Persönlichkeitsprofil durch Stimmtest

Schuetze/ Mai 11, 2017/ alle Beiträge, Automatisierte Einzelentscheidung / Profile, Beschäftigtendatenschutz, Biometrie, Verbraucherdatenschutz/ 0 comments

… wie die neuste Technik das Recht überholt

Im Rahmen einer Bewerbung und noch ehe es zu einem persönlichen Interview kommt, werden Sie aufgefordert eine Telefonnummer zu wählen. Sie landen bei der Firma Precire, Aachen.

Dort werden Sie mit Fragen im Gespräch geleitet, einfach mal so zu erzählen. Auf den Inhalt des gesprochenen Textes kommt es gar nicht an. Vielmehr werden Rede­geschwindigkeit, Modulation, Wortwahl, Sprachrhythmus und zahlreiche andere Merkmale des Erzählten ausgewertet. So berichtet das RTL-Nachtjournal am 9. Mai 2017. In der RTL-Mediathek noch verfügbar.

Unter Gesichtspunkten des Datenschutzes wirft diese Anwendung erhebliche Zweifel und Rechtsprobleme auf:

  1. Soweit dieses Wort- und Stimmen-Analyse-Tool im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens für einen Arbeitsplatz Anwendung findet, steht die Freiwilligkeit der notwendigen Einwilligung infrage. Der Bewerber ist unter einem wirtschaftlichen Druck, eine Stelle zu bekommen, und ist daher – eher unfreiwillig – mit tieferen Eingriffen in sein Persönlichkeitsrecht einverstanden, als in anderen, druckfreieren Lebenssituationen. Freiwilligkeit ist aber ein zwingendes Element einer Einwilligungserklärung. Fehlt sie gibt es für die Datenverarbeitung keine Rechtgrundlage, sie ist schlicht verboten.
  2. Bei einem Wort- und Stimmen-Analyse-Tool handelt es sich um ein biome­trisches Verfahren. Biometrische Systeme sind nur dann verlässlich, wenn die True/ False bzw. die False/ True Raten besonders klein sind. Das sind diejenigen Fälle, in denen sich das System irrt. Da der Hersteller weder auf seiner Home­page noch unmittelbar vor dem Einsatz dieses Tool hierüber informiert, ist gar nicht gesichert, dass die vermeintlich erkannten Persönlichkeitsmerkmale im Einzelfall auch zutreffen. Vom Computer einmal festgestellt, ist es unmöglich, sich erfolgreich und rechtzeitig gegen diese Wertungen zu wehren.
  3. Im Datenschutzrecht gilt ein Verbot der automatisierten Einzelentscheidung. Ziel ist es, dass in keinem Fall Maschinen über Menschen entscheiden dürfen. Bestenfalls dürfen sie Entscheidungen von Menschen vorbereiten. Dabei müssen immer substantielle Entscheidungs­spielräume beim Menschen verbleiben.
    In der betrieblichen Anwendung neigen Beschäftigte – hier solche der Personal­abteilung – dazu, die Verantwortung der Maschine, dem Computer zuzuweisen, um eine Entdeckung eigener Fehler vorzubeugen. Das kann dazu führen, dass kaum mehr eine vom System abweichende Entscheidung getroffen wird. Gleich ob die Beschäftigten ihren Entscheidungsspielraum faktisch nicht ausnutzen, oder direkt angewiesen werden, der Computer-Entscheidung zu folgen. So kann der ‚nützliche Helfer‘, das Tool, zum Tyrannen werden. In jedem Fall ist das eine datenschutzrechtlich verbotene, austomatisierte Einzel­entscheidung.
  4. Die Anwendungsmöglichkeit über das Telefon verführt überdies zum Einsatz ohne Wissen und Einwilligung des Betroffenen.
    Ja sogar eine besonders perfide Anwendung über Sprachroboter käme infrage, der die Kontakt­aufnahme und die Erhebung der Analyse-Daten – Sprach­proben – übernimmt. Zum dem Verstoß gegen Datenschutzrecht käme ein Verstoß gegen Wettbewerbs­recht hinzu.

 

von Roland Schäfer

 

 

 

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