Ludwigshafen: Oberbürgermeisterin fordert Videoüberwachung gegen illegale Müllablagerungen
Ludwighafens Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck (SPD) will künftig Plätze in Ludwigshafen, die regelmäßig durch illegale Müllablagerungen verdreckt werden, per Videokamera überwachen lassen. Ziel ist es, schneller und effizienter als bisher die Personen verfolgen zu können, die ihren Müll illegal auf Kosten der Allgemeinheit entsorgen. Konkret möchte die Ludwigshafener OB die datenschutzrechtliche Prüfung von zwei Fragestellungen anstoßen:
- Soll illegale Müllentsorgungen auf öffentlichen Plätzen und Straßen Eindämmungsmaßnahmen wie verstärkte Kontrolle und Strafverfolgung höher bewertet werden?
- Soll es künftig ausreichen, Videoüberwachungsanlagen nicht mehr so zu kennzeichnen, wie das die DSGVO, das BDSG und die Datenschutzgesetze der Länder vorschreiben, sondern lediglich grobe Ortsangaben, wo Kameras installiert sind, zu veröffentlichen, so z. B. auf der städtischen Homepage oder in Medien?
Dies ist einer Pressemitteilung der Stadt Ludwigshafen vom 07.12.2020 zu entnehmen. Zur Begründung wird u. a. darauf verwiesen, dass die Vielzahl der illegalen Abfallablagerungen und deren Entsorgung zu steigenden Kosten und letztendlich zu Gebührenerhöhungen führe. Eine Kontrolle und Überwachung dieser Hotspots sei daher von zentraler Bedeutung. Daher wolle die Stadt Ludwigshafen künftig mobile Kameras an wechselnden Standorten sowie zeitlich begrenzt an den jeweiligen Hotspots montieren.
Da die aktuelle Fassung der „Orientierungshilfe für die Videoüberwachung in Kommunen„ den Einsatz von Kameras zur Bekämpfung illegaler Müllablagerungen wegen überwiegend schutzwürdiger Interessen der Betroffenen datenschutzrechtlich als nicht zulässig erachtet, regt die Oberbürgermeisterin der Stadt Ludwigshafen eine Überprüfung dieser Bewertung an. Zugleich müsse darüber nachgedacht werden, wie Kameraüberwachung so kenntlich gemacht werden könnte, dass dies dem Gebot der Erkennbarkeit genügt – also, dass Menschen erkennen können, wenn ein bestimmter Bereich videoüberwacht ist. Andererseits müsse vermieden werden, dass der Müll dann auf den Flächen illegal entsorgt wird, die nachweislich nicht überwacht sind.
Die Rheinpfalz teilt in ihrer Ausgabe vom 27.12.2020 mit, dass „sich die Begeisterung des Landesdatenschutzbeauftragten Dieter Kugelmann bislang in Grenzen hält“.
Nicht verwunderlich! In einer Veröffentlichung auf der Homepage des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz zum Thema „Videoüberwachung durch Kommunen“ wird festgestellt: „Jede Videoüberwachung stellt einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der davon betroffenen Personen dar. Denn alle Menschen haben das Recht, sich in der Öffentlichkeit grundsätzlich frei zu bewegen, ohne dass ihr Verhalten durch Kameras aufgezeichnet wird. Videoüberwachung ist deshalb nur zulässig, wenn es dafür eine gesetzliche Grundlage gibt oder die Betroffenen einer solchen Maßnahme zugestimmt haben. Weder in der Gemeindeordnung noch in der Landkreisordnung findet sich aber eine Regelung zur Videoüberwachung. Deshalb erfolgt eine datenschutzrechtliche Bewertung auf der Grundlage von § 21 LDSG. Demnach ist die Überwachung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben, des Hausrechts oder zum Schutz von Eigentum zulässig. Dies gilt sowohl bei bloßer Videobeobachtung (Monitoring) als auch bei Videoaufzeichnungen… Monitoring führt nur dann zu Sicherheitsgewinnen, die einen solchen Einsatz rechtfertigen, wenn die lückenlose Beobachtung der Livebilder gewährleistet ist. Nur so können Maßnahmen ohne zeitliche Verzögerung ergriffen werden. Die Überwachung von öffentlichen Straßen und Plätzen in Form der Videoaufzeichnung ist stets genau zu prüfen. Hier würde es sich um einen Eingriff mit großer Streubreite handeln, weil eine Vielzahl von Personen, die den Eingriff nicht durch ihr Verhalten veranlasst haben, betroffen wären. Außerdem treten bei solchen Maßnahmen häufig nur bloße Verlagerungseffekte in der Form auf, dass z.B. Graffiti oder andere Sachbeschädigungen an einem anderen Ort erfolgen…“
Kann Videoüberwachung ein wirksamer Schutz vor illegale Müllablagerungen, asozialem Verhalten und Vandalismus sein? Dieser Ansicht scheint die Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen zu sein. Dann stellt sich eine weitere Frage: Strebt Frau Steinruck (SPD) Verhältnisse wie in London an? In London überwachen 627.727 Videokameras die 9,3 Mio. Einwohner*innen (67,47 Kameras pro 1.000 Einwohner*innen). Bezogen auf die aktuelle Einwohnerzahl von Ludwigshafen (rund 172.000 – Stand 2019) würde dies eine Zahl von 11.605 Kameras im Stadtgebiet von Ludwigshafen bedeuten.
Von London ist – trotz exorbitant hoher Kameradichte – nicht bekannt, dass Kriminalität, Vandalismus oder asoziales Verhalten dadurch spürbar reduziert wurde.
Siehe dazu
Kameras-Stoppen, eine Kölner Intitiative, stellt einen Zwischenbericht vor, was in den letzten anderthalb Jahren mit der polizeilichen Videoüberwachung in Köln geschehen ist.
Die Kölner Initiative Kameras-Stoppen, die sich gegen die polizeiliche Videoüberwachung in Köln richtet, war vor anderthalb Jahre bei uns zu Besuch, um sich vorzustellen. In diesem Monat berichtet die Initiative, was sich in den letzten 18 Monaten in dem Bereich getan hat und inbesondere über das Klageverfahren, welches seit Juni 2018 am Verwaltungsgericht Köln anhängig ist.
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