Sind Polizeidatenbanken ein Selbstbedienungsladen? Polizeibeamter auf Probe in NRW wg. zahlloser Verstöße gegen Datenschutz-Regelungen entlassen

Datenschutzrheinmain/ November 13, 2019/ alle Beiträge, Hessische Landespolitik, Polizei und Geheimdienste (BRD)/ 0Kommentare

Gelegenheit macht Diebe“

– an dieses Sprichwort muss denken, wer ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19.09.2019 liest. Ein Beamter auf Probe in der Polizei des Landes NRW hatte während der Probezeit knapp 4000 Datenabfragen von Personen aus der Vielzahl der ihm zur Verfügung stehenden polizeilichen Datenbanken vorgenommen, um persönliche Neugier zu befriedigen. Bei über 2.000 seiner Datenabfragen gab es nach Erkenntnissen des Gerichts keine Hinweise, dass es für die Abfragen einen dienstlichen Anlass gab. bestand. Der angehende Polizist hatte Datenabfragen über Personen aus seinem persönlichen und beruflichen Umfeld getätigt; Familienangehörige, Kolleg*innen, „Facebook-Freunde“ und sonstige Bekannte. Im Prozess trug er vor, dass dienstältere Kolleg*innen ihm den „sorgloseren Umgang“ mit Abfragen im Polizeialltag vorgelebt hätten. Dass der Polizeianwärter aus NRW kein Einzelfall ist, machen auch die

Vorfälle im 1. Polizeirevier in Frankfurt

deutlich. Eine Frankfurter Rechtsanwältin mit türkischen Wurzeln stand im Fokus von Rechtsradikalen, die sich in wüsten E-Mails oder Briefen an ihr abarbeiten. Am 02.08.2018 erhielt sie ein anonymes Schreiben per Telefax. Einen Tag später erstattete sie deshalb Strafanzeige. „Miese Türkensau!“, beginnt das Fax an die Anwältin. „Du machst Deutschland nicht fertig. Verpiss dich lieber, solange du hier noch lebend rauskommst, du Schwein!“ „Als Vergeltung (…) schlachten wir deine Tochter M(…) in der R(…)str. (…).“ Unterzeichnet ist es mit „NSU 2.0.“. Der Name der Tochter und die Privatadresse der Rechtsanwältin sind öffentlich nicht bekannt. Ermittler des Staatsschutzes fanden eine Spur. Sie führte sie in die eigenen Reihen; zu einem Polizeicomputer im 1. Frankfurter Polizeirevier. Von dort wurden die Melderegister-Einträge der Rechtsanwältin abgerufen, ohne dass es dafür einen dienstlichen Anlass gab. Eine Gruppe von sechs Polizist*innen des 1. Reviers stehen auf Grund dieser Ermittlungen im Verdacht, an den rechtsradikalen Umtrieben beteiligt zu sein.

Die Linksfraktion im Hessischen Landtag hatte im Februar 2019 mit einem Dringlichen Berichtsantrag den hessischen Innenminister Peter Beuth (CDU) zu Auskünften zu Art und Umfang der aktuellen Skandale um die Nutzung polizeilicher Informationssysteme für rechtsextreme Aktivitäten aufgefordert, darunter auch zum Thema Polizeiliche Personendatenabfragen im “Alltagsbetrieb”. Dazu lauteten die Fragen:

  1. Wie hoch sind die täglichen Personenabfragen bei der hessischen Polizei im Durchschnitt?
  2. Wie hat sich die Zahl der Personenabfragen seit dem Jahr 2000 entwickelt?
  3. Handelt es sich hierbei auch um automatisierte Abfragen?
  4. Welche Daten sind im Polizeisystem direkt oder in den damit verbundenen Systemen ab-fragbar? Bitte auflisten.
  5. In wie vielen Fällen sind die Abfragen Teil eines Ermittlungsverfahrens und wie erklären sich die weiteren Abfragen?
  6. Bestätigt der Innenminister die Zahl von jährlich 180 missbräuchlichen Abrufen durch Polizeibeamte?Wenn ja:Wie vieleVerfahren wurden mit welchen Ergebnissen hierzu in den letzten fünf Jahren eingeleitet? Bitte um statistische Auflistung welche Missbrauchsfälle, in welchem Polizeipräsidium, zu welchen dienstrechtlichen Ahndungen führten.”

Über die Antworten des Innenministers berichtet die Frankfurter Rundschau in einem Beitrag vom 07.02.2019: “176 Prüfanträge gab es im vergangenen Jahr wegen des Verdachts des missbräuchlichen Abrufens von Informationen aus dem Polizeicomputer durch Beamte. 77 Verfahren innerhalb von fünf Jahren in diesem Zusammenhang. Die Sanktionen gegen die Beamten reichten von der Rüge bis hin zum Entfernen aus dem Dienst, lautete die Antwort von Innenminister Peter Beuth (CDU) auf eine Frage der Linksfraktion… Beuth blieb auch diesmal mit Hinweis auf die laufenden Ermittlungen die meisten Antworten schuldig. Die Staatsanwaltschaft wollte auch nicht mehr sagen, als das, was schon alle wissen…” So weit, so unbefriedigend!

Nach den Auskünften von Innenminister Beuth wäre es ein Gewinn für Demokratie und Datenschutz, wenn sich der Hessische Datenschutzbeauftragte in die Sache einmischen und Aktivitäten entwickeln würde, vergleichbar dem, wie seine Berliner Kollegin Maja Smoltczyk im

Berliner Skandal um illegale Datenweitergaben durch dortige Polizist*innen

reagiert hat.


Eine gute und systematische Übersicht zum Thema 

„Was die Polizei in Datenbanken speichert und was Sie dagegen tun können“

finden sie auf der Homepage des Düsseldorfer Rechtsanwalts Jasper Prigge. Dieser hat kürzlich ein Urteil erstritten, mit dem der Polizei in NRW untersagt wird, Fotos von Demonstrationen und Kundgebungen auf Twitter oder Facebook zu veröffentlichen.

 

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