Skandalöses Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt: Begrenzung des Löschungsanspruch gegen Google auch bei sensiblen Gesundheitsdaten
Die Pressestelle des OLG Frankfurt teilt am 13.09.2018 mit: „Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat entschieden, dass es Google nicht generell untersagt werden darf, ältere negative Presseberichte über eine Person in der Trefferliste anzuzeigen, selbst wenn diese Gesundheitsdaten enthalten… Das durch die DS-GVO anerkannte ‚Recht auf Vergessen‘ überwiegt entgegen einer Entscheidung des EuGH zum früheren Recht nicht grundsätzlich das öffentliche Informationsinteresse.“
Kläger in diesem Verfahren war nach Mitteilung des OLG der Geschäftsführer einer gemeinnützigen Organisation. Diese wies im Jahre 2011 ein erhebliches finanzielles Defizit auf. Kurz zuvor hatte der Kläger sich aus gesundheitlichen Gründen krankgemeldet. Die Presse berichtete wiederholt über die finanzielle Schieflage, teilweise unter namentlicher Nennung des Klägers sowie der Tatsache, dass er sich aus gesundheitlichen Gründen nicht im Dienst befinde. Der Kläger begehrte von Google, es zu unterlassen, bei einer Suche nach seinem Vor- und Zunamen, fünf konkrete sog. URL bei den Suchergebnissen in Deutschland anzuzeigen, die zu entsprechenden Presseberichten führen.
Der Kläger könne sich im Ergebnis nicht auf einen Unterlassungsanspruch aus Art. 17 DSGVO berufen, meint das OLG. In der Pressemitteilung des OLG Frankfurt wird zum Urteil wie folgt informiert: „Das amerikanische Unternehmen Google müsse zwar die Vorgaben der DS-GVO einhalten, wenn Daten von Personen in der EU verarbeitet werden. Der in Art. 17 DS-GVO geregelte Löschungsanspruch umfasse auch den hier geltend gemachten Unterlassungsanspruch. Es bestehe aber kein Löschungsgrund nach Art. 17 DS-GVO. Abzuwägen seien hier das klägerische Recht auf informationelle Selbstbestimmung mit dem Recht von Google und seinen Nutzern auf Kommunikationsfreiheit. Jedenfalls ’noch‘ müsse hier das Anonymitätsinteresse des Klägers hinter das Interesse der Öffentlichkeit an der weiteren Zurverfügungstellung der Berichte zurücktreten. Die verlinkten Artikel enthielten zwar teilweise sensible Daten des Klägers, soweit es sich um Gesundheitsdaten handele. Auch deren Schutz gehe jedoch nur so weit, wie er ‚erforderlich‘ sei. Dabei sei zu beachten, dass Suchmaschinenbetreiber wie Google aufgrund ihrer besonderen Stellung erst dann handeln müssten, wenn sie durch ‚einen konkreten Hinweis Kenntnis von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts … durch den Inhalt einer in der Ergebnisliste der Suchmaschine nachgewiesenen Internetseite erlangt haben‘. Zu einer präventiven Kontrolle sei Google nicht verpflichtet. An einer derartigen Rechtsverletzung fehle es hier. Die ursprüngliche Berichterstattung sei rechtmäßig gewesen. Es habe ein erhebliches öffentliches Interesse bestanden. Dies treffe auch auf die gesundheitsbezogenen Angaben des Klägers zu.“
Das OLG setzt sich damit auch bewusst ab vom Recht auf Vergessenwerden, das der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 13.05.2014 (Aktenzeichen C-131/12) gegen den spanischen Google-Ableger postuliert hat. Dieser hatte entschieden, dass lediglich in Ausnahmefällen der Grundrechtseingriff durch ein überwiegendes Interesse einer breiten Öffentlichkeit gerechtfertigt sei. Das OLG betont jedoch, „dass sich diese Entscheidung nicht auf einen vergleichbaren presserechtlichen Sachverhalt bezogen habe. Zudem finde sich das vom EuGH angenommene ‚Regel-Ausnahme-Verhältnis‘ nicht im Regelungsgefüge der DS-GVO wider; die Entstehungsgeschichte spreche ebenfalls gegen eine Übertragung. Der ‚Abwägungsmechanismus‘ des EuGH könne demnach auf die DS-GVO nicht ’schematisch‘ angewendet werden; es müsse vielmehr ‚mit Vorsicht den jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung‘ getragen werden. Aus den dargestellten Gründen könne der Kläger sich auch nicht auf einen Unterlassungsanspruch wegen der unerlaubten Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts berufen.“
Das Urteil vom 06.09.2018 (Aktenzeichen: Az. 16 U 193/17) ist nicht rechtskräftig. Das OLG hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, da die Rechtsfragen im Zusammenhang mit der DS-GVO von grundlegender Bedeutung und höchstrichterlich nicht geklärt seien.
Quelle: @lfdi_bw 13.09.2018