Ist das noch Sozialdatenschutz? Öffentliche Zustellung von Schriftstücken auf der Homepage des Jobcenter Rhein-Neckar-Kreis

Sozial-Datenschutz/ März 4, 2021/ alle Beiträge, Sozialdatenschutz/ 1Kommentare

Nach einem Bericht über eine entsprechende Praxis das Jobcenters im Lahn-Dill-Kreis (Hessen) hat sich eine weitere Beschwerdeführerin an die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main gewandt und mitgeteilt, dass sich auch das Jobcenter im Rhein-Neckar-Kreis (Baden-Württemberg) der gleichen Praxis bedient und auf seiner Homepage unter voller Nennung des Namens und der letzten bekannten Anschrift öffentliche Zustellungen nach § 10 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) vornimmt.

Quelle: Jobcenter Rhein-Neckar-Kreis

Die hinter den – hier anonymisiert wiedergegebenen – Namen hinterlegten pdf-Dokumente können völlig unproblematisch von allen daran interessierten Internet-Nutzer*innen kopiert, gespeichert und auf eigenen Kanälen weiter verbreitet werden.

Auf der Homepage des Jobcenters wird dazu erklärt: Gemäß § 10 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) können amtliche Dokumente durch öffentliche Bekanntmachung zugestellt werden, wenn der Aufenthaltsort des Empfängers unbekannt ist und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist oder eine Zustellung im Ausland nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht. Eine öffentliche Bekanntmachung ist auch im Rahmen der Veröffentlichung auf einer Webseite möglich. Das Jobcenter Rhein-Neckar-Kreis hat sich für eine Veröffentlichung auf dieser Webseite entschieden.

Tatsächlich lässt § 10 VwZG zu, dass die öffentliche Zustellung erfolgen kanndurch Bekanntmachung einer Benachrichtigung an der Stelle, die von der Behörde hierfür allgemein bestimmt ist, oder durch Veröffentlichung einer Benachrichtigung im Bundesanzeiger.“

  • Letzeres (Veröffentlichung im Bundesanzeiger) ist hier zweifelsfrei nicht der Fall.
  • Und ob das Jobcenter das WorldWideWeb als die Stelle wählen darf „die von der Behörde hierfür allgemein bestimmt ist“ darf bezweifelt werden.

Denn mit dem vom Jobcenter Rhein-Neckar-Kreis gewählten Verfahren werden sensible personenbezogene Daten

  • Vor- und Familienname,
  • letzte bekannte Anschrift und
  • die faktische Mitteilung, dass in der Vergangenheit Leistungen nach SGB II – „Hartz IV“ – bezogen wurden

ohne Einwilligung der Betroffenen und ohne gesetzliche Grundlage veröffentlicht, und das auch noch außerhalb des Geltungsbereichs der DSGVO . Weder die DSGVO, noch das VwZG oder die Sozialgesetzbücher I, II oder X ermächtigen zu dieser Verfahrensweise. Lediglich die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat in einer Weisung vom 23.12.2020 diese Verwaltungspraxis für ihre nachgeordneten Dienststellen (dazu zählen auch Jobcenter in gemeinsamer Trägerschaft von BA und kommunalen Trägern) formal legalisiert. Ob vor Erlass dieser Weisung die behördliche Datenschutzbeauftragte der BA oder der für die BA zuständige Bundesdatenschutzbeauftragte dazu angefragt wurde, geht aus der Weisung nicht hervor.


Im Übrigen ist mehr als eine Petitesse, dass sich das Jobcenter Rhein-Neckar-Kreis vom

“verantwortungsvollen Umgang mit Ihren Daten

spricht, aber bei den vier angezeigten Cookie-Kategorien Notwendig“, Präferenzen“, „Statistiken“ und Funktionale Cookies“ ausnahmslos die Zustimmung per voreingestellten Häkchen nutzt.


Die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main hat sich im Hinblick auf beide datenschutzrechtlich zweifelhafte Verfahrensweisen des Jobcenters im Rhein-Neckar-Kreis mit einer Anfrage an den Bundesdatenschutzbeauftragten gewandt, da dieser Aufsichtsbehörde für alle Jobcenter in gemeinsamer Trägerschaft von BA und kommunalen Trägern ist.

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