht. Mit oder ohne Ethikschutz?“

Bert, genervt: – Was ist das denn nun schon wieder? Und was kostet das? –

„Das ist völlig kostenfrei, freiwillig und optional. Stell Dir vor, es entsteht im Verkehr eine brenzlige Situation. Nehmen wir an, auf der Weinsteige kommt uns von oben auf unserer Fahrspur ein schwerer Baustellen-LKW mit defekten Bremsen entgegen.

An der Fußgängerampel in der von mir berechneten Kollisionszone steht links ein Baden-Württembergischer Ministerpräsident, rechts die 11-jährige Sarah S. mit Abi-Prognoseschnitt einskommazwei, in der Mitte besagter LKW und ganz rechts ist ein Abgrund ohne Leitplanke. Du als Mensch hätten wahrscheinlich „Sch….“ nicht mal zuende gesagt und wärst kollidiert oder möglicherweise in den Abgrund gefahren. Mit Ethikschutz kann Dir das nicht passieren. Ich werde die für Dich günstigste Variante aus den drei Verbleibenden auswählen und meine Algorithmen erlauben es mir dabei sogar noch, die drei Alternativen philosophisch-ethisch, – auf Wunsch auch religiös nach Wahl: christlich, muslimisch, jüdisch, Zen, Hindu und Spaghettimonster… – gegeneinander abzuwägen, für den Unfallbericht zu begründen und zu dokumentieren. Mehr als drei Nanosekunden brauche ich dafür nicht.“

Bert erleichert: – „Dann bitte mit Ethikschutz!“ –

(KI denkt: Hah, das klappt immer, ihr Menschen seid so leicht auszurechnen, wie die Amplitude einer Kinderschaukel!)

Laut: „Ääh, noch ein letztes: Wissenschaftler des Fraunhofer-SIT Instituts in Darmstadt haben im Rahmen des Projektes „Selbstdatenschutz im vernetzten Fahrzeug – SeDaFa“ prognostiziert, dass es generell in autonomen Fahrzeugen häufiger zu Sex kommen wird. Wenn Du möchtest, kann ich die nach innen gerichteten Kameras verpixeln, solange wir autonom fahren – es geht schließlich um DEIN Grundrecht auf Informationelle Selbstbestimmung und das Recht auf Vergessen-werden aus Artikel 17 DSGVO…?“

-„Ich bitte darum!“-

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