Razzia bei Radio Dreyeckland in Freiburg: Staatsanwaltschaft wollte sogar IP-Adressen der Hörer*innen der Sendungen bzw. der Leser*innen der Homepage erfahren
Am 17.01.2023 kam es zu einer Hausdurchsuchung bei Radio Dreyeckland (RDL) in Freiburg sowie bei zwei Mitarbeiter*innen des Senders. Radio Dreyeckland ist ein nichtkommerzielles Radio aus dem Südwesten der Bundesrepublik. Es bietet interessierten Menschen die Möglichkeit, Radio zu machen. Zur Zeit gestalten etwa 150 ehrenamtliche Mitarbeiter*innen das Programm.
In einer Pressemitteilung des Senders vom 17.01.2023 wird u. a. festgestellt: „Beantragt wurden die Hausdurchsuchungen von der Staatsanwaltschaft Karlsruhe mit dem Vorwurf, dass RDL einen ‚Verstoß gegen das Vereinigungsverbot gemäß § 85 StGB‘ begangen habe. Den Durchsuchungsbefehl hat eine Richterin erlassen. Anlass dafür sei ein Artikel auf der Website von RDL vom 30.07.2022, der über die Einstellung des Ermittlungsverfahren gegen linksunten.indymedia berichtet. Der Artikel enthält einen Link auf das öffentlich zugängliche Web-Archiv der ehemaligen Plattform. Diese Verlinkung sei, so die Staatsanwaltschaft Karlsruhe, eine unzulässige ‚Weiterverbreitung‘ des ‚verbotenen Vereins linksunten.indymedia“… Der inkriminierte Artikel ist mit einem Kürzel versehen und die Website von Radio Dreyeckland weist einen Verantwortlichen im Sinne des Presserechts aus. Selbst unter der falschen Annahme, dass die Verlinkung eine Straftat darstelle, gibt es keinen Anlass, eine Hausdurchsuchung zur ‚Beweissicherung‘ durchzuführen… Das Web-Archiv von linksunten.indymedia ist öffentlich zugänglich, eine Web-Suche bei Google oder anderen Suchmaschinen liefert den Link durchgängig als erstes Suchergebnis und die Adresse ist dieselbe wie die der früheren Plattform. Ein solcher Link in einem journalistischen Artikel ist ein Quellennachweis und mit Sicherheit kein ‚Verstoß gegen das Vereinigungsverbot‘, wie die Staatsanwaltschaft argumentiert. Dokumentation und Quellenangaben sind die Grundlage jeder seriösen journalistischen Recherche und Arbeit und dürfen nicht kriminalisiert werden. Radio Dreyeckland ist dabei nicht das einzige Medium mit Verlinkungen auf linksunten.indymedia, eine kurze Recherche liefert eine Vielzahl von derartigen Links. Nicht zuletzt: Ein Presseorgan für die Inhalte verlinkter Seiten in Haftung zu nehmen ist völlig unabhängig von deren Inhalt ein unsäglicher Vorgang. RDL weist wie die meisten Medien eine solche Haftung ausdrücklich zurück, so auch im Impressum der Website. Dieser Eingriff in die Pressefreiheit ist vollkommen unverhältnismäßig und nicht hinnehmbar…“ (Hinweis: Die Links im zitierten Text wurden vom Verfasser dieses Beitrags eingefügt).
Am 07.02.2023 informierte RDL in einer weiteren Pressemitteilung: „Ausforschung von Radio Dreyeckland sollte sogar Hörer:innen treffen… Staatsanwaltschaft Karlsruhe wollte von RDL-Hoster umfassende Daten, die sämtliche RDL Web-Hörer:innen getroffen hätte… Nach den Hausdurchsuchungen gegen Radio Dreyeckland am 17.01.2023 wird immer deutlicher, wie tief der Eingriff in das Redaktionsgeheimnis und die Ausforschung eines lizenzierten Rundfunkanbieters geht… Radio Dreyeckland präsentierte auf einer Pressekonferenz am 06. Februar neue Erkenntnisse. ‚Nach dem ersten Blick in die Akten wird klar, dass die Staatsanwaltschaft bei unserem Hoster sogar alle IP Adressen erfragt hat, die in letzter Zeit auf rdl.de zugegriffen haben. Das hätte nicht nur die rund 150 Sendungsmachenden betroffen, sondern alle Hörer:innen und Nutzer:innen von Radio Dreyeckland, die über die Webseite auf Programminhalte zugreifen… Hätte unser Hoster der geforderten Herausgabe nach Benutzeranmeldungen und Identifikation entsprochen, hätte er der Staatsanwaltschaft einen Zugang zu unseren Server geben müssen, so dass sämtliche Radiokommunikation der letzten 25 Jahre bei der Polizei gewesen wären… Nur durch die Intervention unserer Anwältin konnte das geradeso noch verhindert werden, so dass der Staatsanwalt zusagte die Anfrage an den Hoster zurückzuziehen‘…“
Radio Dreyeckland fordert die sofortige Einstellung des Ermittlungsverfahrens und die Löschung der erhobenen Daten und will die Pressefreiheit notfalls auch juristisch bis zum Bundesverfassungsgericht verteidigen.
Die TAZ hat heute einen umfangreichen Beitrag veröffentlicht, der auch die rechtlichen und technischen Hintergründe des Skandals beleuchtet.
Unbedingt lesen!
https://blogs.taz.de/theorie-praxis/vollkommen-uebertrieben-und-nach-unserer-auffassung-nicht-begruendbar-chaos-computer-club/