Ein Flugzeugabsturz, die ärztliche Schweigepflicht und der Schutz der Patientendaten

Datenschutzrheinmain/ März 30, 2015/ alle Beiträge, Beschäftigtendatenschutz, Gesundheitsdatenschutz/ 6Kommentare

Dass beim Absturz eines Flugzeugs von Germanwings 150 Menschen den Tod fanden, ist tragisch für die Opfer und für ihre Angehörigen und FreundInnen. Ihnen gegenüber bringen viele Menschen in Deutschland, Frankreich und Spanien ihr Mitgefühl und ihre Solidarität zum Ausdruck.

Dass die Ursache dieses Absturzes möglicher Weise in einer psychischen Erkrankung eines Piloten und einem dadurch ausgelösten Fehlverhalten liegt, verstärkt die Tragik des Ereignisses. Dass durch die mögliche Ursache auch Fragen aufgeworfen werden wie künftig Unfälle im Verkehrswesen vermieden werden können, die in einer krankheitsbedingten Berufsuntauglichkeit oder Arbeitsunfähigkeit der Menschen am Steuer ihre Ursache haben, ist normal und verständlich. Aber die unter Politikern aufgekommene Diskussion über eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht im Verhältnis zwischen ÄrztInnen, ArbeitnehmerInnen und Unternehmen schießt weit über das Ziel hinaus und würde den Schutz sensibler Gesundheitsdaten im Beschäftigungsverhältnis gefährden.

„Piloten müssen zu Ärzten gehen, die ihnen vom Arbeitgeber vorgegeben werden. Diese Ärzte müssen dann gegenüber dem Arbeitgeber und dem Luftfahrtbundesamt von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden sein“, sagte der CDU-Verkehrspolitiker Dirk Fischer (MdB) gegenüber der Rheinischen Post. Und der SPD-Gesundheitspolitiker (MdB) Karl Lauterbach erklärte gegenüber BILD: Wenn Leib und Leben anderer Personen gefährdet seien, „ist der Arzt verpflichtet, den Arbeitgeber über die Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters zu informieren!“ Lauterbach weiter: „Dies gilt ganz besonders im Fall psychischer Erkrankungen und einer möglichen Selbstmordgefahr.“

Ärztliche Schweigepflicht und Schutz der Patientendaten nicht auf dem Altar des Populismus und der schnellen Effekthascherei opfern!

Was hier in populistischer Anbiederung für Piloten verlangt wird, lässt sich schnell auch auf andere Berufsgruppen ausdehnen, nicht nur im Verkehrsbereich. Den Herren Fischer und Lauterbach daher sei ein Blick in die bislang geltenden Rechtgrundlagen für die Arbeitsmedizin empfohlen:

  • Im Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (ASIG)  und
  • im Leitfaden der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) für Betriebsärzte zu arbeitsmedizinischen Untersuchungen

sind die Regularien festgehalten, die dazu dienen sollen, dass Menschen im Arbeitsleben weder sich noch andere Menschen durch ihre Berufsausübung gefährden (können). Hier im Einzelfall nachzujustieren, ggf. Untersuchungen für einzelne Berufsgruppen neu einzuführen oder einzelne Untersuchungen in kürzeren Zeiträumen als bisher durchzuführen – darüber muss Nachdenken erlaubt sein. Und wenn es sinnvoll oder notwendig erscheint, müssen diese Regelungen auch verändert werden. Aber die ärztliche Schweigepflicht von BetriebsärztInnen oder gar aller ÄrztInnen in Frage zu stellen, wie das die Herren Fischer und Lauterbach jetzt in populistischer Eilfertigkeit tun, muss auf entschiedenen Widerspruch stoßen.

