Erfahrungen aus dem Kampf gegen polizeiliche Videoüberwachung in Köln
Die Polizei hat in den letzten Jahren in Köln in immer größerem Umfang Videoüberwachung ausgerollt. Gegen die Kameras, die Plätze und Kieze überwachen, wehrt sich die Initiative Kameras stoppen. Mit Erfolg: Ein erstes Urteil des Verwaltungsgerichts schränkte die Videoüberwachung ein. Netzpolitik.org sprach kürzlich mit Calvin Baus, der auf dem Klageweg gegen Kameraüberwachung kämpft.Dieser erklärte u.a.:
- „Es sind wirklich dicke Bretter, die wir bohren. Wir haben insgesamt über 1.500 Seiten schriftsätzliches Material, ich glaube, das sind über zehn Leitz-Ordner. In der Silvesternacht in Köln von 2015 auf 2016 gab es viele Missbrauchsübergriffe im Bereich um den Dom. Die Polizei aus Köln und aus Nordrhein-Westfalen hat versagt darin, rechtzeitig die passenden Maßnahmen einzuleiten, um die Leute zu schützen oder sich darum zu kümmern, dass die Übergriffe gestoppt werden. In der Folge der Aufarbeitung gab es dann den Willen: Jetzt müssen wir was machen. Dann wurden einige Maßnahmen beschlossen. Eine davon ist zum Beispiel die Videoüberwachung, die nochmal konkreter ausgebaut wurde: an der Vorderseite des Kölner Hauptbahnhofs. Da ist dann die Videoüberwachung im März 2016 gebaut worden…
- Nachdem die Videoüberwachung dort ausgebaut war, wurden weitere Plätze mit Kameras ausgestattet. Dazu gehört die Kölner Party-Szene auf den sogenannten Ringen. Später wurde die Videoüberwachung auch gegen die Drogenkriminalität in Stellung gebracht. Deshalb wurde sie auf dem Ebertplatz und dem Neumarkt weiter ausgebaut. Noch später ging der Ausbau weiter mit dem Wiener Platz in Köln. Das war für uns eine Überraschung, weil das ein Platz ist, der außerhalb vom Innenstadtbereich ist. Die letzte Ausweitung geschah dann letztes Jahr in Kalk. Die Videoüberwachung in Kalk ändert die Dimension, weil auch ein Wohnviertel betroffen ist…
- Das Viertel, in dem die Videoüberwachung ausgebaut wurde, hat soziale Probleme. Man sieht auch einige Obdachlose dort im Straßenbild. Es gibt Drogenkriminalität, das ist auch bekannt in Köln. Sie haben die Videoüberwachung allerdings deutlich über diese Hotspots hinaus ausgeweitet, auch in den nächsten Stadtteil Humboldt-Gremberg hinein. Das ist mit Kriminalitätsbekämpfungsmaßnahmen nicht zu begründen und einfach nicht sinnvoll…“ Hier werden Parallelen zur Situation im Frankfurter Bahnhofsviertel deutlich. Dort will die hessische Landesregierung mit Repression und Videoüberwachung den zweifelsfrei vorhandenen Problemen begegnen.
- Weiter mit Calvin Baus: „Die Videoüberwachung wird als Allheilmittel angesehen. Wir versuchen hingegen, juristisch grundsätzliche Dinge feststellen zu lassen. Es geht ja um Grundrechte, also das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, aber auch das Recht auf freie Meinungsäußerung, insbesondere in Bezug auf Versammlungen. Die Idee hinter unseren Klagen ist, dass wir unsere Grundrechte stärken…“
- Zur Frage „Wie macht man eigentlich so eine Klage?“ erklärt er: „Wenn es um Wohngebiete geht, ist es sinnvoll, die passenden Betroffenen zu finden. Aber bei uns fing es ja schon vor dem Ausbau in die Wohngebiete an. Es ging anfangs vor allem um Hauptbahnhof und die Gebiete um den Dom. Der Kläger ist politisch aktiv, nimmt an Versammlungen teil. Er hat sich einfach von der Videoüberwachung gestört gefühlt, da Versammlungen gern am Hauptbahnhof und am Dom vorkommen, und sich entschieden, dagegen vorzugehen, auch damit der Ausbau nicht weiter eskaliert. Man braucht verschiedene Mittel, um sowas stemmen zu können. Da ist natürlich immer die Frage des Finanziellen, weil Klagen Geld kostet. Man muss Rechtsbeistände finden und bezahlen, man muss die Gerichte bezahlen. Es hilft, gute Kontakte in lokale aktivistische Gruppen zu haben, die einen dabei unterstützen.“
Ein insgesamt sehr informativer Beitrag für alle, die sich politisch und juristisch mit der überbordenden Videoüberwachung des öffentlichen Raums auseinandersetzen.