Silvia Gingold gegen den „Verfassungs“schutz in Hessen – eine Klage auf Einsichtnahme und Löschung der Akte

Datenschutzrheinmain/ Oktober 21, 2016/ alle Beiträge, Hessische Landespolitik, Polizei und Geheimdienste (BRD), staatliche Überwachung / Vorratsdatenspeicherung/ 1Kommentare

Silvia Gingold, eine Lehrerin aus Hessen, die in den 70er Jahren des letzten Jahrhundert aus politischen Gründen Berufsverbot erhielt und ihren Beruf nicht ausüben durfte, hat vom hessischen „Verfassungs“schutz die Herausgabe und Löschung der über sie gesammelten „Informationen“, erhobenen Vorwürfe und Behauptungen gefordert. Das Landesamt für „Verfassungs“schutz hat dies u.a. mit dem Hinweis auf Quellenschutz und eine angebliche Notwendigkeit weiterer Beobachtung von Frau Gingold im Hinblick auf mögliche verfassungswidrige Tätigkeiten abgelehnt. Dagegen hat die Betroffene Klage vor dem Verwaltungsgericht in Wiesbaden erhoben.

In der Stellungnahme zur Klagebegründung führt das Landesamt für „Verfassungs“schutz u. a. aus, dass die Überwachung und Registrierung von Frau Gingold notwendig sei, weil sie sich noch immer politisch gegen Berufsverbote engagiere und dass sie Lesungen mit Texten ihres verstorbenen Vaters, des Widerstandskämpfers Peter Gingold, durchgeführt habe.

Die mündliche Verhandlung über die Klage von Frau Gingold findet am Donnerstag 12. Januar 2017 um 10.30 Uhr in Raum 1.026 des Gerichtsgebäudes Mainzer Straße 124 in Wiesbaden statt.

Frau Gingold ist zu wünschen, dass sie mehr Erfolg hat als der Heidelberger Lehrer Michael Csaszkóczy, der wegen seines politischen Engagements in den Jahren 2003 bis 2007 von der Landesregierung Baden-Württemberg mit Berufsverbot belegt wurde. Grundrechtswidrig, wie der Verwaltungsgerichtshof Mannheim letztinstanzlich feststellte. Seit Mitte September 2007 arbeitet Michael Csaszkóczy als Lehrer in Baden-Württemberg. Im April 2009 verurteilte das Landgericht Karlsruhe das Land Baden-Württemberg sogar zur Zahlung von 33.000 Euro Schadensersatz an den Lehrer. Als Herr Csaszkóczy 2010 erkennen musste, dass der „Verfassungs“schutz nichtsdestotrotz nach den Urteilen seine Überwachungsmaßnahmen nicht eingestellt sondern noch ausgeweitet hatte, wandte sich der Bespitzelte an Datenschutzbehörden und Gerichte. Die folgende Auseinandersetzung zog sich von 2010 bis 2016 hin. Es endete mit einer nachgerade atemberaubenden Entscheidung des Verwaltungsgericht Karlsruhe. Es hat mit Urteil vom 20. April 2016 (Aktenzeichen 4 K 262/13) dem Inlandsgeheimdienst in allen Punkten den Rücken gestärkt und Csaszkóczys Klage abgewiesen.

1 Kommentar

  1. Berufsverbote (außerhalb von Strafstandsbeständen) sind ein Mittel der Politik mit historischer Tradition.
    Wie sagte oder schrieb schon Martin Niemöller:
    „Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist.
    Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat.
    Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Gewerkschafter.
    Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“

    https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Niem%C3%B6ller#Zitat

    Und noch was: Achtet auf den Unterschied „verfassungswidrig“ und „verfassungsfeindlich“:

    Ester ist überprüfbar: Mit welchem Tatbestand wurde gegen die Verfassung verstoßen? Dann kommen die Gesetze und die Gerichte. Hier kann man immer noch Kritik üben und Klagen einreichen.

    Zweiter: ist nichtssagend. Wo ist „Verfassungsfeindlich“ definiert? Das kann jeder beliebig benutzen.
    Hier wird nur noch auf die Macht gesetzt, die das selbst bestimmt .

    Deshalb hier meine Solidarität an Silvia und Michael und der Appell dass ihr auch Eure Solidarität in einem Kommentar ausdrückt. Wir werden ihn weiterleiten.

    LG
    Uli

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