Stadt Frankfurt: Ausweichende Antworten zu polizeiliche „Sicherheitsüberprüfungen“ bei Beschäftigten, die in Einrichtungen für Geflüchtete arbeiten
Am 19.04.2018 tagte der Ausschuss für Soziales und Gesundheit der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung. Auf der Tagesordnung ein Antrag der Fraktion Die Linke, der unter der Überschrift „Auf dem Weg zum Frankfurter Radikalenerlass?“ drei Forderungen enthält:
- „Die Stabsstelle Flüchtlingsmanagement unterlässt die Aufforderung an die freien Träger, von ihren Mitarbeiter*innen Einwilligungen zur Zuverlässigkeitsüberprüfungen zu verlangen.
- Die bisher erhobenen Daten werden umgehend gelöscht.
- Die eingegangen Anträge und Einwilligungen in die Zuverlässigkeitsüberprüfung werden annulliert.“
Für mehr als 40 Beschäftigte der betroffenen Einrichtungen und Unternehmen war dies – unterstützt und organisiert vom Frankfurter Netzwerk der Sozialen Arbeit – Anlass, um in der Ausschusssitzung einen dauerhaften Verzicht auf die Schnüffelmaßnahme zu fordern. In vielen Wortbeiträgen von Beschäftigten und Betriebsräten erklärten diese, dass die von der Stadt Frankfurt geforderte Maßnahme ein pauschales Misstrauen ausdrückt, für das es keine Berechtigung gibt und insbesondere BewerberInnen um einen Arbeitsvertrag massiv unter Zustimmungs-Druck setzt.
Die für die Maßnahme der Stabsstelle Flüchtlingsmanagement zuständige Sozialdezernentin Daniela Birkenfeld (CDU) informierte, dass das Land Hessen die Stadt Frankfurt und andere Kommunen und Landkreise in Hessen im Jahr 2017 aufgefordert habe, auf der Grundlage des § 13a HSOG alle Beschäftigten in Einrichtungen der Hilfe für Geflüchtete dieser Zuverlässigkeitsprüfung zu unterziehen. In der Folge seien von der Polizei in Frankfurt auch Empfehlungen ausgesprochen worden, insgesamt vier BewerberInnen um einen Arbeitsvertrag nicht einzustellen. Die Forderung nach einer pauschalen Überprüfung aller Beschäftigten habe die Stadt Frankfurt zwischenzeitlich zurückgenommen, zugleich aber die Leitungen der betroffenen Einrichtungen aufgefordert, in eigener Verantwortung die Maßnahme fortzusetzen. Erst auf mehrmalige Nachfrage von Betroffenen sicherte sie zu, dass bereits eingegangen Anträge und Einwilligungen in die Zuverlässigkeitsüberprüfung annulliert und die bisher erhobenen Daten umgehend gelöscht werden sollen.
Walter Schmidt fragte für die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main in der Debatte nach: „Worauf stützt sich die pauschale Anforderung an ausnahmslos alle Beschäftigten und Einrichtungen? Gab es irgendwo mindestens Anhaltspunkte für eine Gefährdung? Oder sollte die Regelung in § 13a HSOG als Generalermächtigung zum Ausschnüffeln von Beschäftigten genutzt werden? Und wie steht es im Sozialdezernat um den Schutz personenbezogener Daten, wenn eine Leitungskraft der Stabsstelle Flüchtlingsmanagement mal eben mitteilen kann: ‚Bitte senden Sie die Unterlagen Ihrer Mitarbeiter/innen immer als Scan an folgende Mail-Addresse…‘?“
Er verwies auf eine Stellungnahme des behördlichen Datenschutzbeauftragten der Stadt Frankfurt, der der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main auf Anfrage mitteilte: „Rechtsgrundlage für Zuverlässigkeitsprüfungen ist § 13a HSOG. Wir haben die Stabsstelle darauf hingewiesen, dass zunächst nachvollziehbar zu begründen ist, ob die Voraussetzungen einer Zuverlässigkeitsprüfung i.S. von § 13a Abs. 1 Nr. 3 HSOG (Liegenschaften, die besonders gefährdet sind) vorliegen. Dies ist keine datenschutzrechtliche Frage, sondern eine Rechtsfrage. Dabei müssen konkrete Gefährdungssituationen nachvollziehbar aufgezeigt werden, allg. Hinweise sind nicht ausreichend.“
Auf diese Fragen verweigerte die Sozialdezernentin – auch nach wiederholten Nachfragen anderer DiskussionsteilnehmerInnen – jeglich Antwort.
Walter Schmidt und einige der betroffenen Beschäftigten verwiesen in der Diskussion darauf,
- dass das von der Stadt Frankfurt gewählte Verfahren für die davon betroffenen Beschäftigten – verglichen mit dem in § 72a SGB VIII geforderte Verfahren (Anforderung eines „Führungszeugnis nach § 30 Absatz 5 und § 30a Absatz 1 des Bundeszentralregistergesetzes“) – eine deutlich größere Eingriffstiefe in ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aufweist;
- dass sich – im Unterschied zum Bundeszentralregister – in den diversen polizeilichen Dateien nicht nur Angaben zu verurteilten Straftätern, sondern auch zu mehr oder weniger begründeten „Verdachtsfällen“ und nachweislich auch zu völlig unbescholtenen Menschen befinden und
- dass es zu den diversen polizeilichen Datenbanken und Dateien eine Vielzahl von Stellungnahmen der Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder sowie von Urteilen von Verwaltungsgerichten gibt, die deutlich machen, dass bei Erstellung und Nutzung dieser Dateien datenschutzrechtliche und andere Regelungen in vielen Fällen nicht hinreichend beachtet werden.
Mehrere betroffene Beschäftigte verwiesen darüber hinaus auf Veröffentlichungen und Aktivitäten diverser „Verfassungssschutz“-Ämter, die ebenfalls pauschale Verdächtigungen zum Gegenstand haben und ehrenamtlich und hauptberuflich in der Hilfe für Geflüchtete tätige Menschen mit rechtsradikalen Ausländerfeinden und salafistisch orientierten Menschen in einen Topf rühren.
Auch zu diesen Themen verweigerte die Sozialdezernentin jegliche Stellungnahme.
Mit Bedauern muss festgestellt werden, dass die Koalitionspartner der CDU im Frankfurter Rathaus – SPD und Grüne – „in Treue fest“ zur CDU standen. Die Stadtverordneten der Grünen duckten sich weg und vermieden eine öffentliche Stellungnahme zum Thema und zum Antrag der Linken. Ursula Busch, Fraktionsvorsitzende der SPD, lies sich gar zu einer Erklärung verleiten, dass der Antrag der Linken durch die mündlichen Ausführungen der CDU-Dezernentin komplett erledigt sei.