Videoüberwachung in Hanau: Oberbürgermeister Kaminsky antwortet auf Fragen der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main
Nachdem die Pläne des Hanauer Magistrats bekannt wurden, den Freiheitsplatz und den Marktplatz in der Hanauer Innenstadt durch Videokameras überwachen zu lassen, richtete die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main in einem Schreiben vom 22.11.2016 einige Fragen an den Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky:
- „Gibt es belastbare und für die interessierte Öffentlichkeit überprüfbare Daten, dass es am Freiheitsplatz und am Marktplatz in Hanau ein erhöhtes Aufkommen von Drogen- und Kleinkriminalität, Diebstählen und Raubüberfällen gibt – also einen Kriminalitätsschwerpunkt?
- Gibt es belastbare und für die interessierte Öffentlichkeit überprüfbare Daten, dass andere Mittel der Gewaltprävention und der Aufklärung von Straftaten an den genannten Stellen nicht zur Verfügung stehen oder nicht geeignet sind, das gewünschte Ziel zu erreichen?
- Gibt es belastbare und für die interessierte Öffentlichkeit überprüfbare Daten, dass die Videoüberwachung der genannten Plätze dieses Risiko objektiv reduzieren kann?“
Den Fragen war eine Bitte um Antwort bzw. öffentliche Stellungnahme angefügt. Begründet wurde dies mit der Feststellung: „Erst nach Beantwortung dieser Fragen wird es der interessierten Bürgerschaft möglich sein, eine ergebnisoffene Diskussion über öffentliche Sicherheit, Belebung zentraler Plätze in der Hanauer Innenstadt, subjektives Sicherheitsempfinden, überprüfbare Fakten und die Notwendigkeit von Videoüberwachung zu führen.“
Mit Datum 16.12.2016 hat der Hanauer Oberbürgermeister geantwortet. Freundlich im Ton und mit einigen Zahlen und Fakten, die eine genauere Bewertung der Sinnhaftigkeit der geplanten Maßnahme zulassen; auch wenn nicht alle Fragen beantwortet wurden.
Der Kern der Aussage von Hanaus OB Kaminsky lautet, dass der Freiheitsplatz und der Marktplatz in Hanau lt. einer vom Polizeipräsidium Südosthessen (PPSOH) durchgeführten Kriminalitätsanalyse „als Kriminalitätsbrennpunkte klassifiziert“ wurden. „Dort kam es über einem längeren Betrachtungszeitraum zur Häufung von Straftaten im öffentlichen Raum… Zum ganz überwiegenden Teil handelt es sich bei den relevanten Zahlen um Eigentumsdelikte und Sachbeschädigungen, aber auch um Rohheitsdelikte und Bedrohungen im öffentlichen Raum und um Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz.“ Und dann werden Zahlen genannt.
- Für den Bereich des Freiheitsplatzes hat die Statistik lt. Schreiben von OB Kaminsky folgende Anzahl an Straftaten ergeben: 2010: 57 – 2011: 47 – 2012: 43 – 2013: 39 – 2014: 28 – 2015: 48; in sechs Jahren insgesamt 262. Umgerechnet auf Straftaten pro Kalendertage waren das im Spitzenjahr 2010 eine Straftat innerhalb von 6,4 Tagen; im Durchschnitt der 6 Jahre eine Straftat innerhalb von 8,4 Tagen.
- Für den Bereich des Marktplatzes hat die Statistik folgende Anzahl an Straftaten ergeben: 2010: 35 – 2011: 61 – 2012: 36 – 2013: 44 – 2014: 35 – 2015: 36; in sechs Jahren insgesamt 247. Umgerechnet auf Straftaten pro Kalendertage waren das im Spitzenjahr 2011 eine Straftat innerhalb von 6,0 Tagen; im Durchschnitt der 6 Jahre eine Straftat innerhalb von 8,9 Tagen.
Belegen diese Zahlen, dass die beiden Plätze tatsächlich Kriminalitätsschwerpunkte sind, die einer ständigen Videoüberwachung bedürfen?
Rechtfertigen diese Zahlen, dass täglich tausende von PassantInnen am Freiheitsplatz und Marktplatz in Hanau durch Kameras überwacht und ihre Bewegungsdaten für 7 – 10 Tage gespeichert werden?
Aus Sicht des in Frankfurt lebenden Verfassers dieses Beitrags müssen beide Fragen mit einem dicken Fragezeichen versehen bzw. verneint werden. Dieser Maßstab angelegt würde bedeuten, dass in Frankfurt mindestens der Bahnhofsvorplatz und das gesamte Bahnhofsviertel, die Konstablerwache, das Quartier rund um die Breite Gasse / Allerheiligenstraße und das Apfelweinviertel in Sachsenhausen, ggf. auch das Nordwestzentrum und weitere Zentren in einzelnen Stadtteilen großräumig mit Polizeikameras überwacht werden müssten. Die informationelle Selbstbestimmung beim Bewegen im öffentlichen Raum würde dann auf der Strecke bleiben.