Techniker Krankenkasse erpresst eGk-Verweigerer

Datenschutzrheinmain/ November 13, 2013/ alle Beiträge, Telematik-Infrastruktur/ 8Kommentare

Bei der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main ging vor wenigen Tagen folgende Beschwerde über den Umgang der Techniker Krankenkasse (TK) mit einem Versicherten ein, der sich nachhaltig weigert, ein Passfoto zur Erstellung der elektronischen Gesundheitskarte (eGk) abzugeben:

„… als Kunde der TK bin jetzt auch von der zwangsweisen EKG betroffen, da ich krank bin und in der Arztpraxis heute morgen festgestellt wurde, dass meine (normale) Versichertenkarte Ende Oktober abgelaufen ist. Als ‚Verweigerer‘, wie die nette Frau von der Hotline mich einstufte, muss ich jetzt jedesmal (bei jedem Arztbesuch aufs Neue) von der Arztpraxis einen Ersatzschein bei der TK anfordern lassen, den diese dann auch per Fax bekommen. Aber immer mit dem Hinweis, ich solle doch endlich mein Passbild abgeben. Die Hotline der TK ist auf die EKG mit den Standardargumenten geschult und sagt mittlerweile sogar: ‚Die Bestellung einer normalen Versichertenkarte ist TECHNISCH nicht mehr möglich…‘. Nun möchte ich mich nicht damit abfinden ein Versicherter dritter Klasse (Erste Klasse: Private, zweite Klasse: EKG) zu sein. Ich finde es unverschämt und datenschutzfeindlich, wenn von der TK in jeder Arztpraxis, die ich aufsuche, das Sprechstundenpersonal durch Sätze wie ‚Der wurde schon x-mal seit 2012 angeschrieben, endlich sein Passfoto zur Verfügung zu stellen‘ instrumentalisiert wird. Wer hat eine(n) Hinweis/Idee/Erfahrung wen ich mit welchen Worten ansprechen muss oder kann, um eine akzeptable Lösung herbeizuführen?“

Wir haben den anfragenden Versicherten zunächst auf die Regelungen im Bundesmantelvertrag – Ärzte (BMV-Ä) hingewiesen. In § 19 dieses Vertrags wurde geregelt, dass nach dem Willen der vertragschließenden Parteien (Kassenärztliche Bundesvereinigung einerseits, GKV-Spitzenverband andererseits) und auf der Grundlage des § 291a SGB V zwar die eGk zur Norm beim Arztbesuch werden soll (§ 19 Abs. 1 BMV-Ä), dass aber eine gültige Krankenversicherungskarte weiter gültig bleibt (§ 19 Abs. 2 BMV-Ä) und – für den Fall, dass ein Versicherte weder über eine gültige eGk noch über eine gültige KVK verfügt – von der Krankenkasse im Einzelfall „ein papiergebundener Anspruchsnachweis zur Inanspruchnahme von Leistungen ausgegeben“ werden muss (§ 19 Abs. 3 BMV-Ä), also der alte klassische Krankenschein. Siehe dazu auch: http://diedatenschuetzerrheinmain.wordpress.com/2013/10/04/gilt-ab-januar-2014-nur-noch-die-elektronische-gesundheitskarte-eine-anfrage-an-die-gkv/.

Dass die TK den „papiergebundenen Anspruchsnachweis“ nicht für ein Quartal ausstellen will sondern immer nur für einen konkreten Arztbesuch, ist vor diesem Hintergrund als Schikane zu verstehen, um den freiwilligen (?!?) Antrag auf eine eGk zu erzwingen.

