Videoüberwachung des Straßenverkehrs in Frankfurt: Ein Besuch in der Integrierte Gesamtverkehrsleitzentrale (IGLZ) der Stadt Frankfurt

Datenschutzrheinmain/ Juni 5, 2023/ alle Beiträge, Videoüberwachung, Videoüberwachung in der Region/ 1 comments

Nach einem ersten Besuch im Oktober 2013 erhielt die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main erneut das Angebot zu einem Besuch in der Integrierten Gesamtverkehrsleitzentrale (IGLZ) der Stadt Frankfurt. 4 Mitglieder der Gruppe hatten im Mai 2023 die Gelegenheit, die Einrichtung zu besuchen und ihre Fragen zu stellen. Einige der erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen sollen hier dargestellt werden:

  • Die IGLZ ist Teil des Straßenverkehrsamts (Amt 36) der Stadtverwaltung Frankfurt. Sie ist zuständig für die Beobachtung und Steuerung des motorisierten Individualverkehrs und von Fahrrad- und Fußgängerverkehr und arbeitet zusammen mit der Verkehrsleitzentrale des Landes Hessen (diese ist für die Bundesautobahnen und die Bundesstraßen in Hessen zuständig) und mit der Verkehrsleitzentrale der Verkehrsgesellschaft Frankfurt (zuständig für den ÖPNV in Ffm ohne S-Bahn).
  • Ziel der Beobachtung des Straßenverkehrs durch die IGLZ sei es, den Verkehr im Fluss zu halten, Störungen (z. B. durch Staus, Unfälle oder ausfallende/gestörte Signalanlagen) zu erkennen und möglichst umgehend zu beheben. Die Zwecke, die die IGLZ verfolgt, sind in § 14 Abs. 4 Ziff. 3  HSOG abschließend definiert: „Die Gefahrenabwehrbehörden können mittels Bildübertragung offen beobachten und aufzeichnen […] 3. zur Steuerung von Anlagen zur Lenkung oder Regelung des Straßenverkehrs, soweit Bestimmungen des Straßenverkehrsrechts nicht entgegenstehen.“
  • Die IGLZ hat aktuell insgesamt 98 Kameras im Einsatz, 20 mehr als im Jahr 2013. Alle Kameras sind – unabhängig von ihrer Bauart – für 360-Grad-Rundumüberwachung geeignet.
  • Alle Kameras sind rund um die Uhr an allen 7 Wochentagen im Einsatz. In der Regel werden die Kameras durch MitarbeiterInnen der IGLZ zu folgenden Zeiten beobachtet und gesteuert: Mo. – Fr. 5.30 – 20.30 Uhr, Sa. 7.30 – 17.00 Uhr. Außerdem an Wochenenden zu weiteren Zeiten bei sportlichen Großveranstaltungen (z. B. Heimspielen der Eintracht, Frankfurt-Marathon etc.). Die Polizei kann – nach Absprache – kurzfristig innerhalb der genannten Zeiten die Steuerung einzelner oder aller Kameras übernehmen. Außerhalb der genannten Zeiten geht die Beobachtung und Steuerung der Kameras an die Polizei über.
  • Nahezu alle eingesetzten Kameras sind zoomfähig. Bei den in den letzten Jahren neu eingesetzten Kameras reicht das Zoomvermögen bis 1 : 8 oder 1 : 10. Eine Kennzeichenerfassung von Kraftfahrzeugen wäre mit den vorhandenen Kameras bei geeigneter Wetterlage in Einzelfällen möglich, ist aber nicht beabsichtigt und findet nicht statt.
  • Eine Speicherung der erhobenen Daten findet ständig für die Dauer von 168 Stunden (7 Tage) statt, danach erfolgt die maschinelle Überschreibung der ältesten Daten. Die Speicherung erfolgt ausschließlich auf den Servern der IGLZ. Bei der Polizei findet keine standardisierte Datenspeicherung statt. Längere Speicherfristen sind im Einzelfall möglich – nach Absprachen mit dem behördlichen Datenschutzbeauftragten der Stadt Ffm – wenn dies für Zwecke der Optimierung des Systems bzw. der Überwachung von Veränderungen von Verkehrsströmen notwendig erscheint oder zur Beweissicherung für Straftaten.
  • Die Polizei kann im Bedarfsfall (mit Begründung) Sequenzen der gespeicherten Daten einzelner Kameras (genannt wurden Zeiträume von max. 2 Minuten) anfordern. In diesem Fall wird jedes Mal der behördliche Datenschutzbeauftragte der Stadt Ffm über die Anfrage schriftlich informiert.
  • Auskünfte an Versicherungsunternehmen oder Unfallbeteiligte aus dem Datenbestand der Kameras werden nicht erteilt. In Verkehrsstrafverfahren tritt ein Mitarbeiter der IGLZ ggf. als Gutachter / techn. Sachverständiger auf, legt die Daten selbst aber nicht dem Gericht vor.
  • Neben den 98 Verkehrsbeobachtungskameras werden weitere technische Hilfsmittel zur Überwachung bzw. Steuerung des Verkehrs eingesetzt (z.B. Bewegungsmelder, Induktionsschleifen in der Fahrbahn, Sensoren; aber auch Videokameras, die als Detektoren dienen, vor Ort Einfluss auf die Ampelschaltungen nehmen, nicht an ein zentrales System angeschlossen sind und deren Daten nicht gespeichert werden. Busse und Schienenfahrzeuge der Verkehrsbetriebe sind ebenfalls teilweise mir Detektoren ausgestattet und ergänzen so die Kontrolle bzw. Steuerung der lokalen Ampelschaltungen. Die Anzahl der Detektoren hat in den vergangen 10 Jahren von ca. 300 auf ca, 800 erheblich zugenommen.

