Stadt Hanau will die Videoüberwachung in der Innenstadt ausbauen

CCTV-NeinDanke/ September 30, 2025/ alle Beiträge, Hessische Landespolitik, Polizei und Geheimdienste (BRD), Videoüberwachung, Videoüberwachung in der Region/ 0Kommentare

Das geht aus einer Pressemitteilung der Stadt Hanau vom 29.09.2025 hervor. In schönstem Orwell-Neusprech erklärt die Ordnungsdezernentin Isabelle Hemsley (CDU): „Wir möchten, dass sich alle Hanauerinnen und Hanauer jederzeit sicher fühlen und ohne Bedenken in der Stadt aufhalten können. Deswegen bauen wir unsere Videoschutzanlage [1] an öffentlichen Plätzen aus… Wir nehmen die Sorgen unserer Bürgerinnen und Bürger ernst. Die Erweiterung der Videoschutzanlage ist ein nächster wichtiger Schritt, um die Sicherheit im Herzen der Stadt weiter zu erhöhen.“

Die bereits seit 2018 betriebene Videoüberwachung habe sich in den letzten Jahren immer wieder ausgezahlt, so Hemsley. Allein 2024 sei das Kameramaterial 80 mal bei Ermittlungen genutzt werden, 36 Taten seien durch die Kameras sogar aufgeklärt worden. Dass letzteres das Eingeständnis ist, dass Überwachungskameras nicht vor Straftaten schützen, scheint der CDU-Politikerin nicht bewusst zu sein.

Neue Kameras sind lt. Pressemitteilung der Stadt Hanau am Freiheitsplatz in Richtung Fahrstraße, am Freiheitsplatz gegenüber dem Gebäude des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) mit Blick auf die Marienkirchgasse sowie in Richtung Nordstraße/Forum geplant. Weitere Standorte sind am Markt, in der Hammerstraße, an der Ecke Krämerstraße sowie an der Kreuzung Hammerstraße/Langstraße vorgesehen. Die Gesamtkosten für den Ausbau der Videoüberwachung in der Innensstadt belaufen sich auf rund 346.000 Euro. Durch Fördermittel des Landes Hessen, das solche Maßnahmen mit einem Zuschuss von bis zu 66 Prozent unterstützt, kann sich der Kostenanteil der Stadt Hanau reduzieren.

Der Magistrat stimmte der beabsichtigten Maßnahme bereits zu, die Stadtverordnetenversammlung hat noch keinen Beschluss gefasst. Bleibt zu hoffen, dass die überwachungskritischen Oppositionsparteien in der Haunauer Stadtverordnetenversammlung das Vorhaben des Magistrats nicht unwidersprochen lassen.

Weiter bleibt zu hoffen, dass der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften kritisch nachfragen, wie es um die Videoüberwachung der Besucher*innen und Beschäftigten des Gewerkschaftshauses steht.

Und nicht zuletzt: Der Hanauer Freiheitsplatz wird gerne genutzt für Kundgebungen und Demonstrationen unterschiedlichster politischer Ausrichtung. Bleibt die Frage, wie sichergestellt wird, dass die Teilnehmer*innen ihre Grundrechte der Versammlungs- und Meinungsfreiheit wahrnehmen können, ohne dabei in den Blick polizeilicher Überwachungskameras zu geraten.

[1] Videoschutzanlagen“ = Orwell-deutsche Bezeichnung der hessischen Polizei für Videoüberwachungskameras.


Wer sich dafür interessiert, welche weitreichenden und zugleich detaillierten Überwachungsleistungen die von der Stadt Hanau in ihrer Pressemitteilung vorgestellten „Panomera“-Kameras

der Firma Dallmeier electronic GmbH & Co. KG ermöglichen, kann sich hier informieren.

Foto: © Stadt Hanau / Moritz Göbel (bereitgestellt zur Veröffentlichung in der Pressemitteilung der Stadt Hanau vom 29.09.2025)


Update 01.10.2025

Die Hoffnung darauf, dass die mancherorts überwachungskritischen Parteien FDP und Grüne dem Ausbau der Videoüberwachung nicht zustimmen, hat sich leider zerschlagen.

Der Fraktionsvorsitzende der FDP im Hanauer Stadtparlament teilte auf Nachfrage per E-Mail mit: Vielen Dank für Ihre Nachfrage zur Haltung der Hanauer Liberalen zur Ausweitung der seit 2018 bestehenden Videoüberwachung. Unter folgendem Link finden Sie unsere Pressemitteilung dazu. Tatsächlich ist es uns wichtig, eine gute Balance zwischen Recht auf Anonymität und Sicherheit herzustellen. Die engen Leitplanken zur Speicherung, Weitergabe und Löschung der Videodaten konnten uns zustimmen lassen.“

Quelle: Pressemitteilung der FDP Hanau

Videoüberwachung… ist Freiheitsinfrastruktur – nicht Überwachungsstaat“

Darauf muss man erst mal kommen! Danke FDP Hanau!

