Populismus pur im Nordschwarzwald – CDU-Bürgermeister will Befragung starten, wo Pforzheimer BürgerInnen sich Videoüberwachung wünschen

Datenschutzrheinmain/ Januar 22, 2017/ alle Beiträge, Videoüberwachung/ 0 comments

In der Baden-Württemberger Stadt Pforzheim hat sich Dirk Büscher (CDU), seit Juli 2016 Erster Bürgermeister und Sicherheits-Dezernent, etwas besonderes einfallen lassen, um das von der CDU/CSU bundesweit gepushte Thema Videoüberwachung in populistischer Manier unters Wahlvolk zu bringen. Die Pforzheimer Zeitung vom 20.01.2017 berichtet: „Im März, so Büscher, werde es eine Veranstaltung geben, an der auch die Bürger zur Teilnahme aufgefordert seien. Unter anderem diene der Abend dann einer Sammlung von Anregungen aus der Bürgerschaft, wo mögliche Brennpunkte seien, die gegebenenfalls mit Videokameras überwacht werden könnten oder sollten.“

Drei Fragen an den Sicherheits-Dezernenten der Stadt Pforzheim:

  1. Ist Ihnen das Polizeigesetz (PolG) des Landes Baden-Württemberg bekannt?
  2. Ist Ihnen die darin festgelegte Messlatte bekannt, wann der Polizeivollzugsdienst oder die Ortspolizeibehörden im öffentlichen Raum Videoüberwachungsanlagen installieren und betreiben dürfen?
  3. Oder gilt in Ihrer Stadt „Pforzheimer Landrecht“, das erlaubt, nach Gutdünken Bürgerbefragungen als Rechtsgrundlage zur Errichtung und zum Betrieb von Videoüberwachungsanlagen durchzuführen?

Sollte Herrn Büscher (CDU) in seiner bislang 6-monatigen Amtszeit das Polizeigesetz (PolG)  des Landes Baden-Württemberg noch nicht bekannt geworden sind, erteilt ihm die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein-Main gerne Nachhilfeunterricht. § 21 PolG (Offener Einsatz technischer Mittel zur Bild- und Tonaufzeichnung) enthält in Abs. 4 folgende Regelung: „Der Polizeivollzugsdienst oder die Ortspolizeibehörden können an öffentlich zugänglichen Orten Bild- und Tonaufzeichnungen von Personen anfertigen, wenn sich die Kriminalitätsbelastung dort von der des Gemeindegebiets deutlich abhebt und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort auch künftig mit der Begehung von Straftaten zu rechnen ist.“ Bürgerbefragungen als Rechtsgrundlage zur Errichtung von Videoüberwachungsanlagen sieht das Polizeigesetz (PolG) des Landes Baden-Württemberg auch nach der letzten Novellierung im Oktober 2016 nicht vor.

Update 26.01.2017

In einer E-Mail an Dirk Büscher (CDU), Erster Bürgermeister und Sicherheits-Dezernent und an die Fraktionen im Gemeinderat Pforzheim sowie an die lokale Presse hat die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main wie folgt Stellung genommen:

„Aus unserer Sicht wäre es stattdessen sinnvoll, wenn Sie als Sicherheits-Dezernent der Stadt Pforzheim der Bürgerschaft Ihrer Stadt und der interessierten Öffentlichkeit belastbare und überprüfbare Daten zur Verfügung stellen würden,

  • wo es in Pforzheim ein erhöhtes Aufkommen von Drogen- und Kleinkriminalität, Diebstählen und Raubüberfällen und damit Kriminalitätsschwerpunkte gibt;
  • dass an diesen Stellen andere Mittel der Gewaltprävention und der Aufklärung von Straftaten nicht zur Verfügung stehen oder nicht geeignet sind, das gewünschte Ziel zu erreichen und
  • wo in Pforzheim nach Ihrer Bewertung Videoüberwachung die genannten Probleme objektiv reduzieren kann?

Erst danach wird es der interessierten Öffentlichkeit möglich sein, eine ergebnisoffene Diskussion über öffentliche Sicherheit, subjektives Sicherheitsempfinden, überprüfbare Fakten und die Notwendigkeit von Videoüberwachung In Pforzheim zu führen.“

Die Pforzheimer Zeitung vom 25.01.2017 hat dazu einen Bericht veröffentlicht.

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