Oberlandesgericht Köln : Verstoß gegen datenschutzrechtliche Regelungen kann Schmerzensgeld-Anspruch begründen
Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hatte über eine Klage eines ehemaligen Angestellten eines Konzern zu entscheiden, der mit einer konzerneigenen Versicherungsgesellschaft einen Vertrag über eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen hatte. Als er zwei Jahre später Berufsunfähigkeit geltend machte und Leistungen aus der Versicherung beantragte verweigerte die Versicherung Leistungen wg. vertragswidrigem Verhalten (arglistige Täuschung durch den Versicherungsnehmer). Daraus entstand ein Rechtsstreit über zwei Instanzen vor anderen Gerichten.
Die beklagte Versicherung gab das erstinstanzliche Urteil an das konzerninterne Unternehmen weiter, in dem der Kläger beschäftigt war. Dieses sprach daraufhin gegenüber dem Kläger eine fristlose Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses aus. Der Angestellte klagte vor dem Landgericht und in zweiter Instanz vor dem OLG Köln, weil er die Ansicht vertrat, dass die Versicherung nicht berechtigt gewesen sei, das Urteil an das konzerneigene Unternehmen weiter zu geben, bei dem er beschäftigt war. Weder habe er eine Einwilligung zur Weitergabe erteilt habe noch habe dafür eine Erlaubnis nach dem Bundesdatenschutzgesetz vorgelegen. Seine Behauptung: Die Weitergabe des Urteils sei nur erfolgt, um arbeitsrechtliche Schritte gegen ihn einzuleiten; aufgrund der daraufhin erfolgten Kündigung sei ihm Arbeitslohn entgangen, der nicht abschließend beziffert werden könne. Der Kläger reklamierte daher einen Schadensersatzanspruch gegen die Versicherung. Ihm stehe zudem Schmerzensgeld wegen immateriellen Schadens zu.
Die beklagte Versicherung beantragte im Verfahren u. a., den Antrag des Klägers auf Schmerzensgeld abzuweisen, da § 7 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) lediglich einen Anspruch auf Schadensersatz vorsehe.
Das Oberlandesgericht Köln hat mit Urteil vom 30.09.2016 (Aktenzeichen: 20 U 83/16) hat – in Abweichung von Landgericht Köln – einen Anspruch des Klägers auf Schmerzensgeld bestätigt. In der Urteilsbegründung wird dazu ausgeführt: „Das Landgericht hat als Anspruchsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch allein § 7 BDSG geprüft…Es kommen daneben aber weitere Anspruchsgrundlagen in Betracht, etwa aus dem bürgerlichrechtlichen Deliktsrecht, wie aus § 823 Abs. 1 BGB, weil das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein sonstiges Recht im Sinne dieser Vorschrift ist, aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes und aus § 826 BGB. Vorliegend kommt vor allem ein Anspruch des Klägers aus einer vertraglichen oder vertragsähnlichen Beziehung mit der Beklagten in Betracht… Der durch eine rechtswidrige und schuldhafte Verletzung seines PersönIichkeitsrechts Betroffene kann Ersatz des immateriellen Schadens beanspruchen, wenn die Umstände eine solche Genugtuung erfordern… Verletzungen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts können auf Grund seines verfassungsrechtlichen Rangs (Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG) und seiner Ähnlichkeit zum Eingriff in den Körper und die Gesundheit ein Schmerzensgeld begründen… Bei den Gesundheitsdaten handelt es sich um besonders sensible Daten, die als eine besondere Art personenbezogener Daten im Sinne des § 3 Abs. 9 BDSG gesetzlich besonders geschützt sind. Dass sie vom Gesetz als besonders sensibel eingeordnet werden, ergibt sich u.a. aus § 213 VVG, der die Erhebung von Gesundheitsdaten betrifft. Ihre Weitergabe berührt das Persönlichkeitsrecht auf informationelle Selbstbestimmung in besonderem Maße. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst die Befugnis des Individuums, über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten – hier seiner Gesundheitsdaten – selbst zu bestimmen. Es entfaltet als objektive Norm seinen Rechtsgehalt auch im Privatrecht und strahlt so auf die Auslegung und Anwendung privatrechtlicher Vorschriften aus…“
Das Urteil ist insofern hochinteressant, da man daraus sicherlich ein Persönlichkeitsrecht und infolgedessen eine Entschädigung wegen unverhältnismäßiger Sanktionen bei Hartz4 ableiten kann.
Der Entzug des Existenzminimums ist -wie in vielen Fällen zudem noch unverhältnismäßig geschehen- in jedem Fall eine schwerwiegende Verletzung der Menschenwürde!
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