Wir haben dem Versicherten empfohlen, als nächsten Schritt die TK schriftlich auf die Regelung in § 19 Abs. 3 BMV-Ä hinzuweisen und sie aufzufordern, unaufgefordert jeweils zum Quartalsende per Post den „papiergebundenen Anspruchsnachweis zur Inanspruchnahme von Leistungen“ für das kommende Quartal für Arzt und Zahnarzt zur Verfügung zu stellen. Dass das möglich ist und auch realisiert wird hat ein Mitglied der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main bewiesen.  Seit einem Jahr erhält es als eGk-Verweigerin von ihrer BKK pünktlich zum Quartalsende ihre „Krankenscheine“ für das folgende Quartal. Und diese werden problemlos von allen Kassenärzt/inn/en und jeder Sprechstundenhilfe akzeptiert! Voraus ging dem eine Beschwerde beim Bundesversicherungsamt (der Fachaufsicht für die gesetzl. Krankenkassen). Dies bewog die BKK zum Einlenken. Hier nachzulesen: http://diedatenschuetzerrheinmain.wordpress.com/2013/04/16/elektronische-gesundheitskarte-eine-krankenkasse-versucht-eine-versicherte-zu-erpressen/. In diesem Beitrag ist auch der Link zur Homepage des Bundesversicherungsamts hinterlegt.

Für den Fall, dass sich die TK bockbeinig stellt haben wir dem Anfragenden Bürger als weiteren Schritt empfohlen, sich schriftlich mit einer Beschwerde an das Bundesversicherungsamt zu wenden.

Versicherte mit ähnlichen oder anderen Erfahrungen im Umgang der gesetzlichen Krankenkassen mit eGk-Verweigerern werden gebeten, Ihren „Fall“ – ggf. auch anonymisiert – darzustellen:

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8 Kommentare

  1. hochinteressant, auch ich habe bei meiner DAK Eure Musterbriefe nebst Erweiterungen und pers. Ergänzungen in der Vorwoche eingereicht, mit der Bitte mir in 10 Tg. eine Stellungnahme oder neue, alte Karte ohne Bild mit längerer Laufzeit zuzusenden. Alternativ habe ich Antrag auf viertelj. Bescheinigung in Schriftform gestellt und dazu erwähnt, daß dies ausdrücklich mit Unterstützung meines Hausarztes erfolgt, der selbst mit seiner gesamten Familie die eGK verweigert hat, aber beiderlei Lesegeräte ausdrücklich weiterlaufen läßt.
    Erwarte natürlich auch gleich Repressalien-Versuche, werde dann jedoch direkt durch meinen Anwalt klagen lassen, denn was Recht ist, soll auch so bleiben !!!
    schönen Tag noch…

  2. das gleiche wie in dem ganz oben genannten Fall wurde auch mir bei der Hotline meiner Krankenkasse mitgeteilt. Meine alte Karte gilt noch bis Ende dieses Jahres. Ich habe nun die KV Hessen angeschrieben und um Mitteilung gebeten, wie (ohne eGk) vorzugehen ist („Ersatzverfahren anhand § 19 des Ärztemantelvertrages“). Ich hoffe, dass ich bald Antwort bekomme. Eigentlich sollte meines Wissens die Regel sein, dass man im Rahmen dieses Ersatzverfahrens entweder eine Bescheinigung erhält, die 4 Wochen bzw. ein ganzes Quartal gültig ist – oder sogar einen Einzelnachweis, der die Mitgliedschaft bei der jeweiligen KK bestätigt, der dann aber alle Angaben nach §261(261a) SGB V enthält (also auch Geschlecht, Versichertenstatus etc.). Dieser Einzelnachweis gilt dann unbegrenzt.

    Ich hoffe, dass ich von der KV Hessen bald Antwort erhalte. Ansonsten werde ich die KK anschreiben und versuchen, den unbegrenzt gültigen Einzelnachweis anzufordern. Sagte nicht jemand, dass man sich bei Problemen an das Bundesversicherungsamt wenden kann (oder wie heißt die Überwachungsinstanz der Versicherungsbranche nochmal?)?

    Ich würde anregen/überlegen ob hier nicht doch auch eine Musterklage o.ä. wie damals bei ELENA möglich ist. Zumindest wäre es hilfreich, wenn man versucht, andere Versicherte die in derselben Lage sind wie wir, aufzufinden und dass man dann einen gemeinsamen Brief an die KK schreibt. Schön wäre es auch, wenn wir einen Rechtsanwalt … fänden, der uns hier zusammen vertreten könnte/würde.

