Gematische Dörfer oder die Verzögerungen beim Feldtest der elektronischen Gesundheitskarte
Es gibt die Geschichte von den Kulissen von Dörfern, die Feldmarschall Reichsfürst Grigori Alexandrowitsch Potjomkin 1787 im neu eroberten Neurussland errichten ließ, um Zarin Katharina II über den desolaten wahren Zustand der Gegend hinwegzutäuschen.
Es gibt die Geschichte der Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH, die immense Berge von Vorgaben erzeugt hat und weiterhin erzeugt und von einer sie umgebenden Industrie, die fleissig Attrappen von Geräten baut, die suggerieren sollen, dass man dabei ist, eine schöne neue Welt der digitalisierten Gesundheit zu errichten, in der den Untertanen, pardon, den Versicherten für weniger Geld bessere medizinische Leistungen bereit gestellt werden. Das alles ist natürlich nach dem Willen von Zar Hermann Gröhe qua Verordnung alles sicher, so dass die Untertanen vor lauter Glück nur jauchzen können.
Also alles bestens? Mitnichten, der Feldmarschall Gematik muss zerknirscht zugeben, dass der versprochene Termin, zu dem die Vernetzung für die elektronische Gesundheitskarte, die Telematikinfrastruktur, in Betrieb genommen werden soll, nicht gehalten wird. Dies war zwar schon am 20. Januar absehbar, als die Gematik vollmundig verkündete, dass der „Durchstich“ geschafft sei. Jemand, der die technische Komplexität des Projektes im Ansatz erahnen kann, konnte darin nur eine Durchhalteparole erkennen. Einerseits fehlte es der Gematik schlichtweg an qualifiziertem Personal, um die eigenen Ziele zu erreichen. Andererseits hat man sich möglicherweise mit dem größten IT-Projekt der Welt schlichtweg übernommen und muss sich die Frage gefallen lassen, ob das von Zar Gröhe verordnete Ziel, nämlich gesetzlich verordnete Sicherheit unserer Gesundheitsdaten, überhaupt möglich ist. Es muss nämlich ganz grundsätzlich bezweifelt werden, ob man in einem global zugänglichen Netz mit nationalen Gesetzen überhaupt etwas absichern kann.
Warum also lässt sich Gröhe immer weiter täuschen? Immerhin heißt es laut heise.de „in einem Schreiben der Projektgesellschaft Gematik an das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), der für das vierte Quartal geplante Feldtest in den Testregionen Nordwest und Südost könne frühestens im 1. Quartal 2016 beginnen„. Ein Sündenbock ist auch schon ausgemacht, „Die Industrie kann die benötigten Anschlussgeräte nicht termingerecht liefern.“ Immerhin
hat die KocoConnector AG schon seit Juni 2011 ihr eigenes Potemkinsches Dorf, die KoCoBox. Und jetzt plötzlich kann die Industrie nicht liefern?
Unserem Gesundheitsminister ist zu wünschen, dass er die Hybris der ihn umgebenden Berater erkennt und das Projekt Gematische Dörfer endgültig einstellt.
Links:
https://de.wikipedia.org/wiki/Potemkinsches_Dorf
http://www.heise.de/newsticker/meldung/Elektronische-Gesundheitskarte-Feldtest-muss-verschoben-werden-2763723.html?wt_mc=rss.ho.beitrag.atom
https://ddrm.de/2015/01/22/gematik-alles-nach-plan-bei-der-elektronischen-gesundheit/
https://ddrm.de/2015/03/17/egk-offene-stellen-bei-der-gematik/
https://ddrm.de/2015/06/24/hat-die-elektronische-gesundheitskarte-ein-datenschutzproblem/