Filmtipp: Oeconomia Diese Woche noch im Kino „Harmonie“ und „Mal seh’n“.

Uli Breuer/ Oktober 27, 2020/ alle Beiträge, Filmtip/ 0Kommentare

Von Andrea Wenzek

Carmen Losmanns Dokumentarfilm „Oeconomia“ begibt sich auf eine Reise in die strategischen Zentren des Banken- und Finanzsektors. Die Regisseurin fordert deren Akteur*innen mit einfachen Fragen heraus, und stößt nicht selten auf Zurückhaltung, gar Abwehr. Mit präziser Detektivarbeit macht sie die intransparenten Spielregeln des kapitalistischen Finanzsystems dennoch sichtbar – und spart den wichtigen Diskurs über eine neue Finanzwirtschaft nicht aus. Mitgliedern*innen von „Die Datenschützer Rhein Main“ (dDRM) ist dieser Film auf der diesjährigen Berlinale positiv aufgefallen. Mit den Bündnispartnern im IFiF (Initiative Finanzplatz Frankfurt am Main) veranstalteten dDRM nach einer Preview eine Diskussion, u. a. mit Protagonist*innen des Films.

 

 

Foto: Kino Mal seh’n

Diskussion am 14. Oktober im Mal seh’n: Norbert Häring, Redakteur Handelsblatt & Blogger, Dag Schulze, WiRschaft Usinger Land, Hans Möller (Moderation), Samirah Kenawi, Wirtschaftspublizistin, Marc Sierszen, Institut für systemische Wirtschaftsforschung

 

Oft verschließen sich die Türen für Losmann, so transparent sich die Geldhäuser und globalen Unternehmen in ihrer Glasarchitektur auch geben mögen. Drehgenehmigungen werden nicht erteilt und Meetings für die Kamera lediglich nachgestellt. Nicht wenige Verantwortungsträger*innen lehnen ein Gespräch ab oder möchten namentlich nicht genannt werden, die Filmemacherin behilft sich in diesem Falle mit nachgesprochenen Telefonprotokollen. Fachleute wie Peter Praet, ehemaliger Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), und Thomas Mayer, früherer Chefökonom der Deutschen Bank, sind jedoch bereit, sich Losmanns Fragen zu stellen. Von denen eine etwa lautet: „Wie entsteht Geld?“

Es stellt sich heraus, dass die Banknoten der EZB nur zehn Prozent des frisch erzeugten Geldes ausmachen. Vor allem private Geschäftsbanken schöpfen durch Vergabe von Krediten neues Geld. Man nennt es Buchgeld, da es nur virtuell auf den Konten existiert. Diese Geldschöpfung der Banken bleibt allerdings zeitlich begrenzt, denn mit der Tilgung von Schulden verschwindet das Buchgeld aus den Bilanzen und somit auch das Guthaben der Banken.

Es müssen also neue Schuldner*innen her. Handelt es sich um große Summen, spricht man etwas eleganter von „Investoren“. Schulden erweisen sich als eigentlicher Motor des neoliberalen Kapitalismus. Allerdings gibt es einen Haken, denn Banken gewähren Investoren nur Kredite, wenn sie mit ihren Projekten absehbar Profite erzielen. Ohne Gewinne von Unternehmen ist kein Wirtschaftswachstum möglich. Jetzt wird es für Losmann richtig interessant: sie möchte wissen, welches Verhältnis zwischen Wachstum, Verschuldung und Vermögenskonzentration besteht. Was für eine Rolle spielen Staatsschulden in diesem System? Und wohin führt das stetige Wirtschaftswachstum die Welt?

Wie bereits in Losmanns vielfach prämierten Debüt „Work Hard-Play Hard“ über die Optimierungsblüten in der „Schönen neuen Arbeitswelt“ fängt eine distanzierte Kamera die unterkühlte Architektur ökonomischer Machtzentren ein. Diesmal ist die Regisseurin hörbar als recherchierende Protagonistin in den gläsernen Büroräumen unterwegs. Ihre unverblümte Neugier lässt manche Interviewpartner*innen straucheln, sie können – oder wollen – das undurchsichtige globale Finanzsystem nicht adäquat erklären.

Der Film hält die Zuschauer*innen trotzdem bei Laune, auch weil er nach jeder neuen Erkenntnis mit computergenerierten Bildern das Abstrakte anschaulich und verstehbar macht. Für die nichtgewerbliche Bildungsarbeit ist Oeconomia deshalb zu empfehlen. Auch weil der Diskurs über eine neue Finanzwirtschaft nicht zu kurz kommt, schließlich droht das aktuelle Finanzsystem zusammenzubrechen. Losmann inszeniert diesen Diskurs auf ungewöhnlicher Bühne: Mitten auf der Frankfurter Geschäftsstraße „Zeil“ spielt eine Runde von kritischen Expert*innen „Money Maker“, das Brettspiel mit dem man anstatt Grund und Boden zu kaufen (Monopoly) sein eigenes Kreditgeld schafft. Zu den Expert*innen gehören: Wirtschaftspublizistin Samirah Kenawi, Dag Schulze, Physiker – Monneta; Marc Sierszen, Informatiker am Institut für systemische Wirtschaftsforschung; Lino Zeddies, Volkswirtschaftler – Monetative; Stefan Krause, Diplom-Informatiker und Manager; Elsa Egerer, Volkswirtschaftlerin – Plurale Ökonomik Universität Siegen.

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