Grundlose ärztliche Untersuchung stellt einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar
Das Landgericht Heidelberg hat mit Urteil vom 22.08.2013 (AZ: 3 O 403/11 – http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&nr=17252) die Anordnung eines Drogentests bei einer Frau, die arbeitssuchend ist und Leistungen nach SGB II bezieht, als rechtswidrig beurteilt.
In den Leitsätzen des Urteils kommt das Gericht zu folgendem Ergebnis:
- Die Untersuchung einer Leistungsbezieherin der Grundsicherung für Arbeitssuchende auf eine Suchtmittelabhängigkeit ist für die Entscheidung über die Leistung nur dann erforderlich… wenn es aus dem Verhalten der Antragstellerin oder sonst zugänglichen Informationen Hinweise hierauf gibt.
- Erfolgt eine solche Untersuchung (hier: Drogenscreening einer Urinprobe sowie Untersuchung einer Blutprobe auf Blutalkohol) ohne genügende konkrete Hinweise auf eine Suchtmittelabhängigkeit, stellt dies einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 1 Abs.1, Art. 2 Abs. 1 GG dar.
Der Hintergrund der Auseinandersetzung:
- Die Klägerin war seit längerem arbeitslos gemeldet und bezog Leistungen nach SGB II. Nachdem sie mehrfach für längere Zeit krankgeschrieben und aufgrund dessen auch zu vereinbarten Gesprächsterminen nicht erschienen war, erteilte die zuständige Sachbearbeiterin im Jobcenter Heidelberg einen Untersuchungsauftrag an den ärztlichen Dienst der Bundesagentur für Arbeit mit dem Ziel der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit und der Abklärung eines eventuellen Suchtmittelmissbrauchs (Drogen, Alkohol, Tabletten). Bei der folgenden Untersuchung durch den ärztlichen Dienst wurden u.a. eine Untersuchung der Blutalkoholkonzentration und ein Drogenscreening durchgeführt.
- Die Klägerin sah in dem Verhalten der Sachbearbeiterin und der Ärztin des ärztlichen Dienstes einen diskriminierenden und entwürdigenden Verstoß gegen ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht.
- Das Landgericht Heidelberg stellt in seinem Urteil fest, dass das Verhalten der Ärztin und der Sachbearbeiterin rechtswidrige Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin darstellen. Untersuchungen, die mit einem – wenn auch nur geringen – Eingriff in die körperliche Unversehrtheit verbunden sind (wie Blutentnahmen), dürften nur angeordnet werden, wenn dies auch tatsächlich zur Prüfung der gesundheitlichen Eignung geboten sei. Untersuchungen auf eine Suchtmittelabhängigkeit seien nur dann veranlasst, wenn es aus dem Verhalten der Antragstellerin oder sonst zugänglichen Informationen konkrete Hinweise hierauf gebe. Derartige konkrete Hinweise habe das Jobcenter im Prozess jedoch nicht darlegen können.
In Eurem Kommentar zu dem o.g. Urteil habt ihr vergessen aufzuführen, dass lt. des Heidelberger Urteils ein Recht auf Schadensersatz nur besteht, wenn der Eingriff so schwerwiegend ist, dass er lediglich durch die finanzielle Enttschädigung ausgeglichen werden kann.
„Das ist noch nicht der Fall, wenn sich die nachteiligen Auswirkungen des Eingriffs in engen Grenzen halten, weil
– der Verdacht einer Suchtmittelabhängigkeit nicht an die Öffentlichkeit gelangt ist,
– kein Anlass für die Annahme besteht, dass die Bundesagentur für Arbeit gegenüber Leistungsbeziehern der Grundsicherung für Arbeitssuchende generell in gleicher oder ähnlicher Weise vorgeht …“
Mir ist (nun) klar, dass dieser (finanzielle) Aspekt nicht aufgeführt wurde, weil es Euch hier (primär) um Datenschutzbelange geht. Dieser finanzielle Aspekt ist aber m.E. auch wichtig zu wissen.