Ein kleiner Sieg: Krankenkasse muss nach Ausstellung einer elektronischen Gesundheitskarte (eGk) die Fotodaten löschen

Datenschutzrheinmain/ Dezember 1, 2015/ alle Beiträge, Telematik-Infrastruktur/ 5Kommentare

Ein Mainzer, Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse, hat nach Ausstellung der eGk seine Krankenkasse aufgefordert, dieses Foto zu löschen. Die Krankenkasse verweigerte sich dieser Forderung. Der Mann klagte vor dem Sozialgericht Mainz. Und dieses Gericht entschied am 01.12.2015, dass eine gesetzliche Krankenkasse das Foto eines Versicherten nach der Erfassung seiner Daten datenschutzgerecht vernichten muss. Das Urteil mit dem Aktenzeichen S 14 KR 477/15 ist noch nicht veröffentlicht.

In einem Bericht auf heise.de wird der Kläger zitiert mit den Worten: “Ich habe 30 Jahre lang in der IT gearbeitet… Ich weiß, was man mit Daten alles machen kann.” Und zu den Gründen für die Entscheidung zitiert heise.de den Vorsitzenden Richter der 14. Kammer, der erklärte, er habe zwischen dem bürokratischen Aufwand für die Krankenkasse und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Klägers abwägen müssen.

 

IMG_0001_13Bei einer Demonstration am 30.05.2015 in Frankfurt

Inwieweit dieses Urteil Auswirkungen auf Dritte und auf die Auseinandersetzung um die eGk und die telematische Infrastruktur im Gesundheitswesen haben wird, ist derzeit noch nicht zu erkennen. Trotzdem ist Freude erlaubt,

  • dass Versicherte, die Wert legen auf den Schutz ihrer persönlichen Daten, in der Auseinandersetzung mit der Phalanx aus Politik, Krankenkassen und IT-Industrie auch (kleine) Erfolge erringen können und
  • dass es Richter gibt, die genau hinsehen und sich ein eigenes Urteil zu Rechtsnormen und Sachverhalten bilden.

Update 03.12.2015

Offensichtlich sind wir, aber auch heise.de und andere Medien einer Falschinformation aufgesessen. In einer Pressemitteilung vom 01.02.2015, veröffentlicht am 02.12.2015 auf der Homepage des Sozialgerichts Mainz, ist u. a. zu lesen:

“Das Sozialgericht Mainz hat am 1. Dezember 2015 darüber verhandelt, ob eine Krankenkasse das Passbild eines Versicherten nach Erstausstellung der Gesundheitskarte gegen dessen Willen dauerhaft speichern darf. Das Lichtbild ist für die elektronische Gesundheitskarte vorgesehen. Zu einer Entscheidung kam es nicht, da sich Krankenkasse und Kläger in der Verhandlung auf eine Löschung des Fotos des Klägers geeinigt haben.

Dieser außergerichtliche Vergleich entfaltet über den Einzelfall hinaus keinerlei rechtliche Wirkung.

5 Kommentare

  1. Und wer und wie soll denn dann nachweislich kontrolliert und sichergestellt werden, dass die betreffende Kassenkasse das Foto tatsächlich gelöscht hat resp. löschen lassen und dass es nicht auf irgendeinem Server z.B. bei Bertelsmann/arvato und somit auch bereits dann in den USA oder sonst wo gelandet ist?

    Einmal durchs Netz geschickt. lösen sich die/se digitalen Spuren doch nicht auf ….

  2. Das wäre doch ein Anlass für die Erstellung eines neuen Musterbriefs gemäß des Originals auf diversen (Partner-)Seiten oder ist das Original sogar zugänglich?

    Viel größere “Baustellen” sind bekannt, aber keiner tut etwas!
    Vielleicht aktiv werden, wenn im Dezember ein neues Verbandsklagerecht verabschiedet wird.
    Dann sind Datenschutzklagen z.B. durch die Verbraucherzentralen möglich.

    https://fragdenstaat.de/anfrage/pruf-und-kontrollberichte-bei-gesetzlichen-krankenkassen/
    https://fragdenstaat.de/files/foi/29094/20150624antwort-bfdi.pdf

  3. Ganz so, wie von Euch berichtet, scheint es doch nicht zu sein. Das Sozialgericht hat nach einer seriösen Meldung über den Fall nicht entschieden. Das Portal beck-aktuell Nachrichten meldet heute:
    Im konkreten Fall kam es allerdings nicht mehr zu einer Entscheidung, weil sich Krankenkasse und Kläger in der Verhandlung auf eine Löschung des Fotos des Klägers geeinigt hatten.
    Also eine außergerichtliche Einigung von Klägern und Beklagten. Und die wirkt nun mal lediglich für diesen Einzelfall.
    Wer die beck-Meldung in voller Länge lesen möchte:
    http://rsw.beck.de/aktuell/meldung/sg-mainz-krankenkasse-darf-foto-fuer-elektronische-gesundheitskarte-dauerhaft-speichern

  4. Foto auf elektronischen Gesundheitskarte – Ausnahmegründe

    Das Ausnahmekriterium “aus religiösen Gründe” findet sich auf immer weniger offiziellen Seiten
    (beim Bundesministrium für Gesundheit bzw. Krankenkassen);
    Ob diese Information wohl systematisch entfernt wird?

    Zitat:
    Ausnahmen vom Lichtbild gibt es lediglich für Jugendliche bis zum 15. Lebensjahr und für Versicherte, die bei der Erstellung des Lichtbildes nicht mitwirken können, wie z.B. pflegebedürftige immobile Patientinnen und Patienten. Die Bereitstellung eines Lichtbildes für die Ausstellung der elektronischen Gesundheitskarte gehört zu den Mitwirkungspflichten der Versicherten, wenn keiner der genannten Ausnahmegründe vorliegt.
    http://bmg.bund.de/themen/krankenversicherung/e-health-initiative-und-telemedizin/fragen-und-antworten.html#c14611

  5. Überprüfbare Nachweise für die Notwendigkeit einer Gesundheitskarte mit Foto
    existieren überhaupt nicht!

    Zitat:
    Offizielle oder gar bundesweite Untersuchungen und Zahlen (Anm.: zur missbräulichen Verwendung der Krankenversichertenkarten in der gesetzlichen Krankenversicherung) liegen der Bundesregierung dazu nicht vor.

    https://fragdenstaat.de/anfrage/gesundheitskarte-im-onlinebetrieb-mittels-telematikinfrastruktur-laufende-kosten/

    Darin das Antwortschreiben des BMG:
    https://fragdenstaat.de/files/foi/35396/KevinMllerII_geschwaerzt.pdf

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