Soll die Steuer-ID zur Grundlage einer umfassenden zentralen Personen-Identifikationsnummer aller in Deutschland lebender Personen werden?
Diese Frage muss sich stellen, wer den Zwischenbericht des Bundesinnenministeriums (BMI) für die Innenministerkonferenz (IMK) vom 04.-06.12.2019 mit dem Titel „Registerübergreifendes Identitätsmanagement als Teil der Registermodernisierung“ aufmerksam liest.
Im Abschnitt 3 des Berichts des BMI „Anforderungen an ein Identitätsmanagement in den Registern der Innenverwaltung“ werden „fünf Anforderungen an ein registerübergreifendes Identitätsmanagement als Teil der Registermodernisierung“ genannt: Die erste und wichtigste: „Eindeutige Zuordnung der Personenidentität über alle Register hinweg durch Einführung eines Kerndatensystems mit Identifier: Die Grunddaten zu einer Person sollen an einer zentralen Stelle gespeichert, in Abstimmung mit den Basisregistern auf In-konsistenzen geprüft, verlässlich gepflegt, aktualisiert und bereitgestellt werden. Hierfür wollen wir ein Kerndatensystem schaffen, in dem die Grunddaten aller Personen mit Verwaltungskontakt in Deutschland gepflegt werden...“
In der „Sammlung der zur Veröffentlichung freigegebenen Beschlüsse“ der IMK wird unter TOP 32 „Registerübergreifendes Identitätsmanagement als Teil der Registermodernisierung“ mitgeteilt:
- „Die IMK nimmt den Zwischenbericht ‚Registerübergreifendes Identitätsmanagement als Teil der Registermodernisierung‘ (Stand: 01.09.19) (freigegeben) für eine Verbesserung des Identitätsmanagements durch die Einführung eines Identitätsregisters mit Identifier als Teil der Registermodernisierung zur Kenntnis.Sie begrüßt die Einbeziehung der Erfahrung mit der Steuer-Identifikationsnummer, der ID-Nummer-Datenbank im Bundeszentralamt für Steuern und der dort eingerichteten Prozesse zur Qualitätsverbesserung und die Sondierung einer möglichen Nutzung dieser Instrumente als Basis für ein zukünftiges zentrales Identitätsregister.
- Sie bittet den Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, bis zum Ende des 1. Quartals 2020 einen Abschlussbericht unter Berücksichtigung des rechtlichen und technischen Anpassungsbedarfs vorzulegen.
- …“
Bisher gibt es für in Deutschland lebende Menschen drei unabhängig voneinander vergebene und lebenslang geltende Personen-Identifikationsnummern:
- Die Steuer-ID gem. § 139a Abgabenordnung (AO);
- die Sozialversicherungsnummer (Rentenversicherungsnummer) gem. § 18 h SGB IV und
- die Krankenversichertennummer gem. § 290 SGB V.
Die Innenminister des Bundes und der Länder verfolgen jetzt erkennbar den Plan, die Steuer-ID zur Grundlage einer umfassenden Personen-Identifikationsnummer zu machen. Im Bericht des BMI wird dazu im Abschnitt 4.3. „Einrichtung eines Identitätsregisters“ ausgeführt: „Ein Identitätsregister wird benötigt, um eine registerübergreifende einheitliche Verantwortung für die Aktualität, Qualität und Konsistenz des Basisdatensatzes einer Person zu etablieren und einen eindeutigen Identifier zu vergeben. Dies ist eine Aufgabe der Innenverwaltung… Ein Identitätsregister, in dem die Basisdaten aller Personen mit Verwaltungskontakt in Deutschland gepflegt werden, kann grundsätzlich durch den Ausbau bestehender Infrastrukturen oder durch den Aufbau einer neuen Datenbank errichtet werden.Es bestehen bereits heute Infrastrukturen, diefür einen Ausbau in Betracht kommen: Zum einen die Steuer-ID-Datenbank des Bundeszentralamts für Steuern (BZSt) aus dem Finanzbereich und zum anderen die… Landesmelderegister… Die Steuer-ID-Datenbank des BZSt spielt damit schon heute im Zusammenwirken mit den Meldebehörden eine wichtige Rolle bei der Qualitätssicherung der Daten in den Registern der Innenverwaltung. Datenkranz, Personenkreis und Aufgaben der Steuer-ID-Datenbankdes BZSt weisen bereits jetzt einen hohen Deckungsgrad zu den Anforderungen der IMK auf. Hervorzuheben ist vor allem die große Expertise des BZSt im Bereich der Qualitätssicherung von Identitätsdaten und bei der Vergabe eindeutiger Identifikatoren…“
