„Der Digitalisierung im Gesundheitswesen eine Richtung geben und sie im Interesse der Nutzerinnen und Nutzer vorantreiben“ – Licht und Schatten in einem Antrag der Bundestagsfraktion der Grünen
Richtig ist die Feststellung zu Beginn: „Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Es geht nicht primär um die Frage, ob das Gesundheitswesen digitalisiert wird, ob mehr Apps oder andere digitale Anwendungen eingesetzt werden, vielmehr muss durch eine systematische politische und strategische Begleitung des gesamten Digitalisierungsprozesses und durch entsprechende Rahmenbedingungen sichergestellt werden, dass primär ein Nutzen für die Patientinnen und Patienten und ihre Versorgung, für das Gesundheitswesen, für die Pflege und für die Forschung tatsächlich erzielt wird.“
Richtig ist auch die Feststellung, dass „die informationellen Selbstbestimmungsrechte der Patientinnen und Patienten sowie der Pflegebedürftigen nicht als Hindernis, sondern als Grundlage für Akzeptanz und Vertrauen in die digitale Transformation zu verstehen“ sind. Dass Patient*innen, die sich – gut informiert und aus freien Stücken – für die Nutzung einer elektronischen Patienten*innenakte entscheiden, ein „verständliches und leicht zu pflegendes Einwilligungs- und Berechtigungsmanagement für die in die elektronische Patientenakte(ePA) einzustellenden Daten“ erhalten „und den Versicherten schon zum Start der ePA die Möglichkeit ein(ge)räumt (wird), die in die ePA aufgenommenen Befunde und Behandlungsdaten nur bestimmten Leistungserbringern zugänglich zu machen“ sind unabdingbare Selbstverständlichkeiten.
Auch die Forderung nach einem „Beschlagnahmeverbot nach § 97 StPO“, das „vollumfänglich auch auf die in der elektronischen Patientenakte nach § 291a SGB V verschlüsselten Daten übertragen“ werden soll und die Forderung, dass „sichergestellt bleibt, dass von Versicherten nicht verlangt werden kann, einem anderen als dem in § 291a Abs. 8 SGB V genannten Personenkreis und zu anderen als den dort genannten Zwecken den Zugriff auf ihre elektronische Patientenakte und die darin gespeicherten Daten zu gewähren“, ist gut und richtig.
Den Grünen im Bundestag dämmert auch zu Recht, dass mit der Gematik „kein Staat mehr zu machen“ ist. Fälschlicherweise verorten sie das Problem aber in unzureichendem Projektmanagement. Projektmanagement ist bei IT-Projekten jedoch selten das Problem (höchstens in der Form, dass das halt noch zusätzlich was kostet). Das Problem liegt eher bei den Softwarearchitekten, die keinen oder wenig Realitätsbezug haben oder bestimmte Probleme auch bewusst ausblenden. Das beste Beispiel dafür ist die auch von den Grünen kritisierte abgespeckte elektronische Patientenakte (ePA) ohne Berechtigungskonzept und damit mehr als nur mangelhaftem Schutz sensibelster Gesundheits- und Behandlungsdaten.
Insbesondere in der Begründung ihres Antrags nehmen die Grünen im Bundestag zudem mehrmals unkritisch Bezug auf Studien der Bertelsmann-Stiftung und des Blogs “Digitale Patienten”, der von der Bertelsmann-Stiftung betrieben wird. Die Bertelsmann-Stiftung ist aber kein neutraler Begleiter des Digitalisierungsprozesses im Gesundheitswesen, sondern mit Arvato Systems einer der großen Konzerne in der IT-Gesundheitsindustrie und damit Profiteur der Digitalisierung des Gesundheitswesens.
Auch die unkritische Bezugnahme auf Digitalisierungsprozesse im Gesundheitswesen von Dänemark, Großbritannien und der Schweiz macht nachdenklich.
Dies alles befeuert die Skepsis, dass die Grünen immer noch in erheblichem Umfang digitale Naivlinge sind, die zwar von Datenschutz schreiben, aber gleichzeitig im Hinterkopf haben, dass dies nur eine Frage von gesetzlichen Regelungen wäre und wenig bis nichts mit wirtschaftlichen Interessen und mit technischer oder organisatorischen Datensicherheit zu tun hat.
Danke für die wohltuend sachliche Bewertung der Vorstellungen der Grünen zur Digitalisierung des Gesundheitswesens. Aus meiner Sicht ist zwar oft das Patientinnen wohl genannt – aber leider nur randständig die Perspektive der im Gesundheitswesen Tätigen einbezogen. Die sollen aber all die vielen Neuerungen mittragen und umsetzen. Nach Jahrzehnten der Ökonomisierung mit ihren verheerenden Folgen für die Arbeitsbedingungen. Die Vorschläge der Grünen sind zudem gespickt mit noch mehr Bürokratie, neuen „schlanken“ Institutionen – wir haben solche doch alle fett werden sehen in der Vergangenheit, ob die Selbstverwaltungen, Kammern, Verbände. Nein danke. Wir brauchen einen Systemwechsel, weg von der inhumanen Ökonomisierung mit ihrer inflationären, Illusionen weckenden und dann nicht erfüllenden Angebotsflut hin zu Bescheidenheit, Anerkennung des Machbaren und Vertrauenskultur.
Die Grünen sind digital informiert oder etwa nicht?
Die Gruppe der Kläger/innen (ArGe) gegen das eGK/TI-System hatte die Grünen und auch Konstantin v. Notz versucht zu informieren über die im Hintergrund wirksame erweitere Datenverarbeitung im Gesundheitswesen, die eine Art transparente Parallelwelt der Informationsverarbeitung für die Industrie schafft. Vergeblich! Wenn man bedenkt wievele Interessengruppen und auch wir versucht haben auf die den Bürger gefährdenden Sachverhalte hinzuweisen, dann muss man sich wundern warum die Grünen und auch die anderen befürwortenden Parteien diese Informationen nicht würdigen. Entweder sind die Grünen nicht in der Lage oder willens die gegebenen kritischen Informationen zu verarbeiten oder Sie sind bereits zu stark in höchst einseitiger Form von der IT-Lobby vereinahmt worden. Die Einblicke in die Projekte, eGK, TI und ePA und die Aufbereitung dieser Konzepte muss zwingend von vollkommen unabhängigen Experten vorgenommen werden. Und hierfür existieren weder die Strukturen noch die dafür notwendigen erheblichen finanziellen Mittel im deutschen Parlament. Das was die Grünen seit Jahren von sich gegeben zeugt nicht davon, dass hier sorgfältig und ausreichend gearbeitet wird. Unsere Demokratie braucht eine dringende Erneuerung in Bezug auf Bürgermitnahme und alternative Konzepte für gesellschaftliche Projekte, die die sensibelsten und schützenswertesten Daten von uns verarbeiten. Die Dimension des Geschehens ist ist viel größer als viele meinen, denn es geht um systemische Sachverhalte.