Verwaltungsgericht Hannover: Keine gesetzliche Grundlage für Verkehrsüberwachung mittels „Section Control“

CCTV-NeinDanke/ März 12, 2019/ alle Beiträge, Videoüberwachung/ 0Kommentare

Das Verwaltungsgericht Hannover hat am 13.03.2019 dem Antrag eines betroffenen Rechtsanwalts aus Laatzen (Region Hannover) auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stattgeben, mit denen der Antragsteller und Kläger begehrte, dass das Land Niedersachsen es unterlässt, Geschwindigkeitskontrollen hinsichtlich der von ihm geführten Fahrzeuge mittels der Anlage „Section Control“ auf der B6 in Laatzen zwischen den Anschlussstellen Gleidingen und Laatzen durchzuführen.

In der Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts wird festgestellt: „Durch ‚Section Control‘ werden die Kfz-Kennzeichen aller in dem überwachten Abschnitt einfahrenden Fahrzeuge erfasst. Auch wenn diese beim 2,2 km entfernten Ausfahren im sog. Nichttrefferfall gelöscht werden, bedarf es für deren Erfassung – sowohl im sog. Treffer- als auch im sog. Nichttrefferfall – einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Mit der Erfassung wird in das verfassungsrechtlich garantierte informationelle Selbstbestimmungsrecht eingegriffen. Für einen solchen Eingriff bedarf es stets – auch ungeachtet der jeweiligen Schwere des Eingriffs – einer gesetzlichen Grundlage. Dass ‚Section Control‘ sich noch im Probebetrieb befindet, ändert hieran nichts. Dies folgt auch aus dem jüngsten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 2018 zur automatisierten Kraftfahrzeugkennzeichenkontrolle zum Abgleich mit dem Fahndungsbestand. An einer solchen gesetzlichen Grundlage fehlt es hier. Dies zeigt sich nicht zuletzt darin, dass im Niedersächsischen Landtag ein entsprechender Gesetzentwurf zur Änderung des Niedersächsischen Polizeirechts (LT-Drs. 18/850) eingebracht ist, in dem mit § 32 Abs. 8 NPOG-E eine Rechtsgrundlage geschaffen werden soll… Der Antragsteller und Kläger muss einen Eingriff in seine Rechte auch nicht während eines Probebetriebes von ‚Section Control‘ hinnehmen. Aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Gewaltenteilungsgrundsatz folgt, dass die Exekutive nicht selbst so handeln darf, als hätte der Gesetzgeber sie hierzu schon ermächtigt. Der Staat ist auch nicht zwingend auf ‚Section Control‘ angewiesen. Er kann die Verkehrsüberwachung bis zur Schaffung einer Rechtsgrundlage auch auf andere Weise durchführen…“

Was unterscheidet „Section Control“ von herkömmlichen Geschwindigkeitsmessungen?

Bei herkömmlichen Geschwindigkeitskontrollen werden nur diejenigen Fahrzeuge fotografiert, bei denen eine Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit festgestellt worden ist. Bei dem bisher nur im Ausland eingesetzten Verfahren der „Abschnittskontrolle“ oder „Section Control“ hingegen werden sämtliche Fahrzeuge – auch von sich vorschriftsmäßig verhaltenden Fahrer*innen – aufgenommen, um ihre Durchschnittsgeschwindigkeit auf einer bestimmten Strecke berechnen und Geschwindigkeitsüberschreitungen verfolgen zu können.

An 07.03.2019 hat der Bürgerrechtler Michael Ebeling von der Bürgerrechtsgruppe freiheitsfoo in Hannover in Zusammenarbeit mit dem Juristen Dr. Patrick Breyer beim Verwaltungsgericht Hannover eine weitere Unterlassungsklage gegen die als „Section Control“ bekannt gewordene Überwachungsmaßnahme eingereicht. Anders als bei der jetzt entschiedenen Klage geht es dabei weniger um die derzeit faktisch fehlende Rechtsgrundlage für das Pilotprojekt als um die grundsätzliche Frage, ob derlei Überwachungssysteme in Einklang mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und mit dem Recht auf anonyme Fortbewegung als Essenz einer freien Gesellschaft zu bringen sind oder nicht.

Näheres zu dieser zweiten Klage finden Sie hier auf der Homepage der Bürgerrechtsgruppe freiheitsfoo.

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