Im Abschnitt 5 „Datenschutz und Transparenz“ werden dann Begründungen dafür geliefert, dass die Einrichtung einer umfassenden Personen-Identifikationsnummer rechtlich zulässig sei: „Nach der Rechtsprechung des BVerfG(BVerfGE 65, 1 ff) ist im Hin-blick auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht insbesondere darauf zu achten, dass eine Zusammenführung aller mit dem Kennzeichen verbundenen Daten und damit die Herstellung von Persönlichkeitsprofilen(„Gesamtbild der Persönlichkeit“) durch organisatorische, technische und rechtliche Maßnahmen wirksam verhindert wird. Ferner ist begründet darzulegen, dass unter Berücksichtigung der verfolgten Ziele der Grundrechtseingriff im Ergebnis verhältnismäßig ist… Bei einer verfassungsgemäßen Konzeption für die Umsetzung des Identitätsmanagements ist die Gewährleistung des Datenschutzes durch die Einhaltung der einschlägigen datenschutzrechtlichen Bestimmungen sicherzustellen, um den mit der Datenverarbeitung einhergehenden Risiken zu begegnen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen finden sich dazu in der DSGVO und ggf. ergänzenden Regelungen. Diese lässt in Artikel 87 Kennzeichen von allgemeiner Bedeutung ausdrücklich zu…“
Interessant ist die Begründung, mit dem im Bericht des BMI eine umfassende Personen-Identifikationsnummer als grundrechtsschonend, verfassungsgemäß und die Schutzregelungen der DSGVO berücksichtigend definiert wird: „Der IMK-Beschluss beinhaltet auch die Anforderung, dass die betroffenen Personen im Rahmen ihres datenschutzrechtlichen Auskunftsrechts jederzeit auf einfache Weise feststellen können, welche Behörde zu welchem Zweck auf welche ihrer Daten zugegriffen hat. Diese Transparenz kann im Sinne des Volkszählungsurteils des BVerfG zugleich freiheitsschützende Wirkung entfalten, indem die tatsächlichen Möglichkeiten der betroffenen Person, die Richtigkeit und Verwendung ihrer Daten zu kontrollieren, entscheidend verbessert wird. Auch hierfür schafft das registerübergreifende Identitätsmanagement die infrastrukturellen Voraussetzungen…“
Lediglich im Nachhinein festzustellen zu können, „welche Behörde zu welchem Zweck auf welche ihrer Daten zugegriffen hat“ , bedeutet für die Betroffenen im Zweifelsfall: Das Kind ist bereits in den Brunnen gefallen!
„Mit der Menschenwürde wäre es nicht zu vereinbaren, wenn der Staat das Recht für sich in Anspruch nehmen könnte, den Menschen zwangsweise in seiner ganzen Persönlichkeit zu registrieren und zu katalogisieren…“. Diesen Satz hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung vom 16.07.1969 (Aktenzeichen 1 BvL 19/63) den politisch Handelnden in Exekutive und Legislative ins Stammbuch geschrieben.
Ob das aktuelle Vorhaben der IMK mit dieser Vorgabe kompatibel ist, wird – sollte das Vorgaben Gesetzeskraft erlangen – erneut Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde werden müssen.
Klasse, dann komme ich doch noch zu einem Tattoo!
Lesenswert:
Die Gruppe Freiheitsfoo hat zum Thema SteuerID eine Anfrage an alle Innenminister gemacht
https://wiki.freiheitsfoo.de/pmwiki.php?n=Main.ID-Register#toc2
und verweist darin auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18.01.2012 – Aktenzeichen: II R 49/10, (https://openjur.de/u/615111.html ). Dort geht es darum, dass die Verwendung der Steuer-ID behördlich beschränkt sei.