Lobbyistenverband BITKOM hält das Prinzip der Datensparsamkeit in fast allen Lebensbereichen für überholt

Datenschutzrheinmain/ Juli 22, 2015/ alle Beiträge, Beschäftigten- / Sozial- / Verbraucherdaten-Datenschutz, Beschäftigtendatenschutz, Telematik-Infrastruktur, Verbraucherdatenschutz/ 1Kommentare

Thorsten Dirks, der neue Präsident des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM), hat vor wenigen Tagen einen massiven Angriff auf die Grundlagen des deutschen und europäischen Datenschutzrechts vorgetragen. Der Lobbyistenverbands, der auch im Bereich Digitalisierung des Gesundheitswesens aktiv ist, hält das Prinzip der Datensparsamkeit in fast allen Lebensbereichen für überholt: „In Zeiten, in denen nahezu alle Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft digitalisiert werden, muss das Konzept der Datensparsamkeit überdacht werden“, fordert Dirks.

Heise.de zitiert Dirks mit den Aussagen „Konkret wirke sich Datensparsamkeit derzeit etwa auf Startups im Bereich digitaler Finanzdienstleistungen und E-Health negativ aus… Über Smart Watches und Fitness-Tracker würden personenbezogene Informationen verstärkt mehr oder weniger beiläufig erhoben und zentral gespeichert. Europa sei bei den darauf basierenden Diensten aber noch ‚nicht an dem Punkt wie Amerika‘, wo weniger strenge Datenschutzregeln gelten.“

Auch der E-Health-Gesetzentwurf der Bundesregierung bleibt nach Meinung von Dirks hinter den Möglichkeiten zurück: „Wir müssen hier deutlich mutiger werden“, forderte er und verband dies lt. Heise.de mit der Feststellung: „Auch große internationale Akteure rüsteten sich bereits für diesen Markt. Es dürfe hier nicht soweit kommen wie im digitalen Konsumentenbereich, wo die großen Plattformen ‚alles amerikanische Unternehmen‘ seien, die nach dem Motto ‚The winner takes it all‘ agierten.“

Zwei Feststellungen seien erlaubt:

  • Hier spricht ein Räuber, der Angst hat, dass andere Räuber das größte Stück eines verlockenden Datenkuchens abgreifen könnten. Damit dies nicht geschieht, sollen die deutschen und europäischen Datenschutzstandards massiv abgesenkt werden – zu Lasten von ArbeitnehmerInnen, PatientInnen und VerbraucherInnen.
  • Die Stoßrichtung ist die gleiche wie bei dem vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband e.V. (DEHOGA) vor wenigen Wochen vorgetragenen Angriff auf die Regelungen im Arbeitszeitgesetz. Auch hier geht es darum, Schutzstandards für ArbeitnehmerInnen abzusenken und Deregulierung durchzusetzen.