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Hanauer Stadtparlament teilte auf Nachfrage per E-Mail mit: Am vergangenen Montag wurde der Ausbau der Videoüberwachung, wie in der Pressemitteilung beschrieben, von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen. Meine Fraktion hat mehrheitlich zugestimmt. Seit 2018 diskutieren wir den Sinn und Unsinn von Überwachungskameras kontrovers.  In der Debatte haben wir geltend gemacht, das eine fortwährende Erweiterung der überwachten Zonen von uns kritisch gesehen wird.Wir befürworten eher eine Ausweitung der Streifengänge der Stadtpolizei. Dagegen steht das subjektive Sicherheitsgefühl für die Menschen, die sich in der Innenstadt bewegen und dort zum Busbahnhof, ins Forum oder auf den Markt gelangen wollen. Die Stadträtin hat angekündigt, in der November Sitzung ein Konzept für weitere Überwachungskameras vorzulegen. Sie sprach unter anderem von dem Schlosspark. Wir werden uns das Konzept anschauen und dann weiter entscheiden. Bezüglich der Bilder von Kundgebung und Demonstration muss ich mich erkundigen, ob sichergestellt wird, dass diese geschützt beziehungsweise kurzfristig gelöscht werden.“

Ja, das subjektive Sicherheitsgefühl…

Wie wird es gemessen? Wie ist es im Durchschnitt? Wer bestimmt es? Und kann es überhaupt Grundlage politischer Entscheidungen und staatlichen Handelns sein? Fragen über Fragen…

Seit dem 19.12.2024 gibt es in § 1 Abs. 7 HSOG eine bislang kaum beachtete, aber schwerwiegende Neuregelung. Sie lautet: „Im Rahmen der Aufgabenwahrnehmung der Gefahrenabwehr- und der Polizeibehörden kommen der Kriminalprävention, der Demokratieförderung, der Extremismusprävention und der Stärkung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung besondere Bedeutung zu.“ In der bis 18.12.2024 geltenden Fassung des HSOG ist dieser Absatz nicht enthalten.

Für die Grüne Landtagsfraktion ist – neben anderen – diese Neuregelung im hessischen Polizeirecht Gegenstand eines Normenkontrollantrags beim Hessischen Staatsgerichtshof. Der Rechtsanwalt, der den Normenkontrollantrag für die Grüne Landtagsfraktion erarbeitet hat, erklärte dazu in einem Beitrag vom 29.07.2025 in der Legal Tribune Online (LTO): „Eine kaum beachtete Gesetzesänderung gibt der Polizei neue Befugnisse, das öffentliche Sicherheitsgefühl zu stärken. Unabhängig von Gefahren oder Kriminalstatistik. Es droht eine Emotionalisierung des Aufgabenbegriffs… Wenn der Gesetzgeber der Stärkung des Sicherheitsgefühls ‚besondere Bedeutung‘ im Rahmen polizeilicher Aufgaben beimisst, ist klar: Das subjektive Sicherheitsempfinden der Bevölkerung wird zur offiziellen Aufgabe der Polizei. Es steht nicht länger nur neben der Gefahrenabwehr – es wird Teil von ihr. Die Gesetzesbegründung bestätigt das: ‚Viele Menschen verspüren (…) ein subjektives Gefühl der Unsicherheit, was vermehrt auch für Frauen im öffentlichen Raum gilt, auch wenn dies oft nicht durch objektive Kriminalitätszahlen- und statistiken belegt werden kann.‘ Ziel sei daher die Stärkung des Sicherheitsgefühls… Anders ausgedrückt: Auch dann, wenn es objektiv, gestützt auf Kriminalitätszahlen und -statistiken, keinen Anlass zur Besorgnis gibt, gehört es nach der Gesetzesbegründung zu den Aufgaben der Gefahrenabwehr- und Polizeibehörden, das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu stärken… Die Tragweite dieser Neuregelung erschließt sich mit Blick auf den ebenfalls neu gefassten § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 HSOG… Danach können die Gefahrenabwehr- und Polizeibehörden… öffentlich zugängliche Orte mittels Bildübertragung offen beobachten und aufzeichnen, sofern diese Orte aufgrund ihrer konkreten Lage, Einsehbarkeit und Frequentierung günstige Tatgelegenheiten für – im Gesetz näher definierte – Straftaten mit erheblicher Bedeutung bieten und deshalb anzunehmen ist, dass sie gemieden werden. Zweck dieser Neureglung in § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 HSOG ist nach der Gesetzesbegründung die besagte Stärkung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung. Die Aufgabenerweiterung in § 1 Abs. 7 HSOG zieht damit eine Befugniserweiterung in § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 HSOG nach sich…“

Empfehlung an die Mitglieder der Fraktion der Grünen in Hanau: Lest mal die Klageschrift Eurer landtagsfraktion. Lesen bildet! Und kann zum Nachdenken führen.

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