Europaweiter Protest gegen Chatkontroll-Pläne der EU-Kommission

Datenschutzrheinmain/ November 10, 2022/ alle Beiträge, Beschäftigten- / Sozial- / Verbraucherdaten-Datenschutz, Chatkontrolle, Telekommunikations-Überwachung/ 0Kommentare

Die europäische Dachorganisation für Digitale Grundrechte EDRi (European Digital Rights) hat eine Kampagne gegen die Chatkontrolle gestartet. Unter dem Motto Stop Scanning Me! (Hört auf, mich zu scannen!) rufen EDRi und 13 Organisationen dazu auf, den Gesetzesentwurf der EU-Kommission abzulehnen. Die Stellungnahme des EDRi-Netzwerks ist hier online abrufbar.

Bei der sogenannten Chatkontrolle handelt es sich um einen Verordnungsvorschlag der EU-Kommission, welcher weitreichende Überwachungspflichten für Onlinedienste zu sämtlichen Inhalten privater und öffentlicher Kommunikation ihrer Nutzer.innen schaffen würde. Die Kommission begründet den Aufbau dieser Überwachungsinfrastruktur mit dem Kinderschutz. Die Verordnung würde massiv in die Grundrechte der gesamten europäischen Bevölkerung eingreifen und eine dystopische Überwachungsinfrastruktur etablieren. Statt tatsächlich den Schutz von Kindern, also Prävention und Opferschutz in den Mittelpunkt ihrer Maßnahmen zu stellen, setzt die Kommission auf einen technokratischen Ansatz, der Überwachung in demokratiegefährdendem Umfang ermöglicht.

Erst kürzlich ist auch der
wissenschaftliche Dienst des Bundestages zu dem Ergebnis gekommen, dass die vorgeschlagene Verordnung nicht mit europäischem Recht vereinbar wäre. Als „Fazit“ fassen die Gutachter des Bundestags zusammen: „Der Schutz vor sexuellem Missbrauch an Minderjährigen im Internet wird immer wichtiger… (es) ist jedoch fraglich, ob der aktuelle Verordnungsentwurf für das bezweckte Vorhaben überhaupt einen Mehrwert darstellt. Vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung des EUGH zur Vorratsdatenspeicherung ist davon auszugehen, dass an die Verordnung 2022/0155 (COD) hohe Anforderungen zu stellen sind und der Verordnungsentwurf in seiner aktuellen Fassung so nicht in Kraft treten dürfte. Es erscheint unwahrscheinlich, dass eine grundsätzliche Überwachung von Individualkommunikation der Überprüfung der (europäischen) Grundrechte standhalten würde. Zudem wäre eine Ausweitung der Überwachung auch auf andere Bereiche möglich und zu befürchten. Ausgehend von den genannten Aspekten und Problemen, sieht der aktuelle Verordnungsentwurf unverhältnismäßige Eingriffe in die geprüften Grundrechte der GRCh vor. Zudem sind bislang viele Fragen und Anforderungen an die Chatkontrolle, insbesondere das konkrete Verfahren im Hinblick auf Ende-zu Ende verschlüsselte Dienste, noch offen geblieben und bedürfen der Klärung…“ (Studie, S. 19)

In Deutschland wendet sich das Bündnis Chatkontrolle STOPPEN!, koordiniert von der Digitalen Gesellschaft, Digitalcourage und dem Chaos Computer Club, gegen das Überwachungspaket der EU-Kommission. Das Bündnis Chatkontrolle STOPPEN! erklärt: „In der gesamten europäischen Union manifestiert sich der Protest gegen die Chatkontrolle der EU-Kommission. Die Bundesregierung muss den Überwachungsplänen der Von-der-Leyen-Kommission endlich eine eindeutige Absage erteilen und darf sich nicht länger um eine klare Positionierung winden.“

Weitere Informationen finden sich auf der europäischen und auf der deutschen Website der Kampagne:

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