1 Kommentar

  1. IT-Philosophie und Technologie-Konzepte ändern

    Die Auflösung der Datensparsamkeit und die Akzeptanz einer totalen Erfassung und Auswertung
    aller Informationen, die unsere Existenz ausmachen hat eine fatale und gefährliche Entwicklung
    für die menschliche Gesellschaft in Gang gesetzt. Es geht dabei nicht um ein simples Pro oder Contra Technik oder um die Verhinderung von Zukunftsmärkten im globalen Wettbewerb, es geht um vielschichtige Aspekte und Fragen, die damit zusammenhängen. Der Begriff Technik kann von τέχνη (téchne, dt. etwa Kunst, Handwerk, Kunstfertigkeit) abgeleitet wird, siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/Techne
    Technik ist Ausdruck der Kunstfertigkeit des Menschen und die Grundlage dafür ist die Kreativität. Die geistige Kreativität des Menschen, die weltweite neuronale Vernetzung und der globale Wissensspeicher führen zu einer exponentiellen Entwicklung von technologischen Komponenten und Systemen. Damit verbunden sind intelligente und komplexe Konzepte für eine technologische Matrix, die das funktionale Design der miniaturisierten Komponenten und Megasysteme bestimmen. Allen Bausteinen, die mit Computerchips augestattet sind, wird zunehmend die Fähigkeit zur Onlineanbindung mitgegeben, sie ist heute unwegdenkbarer Bestandteil der Konzepte und Zielesetzungen in einer total vernetzten Welt. All das bildet die Cloud, letztlich die Techno-Sphäre, die unseren Planeten transformiert. Auf der unteren Ebene der weltweiten industriellen Produktion der Myriaden an Komponenten vollzieht sich eine Entwicklung der keine Grenzen gesetzt sind. Die Grenzen entstehen erst dann wenn die neuen Geräte in Umlauf sind und die technologischen Systeme etabliert sind und ihre Wirkungen entfalten. Meistens entstehen Wirkungen und Folgen, die vorher nicht absehbar waren. Danach setzt eine Regulierung mit Hilfe von verändertem Verhalten ein, erzwungen mit vielen neuen Gesetzen und neuen technischen Maßnahmen. Die exponentiell verlaufende Entwicklung führt zu dem Phänomen einer zunehmenden Unkontrollierbarkeit, kein Wunder denn die technischen systemischen Prozesse können überwiegend nur noch mit Hilfe von Computern und automatisierter Software gesteuert und reguliert werden. Sind wir nun trotz unserer Kreativität einer Entwicklung ausgesetzt, der wir nichts mehr entgegensetzen können? Die ausgesprochen negative Seite besteht in der Unfreiheit, in dem Zwang
    all das tun zu müssen und hinnehmen zu müssen, also z.B. die Nutzung bestimmter Geräte wie der eGK und der Hinnahme der Speicherung aller personen-beziehbaren Daten.. Die Beantwortung der Frage muss also Freiheit, echte Selbstbestimmung und Demokratie in Einklang bringen mit einer mächtigen revolutionären Technikentwicklung. Gleichzeitig muss anerkannt werden, dass die Technikentwicklung, Ausdruck eines natürlichen Potentials ist, eine Veranlagung des Menschen, das nicht gestoppt werden kann oder sollte. Die ideologischen Streitigkeiten an dieser Stelle können nicht wirklich geklärt werden, denn es gibt keine eindeutige Erkenntnis, die es erlauben würde eine ausreichend überprüfte Position hinzunehmen. Das heißt Befürworter der grenzenlosen Erfassung aller Daten wird es immer geben, wie auch Gegner, die alles konsequent ablehnen und keine Ausnahme zulassen wollen. Beide Parteien sind Teil der globalen Gesellschaft und beide müssen gleichauf in einer Demokratie berücksichtigt werden. Das heißt dass der Kampfprozess, die erbitterte Auseinandersetzung beider Parteien, nicht dazu führen darf, dass einer der beiden ideologischen Ausrichtungen zum allgemein gültigen Zustand für alle Menschen wird. Damit haben wir eine, im Grunde genommen, sehr einfache, verständliche und sinnvolle Ausgangsposition erreicht, denn es geht in der Konsequenz darum den Menschen die Wahlfreiheit zu lassen und sie nicht in eine bestimmte Richtung zu zwingen. Das nennt man Demokratie! Und exakt an diesem inhaltlichen Punkt versagt die technische Kreativität vollkommen, denn die Anlage der technologischen Komponenten und Systeme bietet diese echte Wahlfreheit nicht, denn sie ist nicht von vornherein integrierte Bestandteil. Sie wird weggelassen, denn ansonsten würde die persönliche und institutionelle Macht verloren gehen, die mit Hardware und Software geschaffen wurde. Die Aufgabe besteht also darin, bereits im Vorfeld der industriellen Produktion, in die technologischen Komponenten und Systeme die Demokratie konzeptionell und funktional zu integrieren. Damit entstehen neue Aufgaben, die ebenfalls Milliarden an Arbeitsstunden generieren und die technologische Entwicklung keinesfalls verhindern!

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