  3. Ein Beispiel für die Regelung in § 19 Abs. 3 BMV-Ä, den “papiergebundenen Anspruchsnachweis zur Inanspruchnahme von Leistungen”, früher auch „Krankenschein“ genannt:
    http://www.korrupt.biz/4866/krankenversicherungskarte-mit-bild-es-geht-noch-ohne-es-geht/
    Es geht also wirkliich ohne eGk!

  4. Ich habe selbst auch geklagt, Verfahren ist im Dezember beim Sozialgericht. Mich würde interessieren, wieviele Verfahren aktuell laufen?

    Den Vorschlag von Elke Schneider wg. Musterklage und Austausch finde ich gut. Das bringt mehr als wenn jeder einzeln mit seiner Krankenversicherung und Gericht „rummacht“.

    Welche unserer Krankenkassen oder Ersatzkassen verhalten sich eigentlich gegenüber den „Verweigerern“ kooperativ? Das wäre für mich doch ein Pluspunkt. Ich fühlte mich zwar bisher bei der TK gut aufgehoben, aber mir steht ja auch frei zu wechseln.

    1. Als lokale bzw. regionale Initiative, die sich zudem mit den unterschiedlichsten datenschutzrechtlichen Fragen beschäftigt, fehlt uns die Übersicht, „wieviele Verfahren aktuell laufen“ und „Welche unserer Krankenkassen oder Ersatzkassen verhalten sich eigentlich gegenüber den ‚Verweigerern‘ kooperativ“.

      Ich empfehle dazu eine Anfrage bei der bundesweiten Aktion http://www.stoppt-die-e-card.de/.

  5. Die TK verlinkt selbst auf folgende Seite
    http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__291.html

    Hier ist der folgende Passus interresant.
    die Erweiterung der Krankenversichertenkarte um das Lichtbild sowie die Angaben zum Geschlecht und zum Zuzahlungsstatus haben spätestens bis zum 1. Januar 2006 zu erfolgen; Versicherte bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres sowie Versicherte, *deren Mitwirkung bei der Erstellung des Lichtbildes nicht möglich ist, erhalten eine Krankenversichertenkarte ohne Lichtbild.*

    Da die TK keine Moeglichkeit bietet der Speicherung des Bildes zu widersprechen kann es dem Versichertem durchaus unmoeglich sein bei der Erstellung des Lichtbildes mitzuwirken.

  6. Guten Tag liebe Mitstreiter,

    die Schlinge legt sich immer enger um den Hals :/
    Gestern nix weiter gemacht, als mit der KK telefoniert. Ich darf jetzt als „Verweigerin“ für 2 Arzttermine 4 x zum Arzt, um nämlich den Behandlungsausweis, den ich nur rückwirkend ausstellen lassen kann, nach Behandlung und Zusendung zum Arzt zu tragen. Also – die blanke Schikane.
    Wie sieht es eigentlich aus mit der Kostenerstattungsvariante – sprich ich zahle die Arztrechnung und reiche sie hinterher ein… ? Wird dann zum Kassensatz abgerechnet? Bekomm ich dann alles wieder?
    Oh man, kranke Welt.

    Lg

    1. Hallo Charlie,

      nach meinem Kenntnisstand bedeutet, dass Du bei Kostenerstattung vom Arzt eine Privatrechnung bekommst und dann von der Kasse nur den Kassensatz ausgezalt bekommst. Auf dem, vermutlich nicht unerheblichen Rest bleibst Du sitzten.
      Sobald Du die Kostenerstattung wählst besteht vermutlich noch die Gefahr, dass der Arzt Diagnosen und Therapien einsetzt, die keine Kassenleistung sind womit Du dann alles zahlen musst.

      Also Kostenerstattung scheint keine Alternative zu sein.

      Tschüss Hedwig

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