Hinweisgeberschutzgesetz: DGB hält geplanten Schutz von Whistleblower*innen für nicht ausreichend

WS/ August 2, 2022/ alle Beiträge/ 1Kommentare

Neue EU-weit geltende Regeln sollen den Schutz von Hinweisgebern (Whistleblowern) künftig einheitlich gestalten. Dies wurde im Oktober 2019 beschlossen. Die Mitgliedsstaaten müssen diese Regelungen in nationales Recht umsetzen. Mit den von der EU beschlossenen Regeln wird ein breites Spektrum an EU-Rechtsbereichen abgedeckt, unter anderem die öffentliche Auftragsvergabe, Finanzdienstleistungen, Geldwäsche, Produkt- und Verkehrssicherheit, nukleare Sicherheit, die öffentliche Gesundheit sowie den Verbraucher- und den Datenschutz.

Wer im beruflichen Kontext Rechtsverstöße aufdecken will, soll dafür künftig zwei Meldewege zur Verfügung haben. Er wird als Hinweisgeber vor Repressalien geschützt. Ein neues Hinweisgeberschutzgesetz soll Rechtsklarheit schaffen. Doch dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) geht der am 27.072022 veröffentlichte Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht weit genug.

Die Kernregelungen des Gesetzentwurfs:

  • Geschützt sein sollen alle Personen, die in ihrem beruflichen Umfeld Informationen über Rechtsverstöße oder missbräuchliches Verhalten erlangt haben und diese melden wollen (sog. Hinweisgeber).
  • Es sind zwei Meldewege für hinweisgebende Personen vorgesehen, die gleichwertig nebeneinanderstehen und zwischen denen hinweisgebende Personen frei wählen können. Dies sind zum einen interne Meldekanäle innerhalb des betroffenen Unternehmens oder der betroffenen Behörde, zum anderen externe Meldekanäle, die bei einer unabhängigen Stelle eingerichtet werden.
  • Hinweisgebende Personen werden bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen umfangreich vor Repressalien geschützt. Hierzu werden alle ungerechtfertigten Nachteile wie z. B. Kündigung, Versagung einer Beförderung, geänderte Aufgabenübertragung, Disziplinarmaßnahmen, Diskriminierung oder Mobbing gezählt, die eine hinweisgebende Person infolge einer Meldung oder Offenlegung erleidet.
  • Damit das neue Schutzsystem wirksam und funktionstüchtig sein kann, ist es unerlässlich, dass die Identitäten aller von einer Meldung betroffenen Personen weitgehend geschützt werden.
  • In bestimmten Notfällen oder wenn der Weg der externen Meldestelle versagt, sind Hinweisgeber befugt, mit ihren Informationen an die Öffentlichkeit zu gehen. Hierbei ist auf eine Gefährdung des öffentlichen Interesses abzustellen.

Der DGB begrüßt den Gesetzentwurf grundsätzlich als richtig, bemängelt aber, dass die Richtlinie dem deutschen Gesetzgeber mehr Potential geboten hätte, die strukturelle Unterlegenheit der Beschäftigten im Arbeitsverhältnis auszugleichen. Für uns ist klar: Wer den Mut hat, Missstände wie beispielsweise Gammelfleisch oder mangelnden Arbeitsschutz zu melden verdient Dank und Anerkennung, statt Repressalien und Nachteile befürchten zu müssen. Das muss ausdrücklich geregelt werden – schließlich sind solche Meldungen im gesamtgesellschaftlichen Interesse.“ – so DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel am 27.7.2022 .

Die Kritik des DGB am Gesetzentwurf der Bundesregierung:

  • Die Rechte der Gewerkschaften müssten in den Anwendungsbereich des Gesetzes aufgenommen werden.
  • Nicht umfasst vom Gesetz sind Verstöße gegen Beschäftigtenrechte, die ausschließlich privatrechtlich geahndet werden. Dazu zählen Verstöße gegen das Urlaubsrecht, gegen das Teilzeit- und Befristungsrecht sowie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Das ist misslich.
  • Auch die Verletzung der Mitbestimmungsrechte bzw. die Behinderung der betrieblichen Mitbestimmung sollten – so die Kritik – vollumfänglich und nicht nur eingeschränkt aufgenommen werden. Der Entwurf klammert Missstände aus, die von öffentlichem Interesse sind und keinen Gesetzesverstoß darstellen.
  • Erfasst werden sollten im Prinzip alle Verstöße oder Fehlverhalten, das im öffentlichen Interesse liegt. Auch anonyme Meldungen sollten nachverfolgt werden.
  • Die Schutzmaßnahmen – das Herzstück eines jeden Hinweisgeberschutzgesetzes – bleiben weitestgehend unreguliert. Der Gesetzentwurf sollte alle Diskriminierungen ein für alle Mal unterbinden.

 

1 Kommentar

  1. Auch Transparency International Deutschland hat kritisch zum Gesetzentwurf Stellung genommen.
    Hier:
    https://www.transparency.de/aktuelles/detail/article/kabinett-beschliesst-hinweisgeberschutz-gesetzentwurf/

    Zitat:

    Der Regierungsentwurf ist leider nur geringfügig besser als der erste Referentenentwurf von April. Der Bundestag wird hier noch einiges zu tun haben, damit das Gesetz am Ende tatsächlich seinem Anspruch gerecht wird, Whistleblower:innen umfassend zu schützen.

    Eine große Baustelle für die Beratungen im Bundestag sind anonyme Meldungen. Alle Unternehmen und Behörden müssten verpflichtet werden, anonymen Meldungen nachzugehen. Größere Unternehmen und externe Meldebehörden müssten darüber hinaus verpflichtet werden, anonyme Meldemöglichkeiten einzurichten. Dies ist im Gesetzentwurf nicht vorgesehen. Seltsam mutet an, dass im Entwurf nicht-anonyme Meldungen gegenüber anonymen Meldungen Vorrang genießen sollen, unabhängig von der Dringlichkeit…

    Die Parlamentarier:innen müssen außerdem den sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes noch deutlich ausweiten. Welche Meldungen geschützt sind und welche nicht, ist weder für potentielle Hinweisgebende noch Unternehmen verständlich oder plausibel. Das Gesetz muss daher sämtliche Rechtsverstöße sowie sonstiges Fehlverhalten, dessen Meldung bzw. Offenlegung im öffentlichen Interesse liegt, erfassen.

    Ein neuralgischer Punkt sind Verschlusssachen, die vom Whistleblower-Schutz vollständig ausgenommen sind. Möglich ist nur eine Meldung an eine interne Meldestelle, hier hat die Bundesregierung gegenüber dem ursprünglichen Entwurf ein klein wenig nachgebessert. Aber das reicht nicht, denn Whistleblower:innen brauchen gerade in diesem Bereich besonderen Schutz. Das zeigen prominente Beispiele wie Edward Snowden.

    Ohne weitere Verbesserungen drohen neue Unsicherheiten für Hinweisgebende und Unternehmen. Am Ende schadet ein lückenhafter Hinweisgeberschutz allen Bürger:innen, wenn Missstände nicht frühzeitig aufgedeckt und abgestellt werden und zu Skandalen heranwachsen können.

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