Die Wahrung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit bei der geplanten Videoüberwachung des Luisenplatzes in Darmstadt…

CCTV-NeinDanke/ Februar 1, 2021/ alle Beiträge, Digitalstadt Darmstadt, Hessische Landespolitik, Polizei und Geheimdienste (BRD), Videoüberwachung, Videoüberwachung in der Region/ 1Kommentare

war Anlass für zwei inhaltlich identische Schreiben der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main an Rafael Reiser (CDU), Bürgermeister und Ordnungsdezernent der Stadt Stadt Darmstadt und an Bernhard Lammel, Polizeipräsident für Südhessen.

Anfang 2020 haben Magistrat und Stadtverordnetenversammlung in Darmstadt beschlossen, den Luisenplatz in Darmstadt und alle Menschen, die diesen Platz betreten mit mehreren Videokameras einer ständigen Überwachung zu unterziehen. Gemeinsam mit anderen gesellschaftlichen Gruppen hat die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main dies wiederholt kritisiert und abgelehnt. Realisiert wurde die beschlossenen Planung bisher nicht.

Zum Schutz des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit wird im Magistratsbeschluss vom 22.01.2020 festgestellt: „… ist bei der Einrichtung der Videoüberwachung auf dem Luisenplatz zu berücksichtigen, dass dort regelmäßig Demonstrationen und Versammlungen stattfinden und eine Videoüberwachung grundsätzlich in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit eingreift. Die Videoüberwachung kann dazu führen, dass Versammlungsteilnehmer entweder Abstand von ihrer Teilnahme nehmen, wenn sie sich einer hoheitlichen Beobachtung ausgesetzt sehen, oder ihr Verhalten in der Versammlung an die Situation anpassen. Aus diesem Grund erfolgen Bildaufnahmen bei Versammlungen nach den spezielleren Regelungen des Versammlungsgesetzes und nicht des HSOG, da im Anwendungsbereich des Versammlungsrechts die Vorschriften des Versammlungsgesetzes dem Polizei- und Ordnungsrecht vorgehen.“ (Beschluss S. 10)

Vor dem Hintergrund von zwei Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Nordrhein-Westfalen aus dem März 2020 (Aktenzeichen: 15 B 332/20 und 15 A 1139/19) erscheint der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main die o. g. Position unzureichend, um den Schutz des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit wirksam sicher zu stellen. Das OVG NRW hat in den beiden genannten Entscheidungen – die die Polizeipräsidien Köln und Dortmund betrafen – im Kern entschieden: Die Kamerapräsenz stellt einen Eingriff in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Grundgesetz dar. Sie ist grundsätzlich geeignet, einschüchternd oder abschreckend auf die Versammlungsteilnehmer*innen zu wirken. Dafür ist unerheblich, dass die Polizei die Kameras für die Dauer der Versammlung abschaltet. Dies ist nicht hinreichend verlässlich erkennbar. Eine für alle Versammlungsteilnehmer*innen sichtbare Abdeckung der Kameras für die Zeitdauer der Versammlung sei zwingend geboten und den Behörden zumutbar.

Die Entscheidungen des OVG NRW haben inzwischen bundesweit Auswirkungen:

  • Der Frankfurter Polizeipräsident Gerhard Bereswill hat der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main in einem Schreiben vom 03.07.2020 mitgeteilt, dass die Urteile des OVG NRW bekannt seien, bei dem in Frankfurt geplanten Ausbau bzw. der Modernisierung der polizeilichen Videoüberwachungsanlagen beachtet würden und eine entsprechende „technische Lösung“ in Arbeit sei.
  • Das Polizeipräsidium Köln hat im November 2020 praktische Konsequenzen aus dem Urteil des OVG gezogen und mitgeteilt: „Die Polizei Köln hat aus versammlungsrechtlichen Gründen die polizeilichen Videobeobachtungsanlagen in Köln mit neuer Technik ausrüsten lassen. Durch schwenkbare Kameras und Rollos ist es für Versammlungsteilnehmer seit heute (20. November) nun klar zu erkennen, wenn die Polizei keine Aufzeichnungen fertigt. Bislang war die Abschaltung der Aufzeichnung durch die Leitstelle während der Versammlungen von außen nicht sichtbar. Während die fest installierten Panomera-Kameras durch neongelbe Rollos mit einem klaren Symbol (durchgestrichene Kamera) abgedeckt werden, schwenken die neuen PTZ-Kameras (PTZ steht für „Pan-Tilt-Zoom“) deutlich sichtbar zur Seite.“
  • Der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) hat lt. Presseberichten (Weser-Kurier vom 25.01.2021) erklärt: „‚Das Urteil bindet uns nicht unmittelbar, wir können es aber auch nicht außer Acht lassen‘… Zwar gebe es in Bremen noch keine entsprechende Klage. Doch sollte die kommen, wäre sie wohl erfolgreich. ‚Im Grunde haben wir keine Chance und würden vor Gericht Schiffbruch erleiden‘“

In ihren Schreiben vom 31.01.2021 an den Bürgermeister und Ordnungsdezernenten der Stadt Stadt Darmstadt und an den Polizeipräsidenten für Südhessen erklärt die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main: Ungeachtet unserer fortbestehenden Ablehnung der Videoüberwachung des Luisenplatzes erwarten wir, dass die Entscheidungen des OVG NRW auch in Darmstadt beachtet werden und keine Kameras installiert werden, die den genannten Grundsätzen widersprechen.“

1 Kommentar

  1. Es macht wenig Sinn, sich gegen die Ausweitung von Kameras zu wehren, da die Totalüberwachung ein essentieller Teil der ‚Smart City‘ Initiative ist. Das viel größere Problem ist die allgegenwärtige Normalisierung der Überwachung durch eine vollkommen unmündige Gesellschaft. „Die Menschen tendieren dazu, in der Gesellschaft zu leben, die sie verdienen.“

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