In den Empfehlungen der Bundesärztekammer zur ärztlichen Schweigepflicht (Deutsches Ärzteblatt, Heft 21 (23.05. 2014), Seite A 964) sind zudem Regelungen zu diesem Problemkreis enthalten: „Liegt weder eine gesetzliche Befugnis noch eine Einwilligung zur Offenbarung patientenbezogener Daten vor, kann dennoch ausnahmsweise eine Offenbarung gegenüber Dritten zulässig sein. Grundsätzlich kommen solche Ausnahmen in Betracht, wenn das Vertrauen in die ärztliche Schweigepflicht gegenüber anderen Rechtsinteressen zurücktritt (Notstand gemäß § 34 StGB)… Ebenso kann die Schweigepflicht zurücktreten, wenn es um die Abwendung besonders schwerer Verbrechen geht (vgl. § 138 StGB).“

Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung sind sowohl im Arbeitsalltag als auch in der Beziehung zwischen ÄrztInnen und PatientInnen ein hohes und schützenswertes Gut. Dem Präsidenten der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, ist deshalb zuzustimmen, wenn er in der Debatte um die ärztliche Schweigepflicht in sicherheitssensiblen Berufen vor vorschnellen politischen und rechtlichen Entscheidungen warnt. Die ärztliche Schweigepflicht ist ebenso wie das verfassungsrechtlich geschützte Patientengeheimnis ein hohes Gut und für alle Bürgerinnen und Bürger in Deutschland ein Menschenrecht, erklärte Montgomery.

6 Kommentare

  1. So wie Karl Lauterbach hier zitiert wird, muss ich ihm allerdings schon zustimmen. Er hat hier wohl explizit gesagt: „Wenn es um Leib und Leben anderer Personen geht,“ und „ist der Arzt verpflichtet, den Arbeitgeber über die Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters zu informieren!“

    Das heißt für mich, dass der Arzt verpflichtet ist oder werden soll, den Arbeitgeber von sich aus darüber zu informieren, dass eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Das darf natürlich nicht so weit gehen, dass der Arzt dem Arbeitgeber auch die Diagnosen mitteilt oder mitteilen muss. Sprich, der sowieso für den Arbeitgeber gedachte gelbe Schein wird also vom Arzt nicht über den Umweg des Patienten, sondern direkt an den Arbeitgeber geschickt. Ich weiß nicht, ob das in solchen speziellen Fällen wirklich ein Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht wäre.

  2. Hallo Heiko,
    ich halte es da lieber mit der Bundesärztekammer als mit Prof. Dr. Karl Lauterbach und Konsorten. Immerhin ist Herr L. nicht nur MdB mit Schwerpunkt Gesundheitspolitik, sondern auch Mediziner. Als solcher müsste er die Regelungen der Bundesärztekammer zur Ärztlichen Schweigepflicht (und zu den Ausnahmen davon, die im Beitrag zitiert sind) kennen. Die Regelungen sind klar und für mich nachvollziehbar und zu akzeptieren. Sie setzen aber voraus, dass ein Arzt hinreichend präzise Kenntnissse über akute Gefahren (§ 34 StGB – Rechtfertigender Notstand) oder beabsichtigte schwere Straftaten (§ 138 StGB – Nichtanzeige geplanter Straftaten) hat.
    Schon der frühere SPD-Kanzler Gerhard Schröder hat sich nicht entblödet und sich im BILDerblatt populistisch präsentiert, um den eigenen Marktwert zu erhöhen. Und wer, wie Herr L., zu der ekligen und jede gebotene Zurückhaltung über das Unglück aufgebenden Meinungsmache von BILD schweigt, dieses Forum aber für sich nutzt, darf Populist genannt werden.

  3. Ich finde es ganz und gar nicht richtig, dass hier die persönlichsten Krankheitsdaten in die Öffentlichkeit gebracht werden.
    Schon im Februar wurde auf einer Datenschutzveranstaltung davon gesprochen, dass im Sinne der eGK die ärztliche Schweigepflicht gelockert werden müßte. Da kommt unseren Politikern dieses Ereignis doch gut zu pass.

  4. Seht mal hier nach:

    http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/enthuellungen/gerhard-wisnewski/germanwings-absturz-der-moerder-ist-wieder-mal-der-tote.html;jsessionid=03249A58A06B5A4E71489EB53E992247

    Da werden die RICHTIGEN Fragen gestellt. (auch wenn der Kopp-Verlag für die „Qualitätsmedien“ als „pfui“ gilt.

