Pilotprojekt Videoüberwachung mit Gesichtserkennung im Frankfurter Bahnhofsviertel – oder: Treffen sich George Orwell und Franz Kafka am Hauptbahnhof
Mitte Dezember 2024 wurde es im Hessischen Landtag mit der Mehrheit von CDU und SPD beschlossen: „Die Polizeibehörden können zur Abwehr einer tatsächlichen und bestehenden oder tatsächlichen und vorhersehbaren Gefahr einer terroristischen Straftat… die biometrische Echtzeit-Fernidentifizierung in öffentlich zugänglichen Räumen zur gezielten Suche nach Personen, die diese Gefahr verursachen, durchführen, soweit die Abwehr dieser Gefahr auf diese Weise unbedingt erforderlich ist…“ (§14 Abs. 9 HSOG).
Und schon zwei Monate später ist in der Frankfurter Rundschau zu lesen: „Innenminister Roman Poseck plant den Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei der Videoüberwachung im öffentlichen Raum. ‚Wir sind auch dabei, die Möglichkeiten zu nutzen, Künstliche Intelligenz in die Videoüberwachung in Hessen mit einzubeziehen‘… Zum einen solle die KI bei der Datenanalyse und zum anderen bei der Auswertung der Bilder von Videoschutzanlagen dienen. ‚Künstliche Intelligenz kann Bewegungsmuster erkennen, das heißt, kann Alarm geben, wenn es einen Schlag oder einen Messerstich gibt“‘ sagte er… Bei besonderen Lagen, etwa bei der Abwehr terroristischer Gefahren, könne die KI auch zur biometrischen Gesichtserkennung eingesetzt werden… Zunächst soll KI bei der Videoüberwachung im Bahnhofsviertel in Frankfurt eingesetzt werden. Im ersten Halbjahr 2025 soll es losgehen.“
Biometrischen Gesichtserkennung? Da war doch mal was. Ach Ja, Feldversuch am Bahnhof Südkreuz in Berlin.
In einem Beitrag auf Netzpolitik.org vom 09.12.2024 wird darauf verwiesen. Wir zitieren den Beitrag auszugsweise:
„Die Software soll prüfen, wer sich verdächtig bewegt oder mutmaßlich gefährliche Gegenstände bei sich trägt und nach Auftrag einer Beamt*in die Person dann über alle einlaufenden Streams hinweg verfolgen. Zur Gefahrenabwehr dürfen die aufgenommenen Bilder auch automatisiert mit polizeilichen Datenbanken abgeglichen werden.
Anlasslose biometrische Massenanalyse
Aktuell sind in den polizeilichen Datenbanken hauptsächlich die biometrischen Merkmale von Menschen gespeichert, die zuvor Gegenstand einer erkennungsdienstlichen Behandlung waren. Künftig sollen, geht es nach Bundesinnenministerin Nancy Faeser und den Innenminister*innen der Länder, in einer weiteren polizeilich zugänglichen Datenbank alle Gesichter erfasst werden, von denen öffentlich einsehbare Fotos im Internet existieren.
Zur Terroristenjagd, zum Auffinden von Vermissten und mutmaßlich bedrohten Personen sollen die hessischen Polizist*innen das Videoüberwachungssystem auch mit Fahndungsfotos füttern können, nach denen das anfallende Material gescannt wird. Carsten Linnemann, Generalsekretär der Bundes-CDU, denkt in eine ganz ähnliche Richtung. Er sieht als einen der ersten Schritte einer potenziell CDU-geführten nächsten Bundesregierung den Aufbau von biometrischer Echtzeitidentifikation an Bahnhöfen. „Wir sorgen durch Gesichtserkennung mittels KI für sichere Bahnhöfe“, sagte er dem Handelsblatt.
Der automatische Abgleich wäre ein schwerer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte Unschuldiger. Ein Test am Berliner Südkreuz erbrachte 2017/2018 eine Falsch-Positiv-Rate von etwa 0,1 Prozent. Das heißt, von 1.000 Passant*innen löst eine aus Versehen Alarm aus. Allein auf den 5.400 Bahnhöfen der deutschen Bahn bewegen sich allerdings täglich etwa 21 Millionen Menschen – das heißt durchschnittlich alle vier Sekunden würde jemand Opfer einer unbegründeten Ausweiskontrolle oder sogar Leibesvisitation.“
Zitierte Absätze erstmals veröffentlicht auf Netzpolitik.org unter der Lizenz CC BY-NC-SA 4.0.
Landtag beschließt einstimmig Polizeigesetz
Bodycams, Fußfesseln, Drohnen – das ändert sich bei der Polizei in RLP
Stand 19.2.2025, 20:31 Uhr
https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/novelle-polizeigesetz-landtag-drohnen-abwehr-bodycams-monocams-fussfesseln-100.html