Soziale Netzwerke sind keine Hilfsorgane von Polizei und Geheimdiensten
Der frühere Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hat in einer umfangreichen Stellungnahme am 08.08.2016 Innenpolitikern verschiedener Parteien, vor allem aber aus den Reihen der CDU/CSU, dem Bundesinnenministerium und dem Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz Nachhilfeunterricht in Gesetzeskunde erteilt.
Nach dem rechtsterroristischen Amoklauf in München und islamistisch motivierten Gewalttaten in anderen deutschen Städten in den letzten Wochen häufen sich Forderungen, wonach soziale Netzwerke noch stärker überwacht werden bzw. deren Betreiber auch ohne Rechtsgrundlagen Daten ihrer Nutzer an Polizei und Geheimdienste herausgeben sollen.
Peter Schaar: „Manchmal erleichtert ja ein Blick in die Gesetze die Rechtsfindung. Denn selbstverständlich sind die Betreiber sozialer Netzwerke an Recht und Gesetz gebunden und sie dürfen bzw. müssen Daten an Ermittlungsbehörden herausgeben, wenn die rechtlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind. Bei sozialen Netzwerken handelt es sich um so genannte ‚Telemedien‘ oder ‚Teledienste – für sie ist das Telemediengesetz (TMG) einschlägig, das Regeln für die Datenherausgabe an Behörden enthält. Zudem brauchen die Behörden eine gesetzliche Befugnis, die den Rahmen für deren Auskunftsverlangen absteckt, denn jede Übermittlung dieser Daten ist ein Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmungsrecht… Die Strafprozessordnung und die Polizeigesetze von Bund und Ländern enthalten bereits umfangreiche Befugnisse zur Erhebung personenbezogener Daten, soweit es um die Aufklärung und Verhütung von Straftaten geht. Eine Regelungslücke kann ich hier nicht erkennen. Auch der Verfassungsschutz darf gem. § 8a Bundesverfassungsschutzgesetz im Einzelfall Merkmale zur Identifikation des Nutzers eines Teledienstes, Angaben über Beginn und Ende sowie über den Umfang der jeweiligen Nutzung und Angaben über die vom Nutzer in Anspruch genommenen Teledienste verlangen…“
Und weiter: „Auch und gerade für den Zugriff auf Daten bei transnationalen Internetangeboten müssen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und Verhältnismäßigkeit gelten. Wer dies aus tagespolitischen Motiven ignoriert, könnte sich schon bald die Augen reiben. Mit welcher Begründung sollte ein Internetdienst etwa die Forderung einer türkischen Behörde nach der Herausgabe der Daten von Kritikern des türkischen Staatspräsidenten ablehnen, wenn andererseits eine sehr weitgehende Kooperation der Unternehmen mit den deutschen Behörden eingefordert wird? Und was sagen wir dem chinesischen Dissidenten, den ein Internetdienst den dortigen Behörden ausliefert?“