Nach Verabschiedung des Registermodernisierungsgesetzes mit Einführung einer übergreifenden Personenkennziffer: Bundesregierung beschließt Entwurf eines Registerzensuserprobungsgesetz
„Der Registerzensus ist ein zentrales Modernisierungsvorhaben der amtlichen Statistik, mit dem perspektivisch die bislang erforderlichen Befragungen der Bevölkerung durch die weiter verstärkte Nutzung von in der Verwaltung vorhandenen Daten abgelöst werden sollen…Aufgrund künftig zu erwartender Änderungen auf europäischer Ebene ist davon auszugehen, dass ab dem Jahr 2024 nicht nur alle zehn Jahre, sondern in kürzeren zeitlichen Abständen Teile der Zensusmerkmale an die geliefert werden müssen. Dies macht es erforderlich, die Erprobung eines registerbasierten Verfahrens der Ermittlung der Bevölkerungszahlen rechtlich zu regeln.“ Das meldet das Bundeswirtschaftsministerium am 10.02.2021 auf seiner Homepage. Der Gesetzentwurf ist bislang noch nicht veröffentlicht worden.
Erleichterung darüber, dass 2022 möglicherweise die letzte der „klassischen“ Volkszählungen mit Ausfüllung von Fragebogen stattfinden wird, ist nicht angebracht. Im Gegenteil:
Trotz verfassungs- und datenschutzrechtlicher Bedenken hat der Bundestag Ende Januar 2021 mit dem Registermodernisierungsgesetz (RegMoG) die Einführung einer übergreifenden Personenkennziffer („Identifikationsnummer“) auf Basis der Steuer-ID beschlossen. Die Behörden von und, Ländern und Kommunen sollen die Daten aller Bürger*innen künftig auf Basis einer gemeinsamen Kennziffer effizienter austauschen können. Künftig sollen 51 von rund 200 Behördenregistern diese Identifikationsnummer nutzen. Zu den von allen Menschen in Deutschland erfassten Stammdaten (§ 4 RegMoG) zählen Namen, Geburtsort und -datum, Geschlecht, Anschriften, Wohnungswechsel sowie Staatsangehörigkeiten.
Erinnert sei an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16.07.1969 (Aktenzeichen: 1 BvL 19/63): „Mit der Menschenwürde wäre es nicht zu vereinbaren, wenn der Staat das Recht für sich in Anspruch nehmen könnte, den Menschen zwangsweise in seiner ganzen Persönlichkeit zu registrieren und zu katalogisieren…“.
Im Zeitalter elektronischer Datenverarbeitung scheint das bei den politisch Verantwortlichen in Vergessenheit geraten zu sein. Wie anders ist es erklärbar, dass bereits seit einigen Jahren jeder Mensch von Geburt an mit der lebenslangen Steuer-ID (Rechtsgrundlage: § 139 Abgabenordnung), der lebenslangen Krankenversichertennummer (Rechtsgrundlage: § 290 SGB V) und spätestens mit Eintritt ins Berufsleben der lebenslangen Sozialversicherungsnummer (Rechtsgrundlage: §§ 18f – 18h SGB IV) zum gläsernen Staatsbürger gemacht wird. Denn mit Hilfe dieser drei Identifikationsmerkmale konnten auch bisher schon nahezu alle Aktivitäten eines Menschen außerhalb seines allerprivatesten und intimsten Lebensbereiche ihm zuordnen und auswerten. Mit dem bereits verabschiedeten Registermodernisierungsgesetz und dem jetzt geplanten Registerzensuserprobungsgesetz wird dieses Problem noch einmal deutlich verschärft.
Ein Grund mehr, sich auch gegen den Zensus 2022 zur Wehr zu setzen.
Und um noch einmal das Bundesverfassungsgericht zu Wort kommen zu lassen. Es hat in seiner
Entscheidung vom 16.07.1969 auch festgestellt: „In der Wertordnung des Grundgesetzes ist die Menschenwürde der oberste Wert… Damit gewährt das Grundgesetz dem einzelnen Bürger einen unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung, der der Einwirkung der öffentlichen Gewalt entzogen ist… Es widerspricht der menschlichen Würde, den Menschen zum bloßen Objekt im Staat zu machen… Ein solches Eindringen in den Persönlichkeitsbereich durch eine umfassende Einsichtnahme in die persönlichen Verhältnisse seiner Bürger ist dem Staat auch deshalb versagt, weil dem Einzelnen um der freien und selbstverantwortlichen Entfaltung seiner Persönlichkeit willen ein ‚Innenraum‘ verbleiben muß, in dem er ‚sich selbst besitzt‘ und ‚in den er sich zurückziehen kann, zu dem die Umwelt keinen Zutritt hat, in dem man in Ruhe gelassen wird und ein Recht auf Einsamkeit genießt‘… In diesen Bereich kann der Staat unter Umständen bereits durch eine – wenn auch bewertungsneutrale – Einsichtnahme eingreifen, die die freie Entfaltung der Persönlichkeit durch den psychischen Druck öffentlicher Anteilnahme zu hemmen vermag…“