Hamburger Datenschützer zur G20-Fahndung: Keine Rechtsgrundlage für Fahndung der Polizei mittels biometrischer Gesichtserkennung

Datenschutzrheinmain/ August 31, 2018/ alle Beiträge, Polizei und Geheimdienste (BRD), Videoüberwachung/ 1Kommentare

Prof. Dr. Johannes Caspar, Hamburgischer Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit (HmbBfDI) hat in einer Pressemitteilung vom 31.08.2018 mitgeteilt, dass er nach umfassender Prüfung den Einsatz eines Verfahrens der automatisierten Gesichtserkennung durch die Polizei Hamburg“ dieses Verfahren als „datenschutzwidrig“ beanstandet.

Der Beanstandung liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Anlässlich des G20-Gipfels hatte die Polizei Hamburg Bild- und Videomaterial von insgesamt 100 Terabyte zur Verfolgung begangener Straftaten erhoben. Davon wurden zunächst 17 TB in einer Datenbank zusammengeführt. Das Material stammt aus gänzlich unterschiedlichen Quellen: Über die Dauer von z.T. mehr als vier Tagen wurden im Verlauf des G20-Gipfels die Videoaufnahmen aus verschiedenen S-Bahnhöfen entnommen, es wurden private Personen aufgefordert, über ein Portal eigene Bild- und Videodateien hochzuladen, ferner wurden eigene Aufnahmen der Polizei sowie Bilder aus der Berichterstattung in den Medien hinzugezogen. Durch den Einsatz der dafür eigens angeschafften Software Videmo 360 wurden ausnahmslos alle Gesichter von Menschen, die sich auf dem umfangreichen Video- und Bildmaterial befanden, biometrisch verarbeitet. Dabei wurden markante Punkte des menschlichen Gesichts durch die Software ausgelesen und als abrufbare und abgleichbare mathematische Modelle (sog. Gesichtstemplates) abgespeichert. Das Verfahren ermöglicht dabei die Suche in zweierlei Richtung: nach unbekannten Personen, von denen lediglich Video- oder Bildaufnahmen aus den verschiedenen Quellen vorhanden sind, wie auch die Invers-Recherche nach namentlich bekannten Personen, von denen die Polizei bereits anderweitig über Bilder, jedoch keine von den  damaligen Gipfel-Ereignissen verfügt.  

In der Stellungnahme des HmbBfDI wird dazu erklärt: Nach intensiver rechtlicher Prüfung und Auswertung des Verfahrens ist der HmbBfDI zu dem Ergebnis gelangt, dass die Erzeugung von mathematischen Gesichtsmodellen einer unbegrenzten Anzahl von in der Masse verdachtslos erfassten Bürgerinnen und Bürgern im Stadtgebiet über den Zeitraum von zumindest mehreren Tagen und deren Speicherung für eine unbestimmte Zeit einer besonderen gesetzlichen Befugnis bedarf, die den Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht rechtfertigt. Weder Voraussetzungen und Umfang derartiger Verfahren biometrischer Massendatenverarbeitung sind derzeit gesetzlich bestimmt, noch gibt es Verfahrensregelungen, die den Schutz von Rechten und Freiheiten Betroffener gegenüber einer Erzeugung von Gesichts-IDs in verhältnismäßiger Weise näher festlegen…“

Prof. Dr. Johannes Caspar wird mit der Feststellung zitiert: „Wenn bereits die Häufung von Straftaten ausreicht, um den Ermittlungsbehörden nicht nur den Zugriff auf zahllose Bilddateien, sondern auch die zeitlich und örtliche nahezu unbegrenzte Auswertung biometrischer Identitäten von Tausender Unbeteiligter zu ermöglichen, vermittelt die Herrschaft über Bilder eine neue Intensität staatlicher Überwachungs- und Eingriffsbefugnisse, die hoch missbrauchsgefährdet sind. Im Rechtsstaat ist es Sache des Gesetzgebers, für derartige grundrechtssensible Eingriffe durch eingriffsintensive Instrumente klare inhaltliche Vorgaben wie auch Verfahrensgarantien für Betroffene zu formulieren. Es darf nicht allein der Einschätzung von Strafverfolgungsbehörden auf der Basis allgemeiner Grundsätze überlassen bleiben, biometrische Massendatenerhebungen zur Ermittlung von Straftätern durchzuführen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Einhaltung derartiger rechtsstaatlicher Grundsätze etwa bei der Rasterfahndung und sogar bereits für das automatische Scannen von Kfz-Kennzeichen eingefordert. Solange der Gesetzgeber davon absieht, klare Vorgaben für den Einsatz dieser Technologie zu formulieren, können entsprechende Maßnahmen nicht auf eine unspezifische Auffangkompetenz von Generalklauseln gestützt werden. Ich gehe davon aus, dass die Beanstandung dazu führt, dass der Einsatz dieses Verfahrens gestoppt wird und eine Löschung der ohne Rechtsgrundlage erhobenen biometrischen Daten erfolgt.”

Der ausführliche Prüfbericht des HmbBfDI kann hier heruntergeladen werden.

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  1. Sicherheitskräfte der Deutschen Bahn tragen in Hamburg ab sofort Körperkameras, sog. Bodycams. Auch hierzu hat sich der Hamburgischer Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit, Johannes Caspar, geäußert:

    (…) “Für Polizisten wurde dafür eine spezielle Rechtsgrundlage im Gesetz zur Datenverarbeitung durch die Polizei geschaffen. Außerdem haben Behörden besondere Hoheitsbefugnisse. Das alles gelte für private Sicherheitskräfte, wie die der Deutschen Bahn, nicht, sagt Caspar. ‚Für sie gilt die Datenschutzgrundverordnung, nach der die Anforderungen, im Gegensatz zum Polizeirecht, nicht automatisch von einem Über-Unterordnungsverhältnis ausgehen.’“ (…) (taz Hamburg, 31.08.18)

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