Videoüberwachung in Kassel – neu gewählter Oberbürgermeister will am Ausbau festhalten, obwohl die Kriminalität zurückgegangen ist
In Kassel hat die Kriminalitätsbelastung lt. Polizeistatistik Nordhessen 2016 den niedrigsten Wert der Jahre 2012 – 2016 erreicht. Trotzdem will der Anfang März 2017 neu gewählte Kasseler Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD) an den Plänen der Stadt Kassel zum Ausbau der Videoüberwachung festhalten. Im Gespräch mit der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeine (HNA) erklärte er wenige Tage nach seiner Wahl: „‚Es bleibt dabei, dass wir die Videoüberwachung in der Stadt ausweiten‘, sagt Geselle. Dabei habe er die große Mehrheit der SPD-Fraktion hinter sich. Wie wichtig das sei, hätten ihm im Wahlkampf viele Kasseler immer wieder gesagt: ‚Die Menschen fühlen sich damit sicherer, und es ist ein sinnvoller Baustein, um Verbrechen schnell aufklären zu können‘, sagt der frühere Polizist. Wo genau weitere Kameras aufgestellt werden, müsse noch mit der Polizei abgestimmt werden. Das Geld steht auf jeden Fall im laufenden Haushalt bereit…“ Unterstützung erhält der Kasseler OB aus den Fraktionen von CDU und SPD im Kasseler Stadtparlament. In Anträgen an die Stadtverordnetenversammlung fordern sie die Ausweitung der Videoüberwachung in Kassel.
Wie auch in vielen anderen Städten bietet die Kasseler CDU-Fraktion die vollmundigste Forderung auf: „Der Magistrat wird aufgefordert, der Stadtverordnetenversammlung ein verbindliches Konzept zur Ausweitung der Videoüberwachung in Kassel vorzulegen…“ Etwas zögerlicher, aber auch prinzipiell einer Ausweitung der Videoüberwachung zugeneigt zeigt sich die SPD-Fraktion: „Um eine effiziente Gefahrenabwehr sicherzustellen und um der subjektiven Verunsicherung zu begegnen, fordern wir den Magistrat auf, mit den Landesbehörden ein Konzept für eine Videoüberwachung in den feststellbaren Zonen verminderter Sicherheit zu entwickeln, wobei auch eine aktive 1:1 live Kameraüberwachung mit einbezogen werden soll…“
Einzig die Fraktion Freie Wähler und Piraten hat mit einer Anfrage und einem Antrag kritisch zum Thema Videoüberwachung Stellung genommen. Mit einer Anfrage will die Fraktion u. a. Auskunft erhalten zu folgenden Fragen: „1. Welche Einsatzregeln bzw. Dienstvorschriften gelten für den Einsatz von Videoüberwachung durch Behörden der Stadt Kassel, insbesondere für die kasseler Polizei? … 4. Wie erfolgt die Sicherstellung der Verhältnismäßigkeit, also wie viele Personen von einer Maßnahme betroffen sind und ob ausreichender Anlass für die Überwachungsmaßnahme besteht? 5. Wie und wie häufig evaluiert die Stadt den Einsatz von Videoüberwachungssystemen durch die öffentliche Hand im Bereich der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung? …“. Und in Ihrem Antrag hebt die Fraktion ab auf die Sicherung der informationellen Selbstbestimmung: „Der Magistrat wird gebeten, ein Konzept zur Stärkung der Freiheitsrechte der Bürger in Kassel vorzulegen. In diesem Konzept sollen insbesondere folgende Aspekte berücksichtigt werden: Allen Kasseler Bürgern steht das Grundrecht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit zu. In Verbindung mit Artikel 1 Grundgesetz folgt daraus das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dieses Recht wird zunehmend durch staatliche Überwachungsmaßnahmen untergraben. Die Video-Überwachung öffentlicher Räume ist ein Eingriff in die Grundrechte der Bürger und erhöht den Grad der freiheitsbeschränkenden Maßnahmen… Der Magistrat wird deshalb beauftragt, die Kasseler Bürger bei der Stärkung bzw. Wiederherstellung von Grundrechten zu unterstützen. Dazu soll der bisherige Einsatz von Videoüberwachungsmaßnahmen in Kassel schrittweise reduziert werden…“
Wie umfangreich die Videoüberwachung öffentlicher Räume, Straßen und Plätze durch die Stadt Kassel, das Polizeipräsidium Kassel, die Kasseler Nahverkehrsbetriebe und private Kamerabetreiber bereits jetzt ist, darüber berichtete die Hessische/Niedersächsische Allgemeine (HNA) am 05.01.2017. Eine gute und detaillierte Übersicht über Standorte von Videoüberwachungskameras in Kassel findet sich auf der Homepage Kassel Watch-Log.