Rettet das Bargeld! Deshalb: Wehret den Anfängen – Keine Begrenzung von Bargeld-Transaktionen auf 5.000 Euro
In den letzten Monaten häufen sich Berichte, wonach einflussreiche Banken, Politiker und Wissenschaftler die Abschaffung von Bargeld (Münzen und Scheinen) fordern. Die Begründungen dafür sind unterschiedlich: Bargeld sei zu teuer. Schwarzarbeit, Geldwäsche und organisierte Kriminalität ließen sich besser verhindern. Und die Banken könnten ihre Zinspolitik gegenüber ihren Kunden besser steuern (Thema negative Zinsen). Auf der Strecke blieben bei einer Abschaffung des Bargelds alle Möglichkeiten, anonym Waren und Dienstleistungen zu erwerben. Die Privatsphäre wäre noch stärker gefährdet. Staat und Unternehmen könnten bei rein digitalem Zahlungsverkehr neue unbegrenzte Möglichkeiten zur Kontrolle des Konsumverhaltens aller Menschen gewinnen.
Ist diese Gefahr in absehbarer Zeit real?
Sie ist seit Anfang Februar 2016 zumindest realer geworden. Denn mit der Absicht des Bundesfinanzministeriums, Bargeldzahlungen per Gesetz auf max. 5.000 Euro pro Transaktion zu begrenzen, würde der Einstieg in den Ausstieg aus dem Bargeld beginnen.
Aber nicht nur Verbraucher- und DatenschützerInnen lehnen den Eingriff in eines der wichtigsten Freiheitsrechte – anonym erwerben und veräußern zu können – entschieden ab. Einige Stimmen:
- Gesetz über die Deutsche Bundesbank, § 14 (Notenausgabe): „(1) … Auf Euro lautende Banknoten sind das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel…“
- Hans Jürgen Papier, frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts: „Dies wären nicht gerechtfertigte Eingriffe in Freiheitsrechte, nämlich in die Vertragsfreiheit und Privatautonomie.“
- Jens Weidmann, Präsident der Deutschen Bundesbank: „Es wäre fatal, wenn die Bürger den Eindruck bekämen, dass ihnen das Bargeld nach und nach entzogen wird. Der Bürger soll selbst entscheiden können, ob er lieber Bargeld nutzen oder bargeldlos bezahlen möchte.“
- Carl-Ludwig Thiele, Mitglied im Vorstand der Deutschen Bundesbank: „Die sichere und zuverlässige Bereitstellung von Bargeld in Deutschland ist… nach § 3 Bundesbankgesetz eine zentrale Aufgabe der Deutschen Bundesbank. Es gibt jedoch in der öffentlichen Diskussion Stimmen, die die vollständige Abschaffung oder teilweise Zurückdrängung des Bargelds als Zahlungsmittel fordern… Diesen Vorschlägen zu einer Abschaffung des Bargelds steht die Deutsche Bundesbank ablehnend gegenüber. Die Bürgerinnen und Bürger sollen selbst entscheiden, in welchem Ausmaß sie Bargeld oder bargeldlose Zahlungsmittel verwenden möchten.“
- Klaus Müller, Vorstand der Verbraucherzentrale Bundesverband: „Bargeld ist gelebter Datenschutz. Und der darf nicht aufs Spiel gesetzt werden.“
Quelle: Neue Geldordnung
Auch die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main hat in Kooperation mit der Gruppe Neue Geldordnung das Thema Rettet das Bargeld! auf ihrer Agenda.
Michi Herl, Theatermacher in Frankfurt und Mensch mit hintergründigem Humor, hat den ganzen Unsinn am Faschingsdienstag in der Frankfurter Rundschau in gewohnt witziger Form auf den Punkt gebracht:
Sie wollen das Bargeld abschaffen! Dagegen gibt es viele Gründe, darunter einen ganz praktischen: Es ist doch ein Unsinn, wenn im Handel alles computerisiert, rationalisiert und somit angeblich vereinfacht wird, dann aber ein Menschlein an der Kasse steht, mit dem unvermeidlichen Smartphone am Ohr umständlich eine Plastikkarte aus irgendeiner Mantelöffnung fieselt, diese zuerst falsch-, dann richtigrum in das Lesegerät steckt, im Kopf nach einer Nummer wühlt, sie eingibt … und dann wartet – und mit ihm alle anderen in der Schlange auch. Den Rest kennen Sie. Verbindung abgebrochen, Nummer nochmal eingeben, Karte nicht lesbar, „Ich ruf Dich gleich zurück“ endlich ins Smartphone sagen, Verkäuferinnenfrage „Haben Sie eine andere Karte?“, Zahlung verweigert, womöglich Konto nicht gedeckt, roter Kopf, Gemurmel bei den Umstehenden, Verkäuferinnenruf „Frau Storovic Storno!“, irgendwo im Mantel kein Bargeld finden, den Smoothie endlich zur Seite stellen und so weiter. Und das für einen Betrag von 2,98 Euro! Bei mir dauert der Vorgang mal wieder sechs Sekunden. Drei Euro hingeben, zwei Cent einstecken, „Tschüss“ sagen, gehen. Hinaus in die schöne neue Welt. Und sich mal wieder über gar nichts wundern.
Die ganze Glosse hier zum Lesen und Schmunzeln: http://www.fr-online.de/kolumnen/bargeld-hinaus-in-die-schoene-neue-welt,29976192,33745686.html
Das Szenario, das Michi Herl beschreibt, habe ich selbst schon oft erlebt. Die Bestrebungen, das Bargeld abzuschaffen, halte ich für den Weg zur totalen Kontrolle der BürgerInnen. Das Argument, dadurch illegale Geldtransfers zu unterbinden, ist unglaubwürdig. Das Verbrechen findet immer seinen Weg. Die meisten Menschen unserer Bevölkerung sind rechtschaffene BürgerInnen, von denen ein stetig steigender Anteil kaum noch weiß, wie er finanziell zurechtkommen soll. Auch im Privaten wäre man vollkommen eingeschränkt: Wie soll ich dem Obdachlosen auf der Straße noch ein paar Euro geben können? Oder meinen Enkeln zum Geburtstag einen Geldbetrag in die Geburtstagskarte legen? Oder muss ich mir die Nummer ihres Girokontos (das sie natürlich haben müssen) geben lassen und das Geld (natürlich online!) überweisen? Wie öde! Trinkgeld für den Friseur, den Paketlieferanten, den Handwerker, der Bedienung im Restaurant? Die Kinder, die sich am Kiosk eine Kleinigkeit kaufen wollen? Wie sollen die Menschen, die bei den Tafeln Lebensmittel für 1 Euro kaufen müssen, bezahlen? Eine Kreditkarte werden sie von ihrer Bank wohl kaum bekommen. Bekanntermaßen kaufen Menschen, die mit Karte zahlen, mehr und spontaner ein, als sie eigentlich wollten und sich leisten können, weil man schnell den Überblick über seine Finanzen verliert. Soll damit die Wirtschaft angekurbelt werden? Wer dann mit seinem Konto im Soll landet, kann ja bei seiner Bank einen Kredit aufnehmen…
Ich sehe der geplanten Abschaffung des Bargeldes mit großer Sorge entgegen; ich will nicht in a l l e n Belangen kontrolliert werden. Ein kleines (letztes) Stückchen Privatsphäre sollte uns noch bleiben. Der einzige Effekt wird sein, dass – wie bisher – Die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden. Ich hoffe, dass es nicht dazu kommt.