Gegen die Überwachung durch den BND: Reporter ohne Grenzen und Gesellschaft für Freiheitsrechte klagen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

Datenschutzrheinmain/ März 18, 2025/ alle Beiträge, Polizei und Geheimdienste (BRD)/ 0Kommentare

Reporter ohne Grenzen (RSF) und die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) reichen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Beschwerde gegen das Gesetz über den Bundesnachrichtendienst (BND-Gesetz) ein. Damit reagieren die Organisationen auf ungenügende Reformen des Gesetzes, das den Schutz von Medienschaffenden nicht ausreichend berücksichtigt. RSF und GFF erwarten sich von der Entscheidung ein Grundsatzurteil, das nicht nur Auswirkungen auf die Rechtslage in Deutschland haben wird, sondern auch Strahlkraft in die anderen Mitgliedstaaten des Europarates.

Zu den weiteren Beschwerdeführenden gehören Medienschaffende und Menschenrechtsverteidiger aus Deutschland, der EU und dem Nicht-EU-Ausland, darunter Meron Estefanos (Schweden), Goran Lefkov (Nordmazedonien), Dragana Pećo (Serbien) und Kerem Schamberger (Deutschland). Auch die unabhängige Journalistin und frühere RSF-Stipendiatin Elif Akgül (Türkei) ist Beschwerdeführende. Sie sitzt seit Ende Februar 2025 wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei (PKK) in Untersuchungshaft. Sie streitet diesen Vorwurf ab und RSF fordert ihre sofortige Freilassung. Die Medienschaffenden arbeiten überwiegend investigativ und überregional, die meisten zu Korruption, Steuerbetrug, organisierter Kriminalität sowie Menschenrechtsverletzungen wie Folter, Menschenhandel und genozidaler Gewalt.

Das BND-Gesetz ermöglicht immer noch die umfassende Überwachung von Medienschaffenden, vor allem außerhalb Deutschlands, und gefährdet damit die Pressefreiheit. RSF wendet sich deswegen mit einer Beschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der das BND-Gesetz überprüfen soll. Auch die internationalen Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention zum Schutz der Presse- und Informationsfreiheit  müssen in Deutschland beachtet werden. Es gibt gravierende Schutzlücken, die geschlossen werden müssen“, sagt Anja Osterhaus, Geschäftsführerin von Reporter ohne Grenzen.

In Zeiten, in denen der Journalismus vor großen Herausforderungen steht, erwarten wir, dass Deutschland mit gutem Beispiel vorangeht und sich an die höchsten europäischen Prinzipien hält. Auch als EU-Mitgliedstaat, der durch das neue Europäische Medienfreiheitsgesetz (EMFA) gebunden ist, muss Deutschland eine ernsthafte Verbesserung des Rechtsschutzes anstrengen, um Journalisten vor unzulässiger Überwachung zu schützen. Wir appellieren an die deutschen Behörden, eine rasche rechtliche Anpassung im Einklang mit ihrer Verpflichtung zum wirksamen Schutz der Pressefreiheit und des Rechts auf Information vorzunehmen“, so Antoine Bernard, Direktor Advocacy und Nothilfe des internationalen Sekretariats von Reporter ohne Grenzen.

Nach Auffassung von RSF und GFF verletzt der deutsche Auslandsgeheimdienst mehrere Grund- und Menschenrechte gemäß der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Denn die Vorgaben im BND-Gesetz schützen nicht ausreichend vor Verletzungen von Artikel 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens), Artikel 10 (Informations- und Pressefreiheit) und Artikel 13 (Recht auf wirksame Beschwerde).

Medienschaffende in und außerhalb von Deutschland sind Überwachungsmaßnahmen ausgesetzt, die nicht den Anforderungen genügen, die der EGMR in seiner Rechtsprechung entwickelt hat: Danach muss die nachrichtendienstliche Aufklärung präzise bestimmbare Ziele haben und darf nur für bestimmte Zwecke genutzt werden. Vertraulichkeitsbeziehungen zwischen Medienschaffenden und ihren Quellen verlangen einen besonderen Schutz. Die erlangten Informationen darf ein Nachrichtendienst nur für konkrete Anlässe und eine begrenzte Zeit speichern. Wer vermutet, überwacht worden zu sein, muss eine effektive Möglichkeit haben, eine unabhängige Überprüfung zu verlangen. Das BND-Gesetz wird dem aber nicht gerecht. 

RSF und GFF hatten 2020 vor dem Bundesverfassungsgericht ein Urteil erstritten, das weite Teile der Auslandsüberwachung durch den BND für grundrechtswidrig erklärte und den Gesetzgeber verpflichtete, die Kommunikation ausländischer Medienschaffender besonders zu schützen. Darauffolgende Reformen des BND-Gesetzes verfehlten jedoch zum Teil klar die Maßgaben des Urteils und brachten neue verfassungswidrige Regelungen hervor. Ende 2022 haben RSF und GFF  mit insgesamt 20 Beschwerdeführenden erneut Verfassungsbeschwerde gegen das BND-Gesetz in Karlsruhe eingelegt. Da das Gericht diese Beschwerde – ohne Begründung – nicht zur Entscheidung angenommen hat, wenden sich RSF und GFF nun an den EGMR.

Weitere Informationen zu diesem Verfahren finden Sie auf der Homepage der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF).

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