Der Berg kreißte und gebar eine Maus: EU-Kommission beantwortet nach dreieinhalb Jahren Beschwerde über mangelhaft ausgestattete Datenschutz-Aufsicht in Hessen
Im November 2017 ging bei der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main die Antwort der EU-Kommission auf eine Beschwerde ein, mit der die Gruppe im Juni 2014 auf die mangelhafte personelle Ausstattung der Datenschutzaufsicht in Hessen hinwies. Ohne auf das konkrete Anliegen der Beschwerdeführer einzugehen wird auf zwei Seiten wortreich erklärt, wie gut der Datenschutz und die Datenschutzaufsicht im EU-Raum geregelt sei.
Was war Anlass der Beschwerde?
Am 25.06.2014 hatte die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main in einem Brief an die EU-Kommission erklärt: „…es ist zu besorgen, dass die Datenschutzkontrolle des nichtöffentlichen Bereiches in der Bundesrepublik Deutschland nicht ausreichend unabhängig ist und daher die Bundesrepublik Deutschland gegen die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (Az.: C-518/07) vom 9. März 2010 fortlaufend verstößt.“
Als Beleg für diese Feststellung wurde eine Stellungnahme des Hessischen Datenschutzbeauftragten benannt. Dieser hatte am 26.05.2014 von der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main eine Liste von 369 Standorten mit 820 Videokameras alleine im Stadtgebiet von Frankfurt am Main erhalten, bei denen Videoüberwachung des öffentlichen Straßenraums durch weit überwiegend private Stellen betrieben wird. Mit Schreiben vom 05.06.2014 hat der Hessische Datenschutzbeauftragte den Eingang der Eingabe bestätigt, zugleich aber einschränkend auf seine mangelnden (insbesondere personellen) Ressourcen hingewiesen, die eine zeitnahe Bearbeitung der Eingabe nicht zulassen würden. Zitat: „1. selbstverständlich werde ich im Rahmen der mir zur Verfügung stehenden Personalkapazität jeden Einzelfall überprüfen… 2. Ich werde somit jeden Einzelfall ‚vor Ort‘ überprüfen, was natürlich sehr zeitaufwändig sein wird; 3. Da […] ich jährlich weit mehr als 200 Fälle zu bearbeiten habe, die Videoüberwachung betreffen, bitte ich um Verständnis, dass ich eine Priorisierung in der Reihenfolge der Abarbeitung vornehmen muss“.
Zweifel sind also mehr als angebracht, ob dem Hessischen Datenschutzbeauftragten hinreichende Ressourcen zu Verfügung stehen, um seinen gesetzlichen Aufgaben nachkommen zu können. Für die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main war dies Anlass für die Beschwerde bei der EU-Kommission. Sie stellte in ihrem Schreiben an die Kommission fest: „Die… Defizite in der Ausstattung der hessischen Kontrollstelle und deren Umgang mit diesem Defizit werden dazu führen, dass genau bezeichnete Missstände über Monate und Jahre ohne Konsequenzen bleiben. Dies ist ein Verstoß gegen das genannte Urteil des EuGH… Wir bitten die Europäische Kommission durch Androhung und Vollziehung angemessener Strafmaßnahmen gegen die Bundesrepublik Deutschland die Beseitigung dieser Vollzugsdefizite voranzutreiben“.
Was war dem Voraus gegangen?
Gemäß einer Stellungnahme der EU-Kommission vom 05.07.2005 gehört zur völligen Unabhängigkeit der Datenschutz-Kontrollstellen auch die „Zuweisung ausreichender Mittel an die Kontrollstelle“.
Die EU-Kommission hatte die Bundesrepublik Deutschland 2007 deshalb wegen Vertragsverletzung verklagt, weil sie die Anforderungen an die Unabhängigkeit der Datenschutz-Kontrollstellen (Aufsichtsbehörden für den nicht-öffentlichen Bereich) als nicht erfüllt ansah. Der Europäische Gerichtshof entschied am 09.03.2010 (Aktenzeichen: C-518/07): „… dass die für die Überwachung der Verarbeitung personenbezogener Daten im nichtöffentlichen Bereich zuständigen Kontrollstellen mit einer Unabhängigkeit ausgestattet sein müssen, die es ihnen ermöglicht, ihre Aufgaben ohne äußere Einflussnahme wahrzunehmen. Diese Unabhängigkeit schließt nicht nur jegliche Einflussnahme seitens der kontrollierten Stellen aus, sondern auch jede Anordnung und jede sonstige äußere Einflussnahme, sei sie unmittelbar oder mittelbar, durch die in Frage gestellt werden könnte, dass die genannten Kontrollstellen ihre Aufgabe, den Schutz des Rechts auf Privatsphäre und den freien Verkehr personenbezogener Daten ins Gleichgewicht zu bringen, erfüllen.“
Zum Anlass der Beschwerde bei der EU-Kommission ist festzustellen:
Dreieinhalb Jahre nach der Eingabe der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main hat der Hessische Datenschutzbeauftragte etwa ein Drittel der Liste von 369 Standorten überprüft.