Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zur Videoüberwachung von Demonstrationen durch die Polizei: Auch für Übersichtsaufnahmen von Versammlungen ist eine gesetzliche Grundlage erforderlich
Am 24. März 2012 fand in Bad Neuenahr-Ahrweiler eine Versammlung unter dem Motto Keine Straße, keine Stadt, kein Haus für Nazis statt. Anlass war das sogenannte Braune Haus, das dort seinerzeit von Mitgliedern einer rechtsextremen Organisation bewohnt und als Zentrale genutzt wurde. Die Polizei setzte einen mit einer Kamera ausgestatteten Übertragungswagen ein, mit dem sie zur Lageorientierung Übersichtsaufnahmen der Versammlung anfertigte, die von der Kamera auf einen Monitor der Einsatzleitung übertragen, aber nicht aufgezeichnet und gespeichert wurden. Der Kläger, der die Versammlung angemeldet und geleitet hat, begehrte mit seiner Klage die Feststellung, dass die polizeilichen Bildaufnahmen der Versammlung rechtswidrig waren. In 1. Instanz unterlegen, gab das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz dem Kläger recht und entschied:
Auch durch die Anfertigung von bloßen Übersichtsaufnahmen einer Versammlung durch die Polizei, die von einer Kamera auf einen Monitor bei der Einsatzleitung in Echtzeit übertragen und nicht aufgezeichnet und gespeichert werden, wird in die verfassungsrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit eingegriffen, so dass es hierfür einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Die Anfertigung der Übersichtsaufnahmen der Versammlung durch die Polizei sei rechtswidrig gewesen. Die Übersichtsaufnahmen seien nicht vom Versammlungsgesetz des Bundes gedeckt. Danach seien Bild- und Tonaufnahmen von Teilnehmern öffentlicher Versammlungen durch die Polizei – einschließlich ihrer Aufzeichnung und Speicherung – nur bei erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erlaubt. Für eine solche Gefahr seien bei dieser Versammlung keine tatsächlichen Anhaltspunkte ersichtlich.
Auch Übersichtsaufnahmen ohne Aufzeichnung seien geeignet, eine einschüchternde Wirkung auf Versammlungsteilnehmer zu entfalten und sie in ihrer Grundrechtsausübung zu beeinflussen oder sogar von ihr abzuhalten.
Der einzelne Versammlungsteilnehmer könne regelmäßig nicht erkennen, ob eine auf die Versammlung gerichtete Kamera lediglich in Echtzeit Bilder auf einen Monitor übertrage oder aber zeitgleich darüber hinaus die Aufnahme aufgezeichnet und gespeichert werde. Nach dem heutigen Stand der Technik seien in Übersichtsaufzeichnungen des gesamten Versammlungsgeschehens die Einzelpersonen in der Regel individualisierbar miterfasst. Wer damit rechne, dass die Teilnahme an einer Versammlung behördlich registriert werde und ihm dadurch persönliche Risiken entstehen könnten, werde möglicherweise auf die Ausübung seines Grundrechts verzichten.
Das Land Rheinland-Pfalz hatte die Ansicht vertreten, dass eine gesetzliche Grundlage für die Anfertigung von Übersichtsaufnahmen in Echtzeitübertragung entbehrlich sei. Diese Rechtsposition wurde vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zurückgewiesen.
Das Urteil vom 05.02.2015 (Aktenzeichen 7 A 10683/14.OVG) ist hier im Wortlaut .