Auch in zweiter Instanz: Gerichtsverfahren gegen Datensammlung der Krankenkassen erfolgreich

Gesunde_daten/ April 11, 2023/ alle Beiträge, Gesundheitsdatenschutz, Telematik-Infrastruktur/ 1Kommentare

Das 2019 in Kraft getretene Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) sieht vor, dass die Krankenkassen u.a. ärztliche Diagnosen, Daten zu Krankenhausaufenthalten und zu Medikamenten ihrer Versicherten an eine Datensammelstelle des Spitzenverbands der Krankenkassen übermitteln. Diese Daten wurden erstmals zwischen dem 1. August und dem 1. Oktober 2022 in einer Datenbank zusammengeführt. Sie sollen jährlich aufgestockt und bis zu 30 Jahre gespeichert werden. Privatversicherte werden nicht erfasst. Die Datenbank wird auf Antrag interessierten Forschungsinstituten und Firmen zur Verfügung gestellt. Für die Übermittlung der Daten werden lediglich Namen, Geburtstag und -monat der Versicherten entfernt. Es gibt zugleich keine Möglichkeit, der Weitergabe sensibelster Gesundheitsdaten zu widersprechen – auch nicht für besonders schutzbedürftige Menschen. Darin sieht die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) Verstöße gegen das Grundrecht, selbst über die eigenen Daten zu bestimmen, und gegen das Datenschutzrecht der Europäischen Union. Mit ihren Verfahren will sie einen besseren Schutz der Daten erreichen und Missbrauch verhindern. Die GFF reichte am 3.5.2022 gegen die Sammlung von Gesundheitsdaten durch die Datensammelstelle des Spitzenverbands der Krankenkassen zwei Eilanträge bei Sozialgerichten in Berlin und Frankfurt ein. In beiden Verfahren hatten die gesetzlich versicherten klagenden Personen im Jahr 2022 erreicht, dass ihre Gesundheitsdaten bis zum Abschluss des Verfahrens nicht an die Datenstelle der Krankenkassen weitergegeben werden dürfen. Das war ein wichtiger Erfolg.

Inzwischen liegt zu einer dieser beiden Klagen auch eine Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts vom 14.09.2022 (Aktenzeichen: L 8KR 168/22 DS B ER) vor. Im Tenor des Urteils stellt das Gericht fest, dass der Krankenkasse des Klägers im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig untersagt (ist), die den Antragsteller betreffenden, in § 303b Abs. 1 SGB V und § 3 Abs. 1 DaTraV bezeichneten Daten für das Berichtsjahr 2019 an den Spitzenverband Bund der Krankenkassen zu übermitteln.“

Und in seiner Urteilsbegründung kommt das Landessozialgericht zum Ergebnis: Das Sozialgericht hat bezüglich der Datenübermittlung für das Berichtsjahr 2021 in rechtlich nicht zu beanstandender Weise dargelegt, dass die Nachteile, die sich für den Antragsteller ergeben, wenn seinem Antrag nicht stattgegeben wird, er aber in einem Hauptsacheverfahren obsiegt, bei Weitem die Nachteile überwiegen, die der Antragsgegnerin drohen, wenn dem Antrag stattgegeben wird und die Antragsgegnerin im Hauptsacheverfahren obsiegt… bestehen auch seitens des Senats keine Zweifel, dass die vom Antragsteller substantiiert geltend gemachten möglichen Grundrechtsverletzungen – insbesondere die Verletzungen seiner informellen Selbstbestimmung – weitaus höher zu gewichten sind als die Folgen des vorübergehenden Ausschlusses der Übermittlung bzw. statistische Auswertung der den Antragsteller betreffenden Daten, welche wegen der seltenen schweren Erkrankung des Antragstellers besonders schutzwürdig sind…“


Niemand will Gesundheitsforschung verhindern. Aber das Gesetz sieht weder ausreichende Schutzstandards noch moderne Verschlüsselungsmethoden vor – das ist fahrlässig und gefährlich. Wenn Gesundheitsdaten einmal in falsche Hände geraten, kann das nicht mehr rückgängig gemacht werden“, sagte Bijan Moini, Jurist und Verfahrenskoordinator bei der GFF, nach den Urteilen der Sozialgerichte Berlin und Frankfurt. „Gesundheitsdaten sind mit einem Wert von durchschnittlich 250 US-Dollar pro Datensatz eine äußerst attraktive Beute für Datendiebe und böswillige Zugriffsberechtigte. Dass der Gesetzgeber kein Widerspruchsrecht gegen die Forschung mit den Daten einräumt, ist ein Skandal und ein Verstoß gegen das Recht, über die eigenen Daten selbst zu bestimmen“, so Moini.

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1 Kommentar

  1. Bundessozialgericht:
    Sozialgerichte können für Schadensersatzklagen wegen Datenpannen zuständig sein.

    Ein Bürger wirft einer gesetzlichen Krankenkasse die verspätete Erteilung einer Datenauskunft nach Art. 15 DSGVO vor. Er verlangt Schadensersatz in Höhe von 2.000 EUR und reicht im Juni 2021 eine Klage beim Sozialgericht Frankfurt/Main ein. Das Sozialgericht hält sich nicht für zuständig, das Hessische Landessozialgericht weist die Beschwerde zurück. Der Fall landet beim Bundessozialgericht (BSG), das jetzt entschieden hat, dass die Sozialgerichte für Schadensersatzklagen nach Art. 82 DSGVO zuständig sein können (BSG vom 6.3.2023 – Az. B 1 SF 1/22 R).

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