Verwaltungsgericht Lüneburg: Übermittlung personenbezogener Daten von Versammlungsleitern bei Demonstrationen von Polizei an Geheimdienste ist grundsätzlich rechtswidrig
Das Verwaltungsgericht Lüneburg hat entschieden, dass die Übermittlungen von personenbezogenen Daten eines Gewerkschaftssekretär, der Versammlungen angemeldet und diese als Versammlungsleiter begleitet hat, an die Verfassungsschutzbehörde und das Landeskriminalamt rechtswidrig waren.
Der Kläger, Gewerkschaftssekretär der IG Metall in Lüneburg und bis 2012 Regionsgeschäftsführer des Deutschen Gewerkschaftsbundes der Region Nord-Ost-Niedersachsen, meldete in der Vergangenheit mehrfach Versammlungen an, die er als Versammlungsleiter begleitete. Im Jahre 2012 meldete der Kläger erneut zwei Veranstaltungen bei der Hansestadt Lüneburg als Versammlungsleiter an, zum einen eine Kundgebung und eine „Infomeile“ für den Deutschen Gewerkschaftsbund und das Lüneburger Bündnis für Demokratie/Netzwerk in Lüneburg mit dem Thema „Aktionstage gegen Rassismus“ und zum anderen für die IG Metall zwei Kundgebungen unter dem Motto „Gemeinsam für ein gutes Leben“, worüber die Stadt Lüneburg der Polizeiinspektion Lüneburg jeweils Mitteilung machte.
Die Polizeiinspektion Lüneburg wiederum übermittelte in der Folge sowohl an die Verfassungsschutzbehörde als auch an das Landeskriminalamt einen Bericht über die geplanten Veranstaltungen, worin unter anderem der Kläger als Versammlungsleiter in einem Fall nur mit Vor- und Zunamen und in dem anderen Fall sowohl namentlich benannt wurde als auch weitere Daten (Geburtsdatum und -ort, Wohnanschrift und Telefonnummer) übermittelt wurden.
Gegen diese Verfahrensweise hat der Betroffene im Oktober 2015 Klage erhoben und die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Übermittlung seiner personenbezogenen Daten begehrt. Die Polizeidirektion hat die Weitergabe der Daten damit gerechtfertigt, dass gegen den Kläger zum damaligen Zeitpunkt ein Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs anhängig gewesen sei. Dieses sei im August 2012 mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Zudem sei zum Zeitpunkt der ersten Veranstaltung eine Parallelveranstaltung der antifa angemeldet worden. Die Daten seien weitergegeben worden, um einen störungsfreien Versammlungsverlauf zu gewährleisten, damit der Kläger im Hinblick auf polizeiliche und verfassungsschutzrechtliche Erkenntnisse überprüft werde. So könne die Polizei abschätzen, wie viele Einsatzkräfte vor Ort gegebenenfalls erforderlich würden. Bei einer derartigen Einschätzung spiele insbesondere die Zuverlässigkeit des Versammlungsleiters eine Rolle.
Das VG Lüneburg hat der Klage des Gewerkschaftssekretärs gegen die Übermittlung seiner personenbezogenen Daten an die Verfassungsschutzbehörde des Landes Niedersachsen und das Landeskriminalamt Niedersachsen stattgegeben. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts waren die Übermittlungen der Daten an die oben benannten Institutionen rechtswidrig. Der Kläger habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Datenübermittlung, da mit der Weitergabe personenbezogener Daten ein schwerwiegender Eingriff in das grundrechtlich verbürgte Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz verbunden ist und daher ein Rehabilitationsinteresse bestehe. Die Voraussetzungen für eine Weitergabe der personenbezogenen Daten des Klägers lägen nach Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht vor. Eine Weitergabe personenbezogener Daten unter verschiedenen Behörden komme nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht, unter anderem wenn dies zur Erfüllung der Aufgabe der Gefahrenabwehr erforderlich sei, woran es indes fehle. Selbst nach Ansicht der Polizeiinspektion Lüneburg lägen keine konkreten Anhaltspunkte vor, dass es bei den angemeldeten Veranstaltungen zu Störungen hätte kommen können. So sei in den Mitteilungen an die Verfassungsschutzbehörde und an das Landeskriminalamt jeweils vermerkt worden, dass Hinweise auf Störungen nicht vorliegen. Eine vorsorgliche Übermittlung von personenbezogenen Daten für noch nicht eingetretene Gefahrenabwehraufgaben sei nach den anzuwendenden Gesetzesbestimmungen nicht zulässig.
Quelle: Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 18.01.2018
Das Urteil mit dem Aktenzeichen 1 A 334/15 wurde bisher noch nicht veröffentlicht.
Matthias Richter-Steinke, aktueller Regionsgeschäftsführer des DGB in Lüneburg hat in einem Interview mit dem NDR (1:28 Min.)
https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/lueneburg_heide_unterelbe/Wir-koennen-so-ein-Vorgehen-nicht-akzeptieren,verfassungsschutz458.html
gegen die Praxis der Polizei protestiert und will nun weitere Anfragen beim Verfassungsschutz in die Wege leiten, um die Praxis der Überwachung zu überprüfen.