Die Pharmalobby fordert eine Senkung des Schutzes von Gesundheits- und Behandlungsdaten im neuen Bundesdatenschutzgesetz
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein „Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680“ wurde von Datenschützern bereits wiederholt kritisiert, weil es Datenschutzstandards in Deutschland gegenüber dem derzeit geltenden Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) als auch gegenüber der ab 25.05.2018 geltenden EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) absenken würde.
Kritik völlig anderer Art kommt aus den Reihen der Pharmaindustrie. Deren Lobbyorganisation, der Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. (vfa), hat in einer Stellungnahme vom 06.03.2017 eine noch weitergehende Absenkung der Datenschutzstandards gefordert. In der Stellungnahme wird eingangs festgestellt: „…erkennt der vfa Änderungsbedarf in § 22 Abs.1 BDSG-neu aus Klarstellungsgründen sowie in § 27 BDSG-neu im Hinblick auf die dortige Interessenabwägung und auf das dort getroffene Rangverhältnis von Anonymisierung und Pseudonymisierung…“ (S. 3).
Pharma-Lobby fordert Streichung von Interessenabwägung und Anonymisierung bei der Nutzung von Gesundheits- und Behandlungsdaten
Dies wird deutlich an Forderungen, bei § 27 Abs. 1 und 3 BDSG-neu Streichungen im Text des Gesetzentwurfs vorzunehmen.
Zu § 27 Abs. 1 BDSG-neu „schlägt der vfa die Streichung der Interessenabwägung aus § 27 Abs.1 BDSG-neu vor, der dann wie folgt lauten würde: (1) Abweichend von Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 ist die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 auch ohne Einwilligung für wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke oder für statistische Zwecke zulässig, wenn die Verarbeitung zu diesen Zwecken erforderlich ist und die Interessen des Verantwortlichen an der Verarbeitung die Interessen der betroffenen Person an einem Ausschluss der Verarbeitung erheblich überwiegen. Der Verantwortliche sieht angemessene und spezifische Maßnahmen zur Wahrung der Interessen der betroffenen Person gemäß § 22 Absatz 2 Satz 2 vor.“ (S. 6)
Zu § 27 Abs. 3 BDSG-neu „spricht sich der vfa für folgende Änderung des § 27 Abs. 3 BDSG-neu aus. § 27 Abs. 3 S. 1 und 2 BDSG-neu i.V.m. Art. 9 Abs.1 der DSGVO werten die Pseudonymisierung im Forschungsbereich als gegenüber der Anonymisierung nachrangiges Instrument der Verarbeitung von genetischen oder Gesundheitsdaten. Das sollte aus Sicht des vfa in mehrfacher Hinsicht überdacht werden.“ (S. 7) Folgerichtig fordert der vfa hier die Streichung des Anonymisierungsgebots aus dem BDSG-neu: „(3) Ergänzend zu den in § 22 Absatz 2 genannten Maßnahmen sind bei zu wissenschaftlichen oder historischen Forschungszwecken oder zu statistischen Zwecken verarbeiteten besonderen Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 zu anonymisieren, sobald dies nach dem Forschungs- oder Statistikzweck möglich ist, es sei denn, berechtigte Interessen der betroffenen Person stehen dem entgegen. Bis dahin sind die Merkmale gesondert zu speichern, mit denen Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person zugeordnet werden können, gesondert zu speichern (Pseudonymisierung). Sie dürfen mit den Einzelangaben nur zusammengeführt werden, soweit der Forschungs- oder Statistikzweck dies erfordert.“ (S.8)
Viel deutlicher kann nicht ausgedrückt werden, dass der Schutz empfindlichster personenbezogener Daten (Gesundheits- und Behandlungsdaten) unter die Räder privatwirtschaftlich organisierter Interessen kommen soll. Widerstand dagegen ist angesagt!
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