Schlussfolgerungen aus Sicht der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main:

  1. Die Auskünfte erscheinen plausibel und glaubhaft zu sein. Durch die Stadt Frankfurt werden mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Überwachungen bzw. Datenaus-wertungen vorgenommen, die datenschutzrechtlich kritisch sind.
  2. Zu hinterfragen ist der Umgang der Polizei mit den ihr gebotenen Möglichkeiten der Personenüberwachung (z. B. bei Heimspielen der Eintracht oder bei Kundgebungen und Demonstrationen).
  3. Detektoren, die wie Videokameras aussehen aber ausschließlich zur Steuerung von Ampelanlagen genutzt werden sollten als solche gekennzeichnet werden; z.B. Kameras rot, Detektoren blau. Dies ist durch die Transparenz- und Informations-pflichten der Art 12 & 13 DS GVO geboten. Dies könnte außerdem ein Beitrag dazu sein, einer verbreiteten Gewöhnung an Videoüberwachung vorzubeugen.
  4. Eine Kennzeichnung der Video-„Verkehrsbeobachtungkameras“, die auch von fahrenden Verkehrsteilnehmern wahrgenommen werden kann, würde den Vorgaben des § 14 HSOG (sinngemäß identisch mit § 4 BDSG) und den Art 12 & 13 DS GVO entsprechen, die bisherige Praxis entspricht diesen Vorgaben nicht.

1 Comment

  1. Abgesehen davon dass diese Form von Überwachung ohnehin schon pervers und entmenschlichend ist, würde ich diesen Aussagen keinen Glauben schenken. Die Erfahrung hat gezeigt dass diese Organe quasi permanent lügen und dass die Art und die Verwendung der Überwachung nicht deren Aussagen entsprechen.

    Man darf hierbei auch den Inkrementalismus Aspekt vergessen: Vor nicht allzu lannger Zeit war eine solche Überwachung undenkbar bzw. nicht mit westlichen Werten vereinbar. Jetzt ist es ‚datenschutztechnisch unkritisch’…. und damit steht die Tür auf für unendlichen Ausbau.

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