    Der Ablauf solcher oder ähnlicher Ereignisse sind stets ähnlich und „der Mörder ist immer der Tote“.
    Wenn der Sinn des Absturzes ein ganz anderer als der offizielle war, gibt das Ganze durchaus einen Sinn. (ein angenehmer Nebeneffekt ist z. B. ein weiterer Mosaikstein zur Abschaffung der ärztlichen Schweigepflicht / Aufweichung des Datenschutzes, wie es ja mit der eGK schon massiv versucht wird.)

    Aber lest selbst und macht euch eure eigenen Gedanken dazu.

    Susi

  5. Kurz und das Wesentliche aussagend hat der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Montgomery zu der unsäglichen Debatte unter profilierungssüchtigen Politfuzzis Stellung genommen:
    “Ärzte dürfen jedoch Auskunft geben, wenn sie von der Schweigepflicht entbunden worden sind oder soweit die Offenbarung zum Schutze eines höherwertigen Rechtsgutes vor schweren Schäden erforderlich ist, etwa wenn ein Patient gegenüber seinem Arzt konkrete Absichten äußert, schwerste Straftaten zu begehen. Wann dies den Bruch der Schweigepflicht rechtfertigt, kann nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls unter Zugrundelegung der Vorschrift des § 34 StGB über den rechtfertigenden Notstand entschieden werden. Wir können aber davon ausgehen, dass das Interesse an der Abwehr konkreter Gefahren für Leib, Leben oder Gesundheit höherwertig ist gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse des Patienten. Allerdings ist ein Arzt auch insoweit erst dann zur Offenbarung von Informationen berechtigt, wenn er ganz konkrete Anhaltspunkte hat, dass der Patient eine entsprechende Gefahrensituation herbeiführen wird… Erforderlich ist in beiden Fällen jedoch, dass der Arzt vorher auf den Patienten ohne Erfolg eingewirkt hat, um ihn von der Herbeiführung der Gefahrensituation abzuhalten.“ (http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=3.71.12545.12630.12686).
    Dem ist nichts hinzuzufügen.

  6. Komische Debatte, dabei ist die Lösung ganz einfach:

    Wenn ein Arzt einen Patienten krank schreibt, informiert er automatisch,
    so wie ja auch über die ‚Zettelwirtschaft‘ gedacht Arbeitgeber und Krankenkasse.
    Natürlich nach aktuellem Stand der Technik sondern online, verschlüsselt, Prozess sicher und verlässlich.
    Das für jeden Beruf für Jede Arbeit.

    Die Schweigepflicht ist davon unberührt, bzw. einfach so wie bisher, d.H. der Arbeitgeber bekommt keine
    Diagnose, die Krankenkasse nur Buchungsstechnische Informationen,
    genau die selben Informationen wie bisher unzuverlässig über die Zettelwirtschaft übermittelt.

    Mit so etwas kann ja wohl jeder ‚leben‘ zumal für den Patienten auch noch die Aufgabe entfällt
    die Zettel zu verteilen, was grundsätzlich als unzuverlässig einzustufen ist.
    Das hätte dann im auslösenden Fall schon gereicht das Unglück zu verhindern
    weil es mit Sicherheit eine Anweisung der Firma geben würde krank geschriebene Piloten nicht fliegen zu lassen. Vermutlich würde man krank geschriebenes Personal grundsätzlich nicht arbeiten lassen,
    was ja auch der Sinn einer Kranschreibung ist.

    Fazit:
    Zettelwirtschaft abschaffen und durch verlässliche Informationsübertragung ersetzten.
    Schweigepflicht beibehalten, nur traurig dass man diese Schwäche im Prozess nicht schon vorher erkannt und gelöst hat und selbst jetzt die einfache Lösung nicht erkennt,
    bzw. durch andere Diskussionen verschleiert.

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