Die uneinsichtige Kita-Leitung – oder: Festhalten an illegaler Videoüberwachung kann teuer werden

CCTV-NeinDanke/ Januar 16, 2023/ alle Beiträge, Videoüberwachung/ 0Kommentare

Das Landgericht Berlin hatte im Sommer 2022 in einem Rechtsstreit zu entscheiden, bei dem es um die Videoüberwachung eines von Wohnungsmieter*innen und einer Kindertagesstätte gemeinsam genutzten Fläche in dem Gebäudekomplex hing.

Was ging der Gerichtsentscheidung voraus?

Der Kläger ist Mieter in einem Mehrfamilienhaus. Dort wohnt er mit seiner Frau und zwei Kindern. Die Beklagte betreibt eine Kindertagesstätte im selben Haus. Auf dem Grundstück gibt es eine umzäunte Außenfläche, auf der sich Spielgeräte, Bänke und ein Sandkasten befinden. Das Gelände kann über eine Treppe von der Tiefgarage aus betreten werden; die Tür ist nicht verschlossen. Im Gewerbemietvertrag, den die Beklagte abgeschlossen hat, ist vereinbart, dass sie die Hoffläche als Spielplatz umbauen und nutzen darf. Die Nutzung des Kinderspielplatzes müsse auch für die im Haus wohnenden Kinder tagsüber möglich und gestattet sein. Nach Auskunft des Hausverwalters sind die Mietparteien berechtigt, den Innenhof samt Spielplatz zu nutzen. Im März 2017 installierte die Beklagte in den Räumen der Kita eine Kamera, die auf den Innenhof gerichtet war und bei Wahrnehmung von Bewegungen Aufzeichnungen machte. Der Kläger mahnte die Beklagte ab, behauptete eine rechtswidrige Videoüberwachung, forderte deren Einstellung und die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Mangels Reaktion reichte er Klage vor dem Amtsgericht ein. Das Amtsgericht verurteilte die Beklagte, es zu unterlassen, den Innenhof ohne Zustimmung des Klägers zu filmen, sowie die Kamera zu beseitigen und gespeicherte Daten zu löschen. Das Urteil ist rechtskräftig.
Darüber hinaus hat der Berliner Datenschutzbeauftragte hat die Beklagte (bestandskräftig) verwarnt.
Der Kläger behauptet, er habe sich überwacht gefühlt. Er sei in seiner Freiheit und Unbeschwertheit beeinträchtigt gewesen, habe sich zurückgezogen und ohnmächtig gefühlt. Den Hof habe er während der Videoüberwachung nicht mehr nutzen können. Mit der Klage vor dem Landgericht beantragte er daher Schadensersatz für die entgangene Nutzung des Innenhofes sowie Schmerzensgeld wegen des Überwachungsdruckes.

Wie entschied das Landgericht Berlin?

Der Kläger kann Schadensersatz wegen Verstößen gegen sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung und die Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verlangen. Die Haftung folgt… § 823 Abs. 1 analog BGB in Verbindung mit dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 1, 2 GG) und § 823 Abs. 2 in Verbindung mit § 6b Bundesdatenschutzgesetz a.F., ab dem 25.5.2018 bis einschließlich November 2019 direkt aus Art. 82 der DSGVO. Mit der Überwachung der Außenfläche des Grundstücks… und Aufnahme, Speicherung und Benutzung der Daten beeinträchtigte die Beklagte das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung… Dieser Eingriff war rechtswidrig. Weder § 6b Abs. 1 S. 2 oder 3 des Bundesdatenschutzgesetzes a.F. noch Art. 6 der Datenschutz-Grundverordnung erlaubten den Eingriff… Der Innenhof stellt einen öffentlich zugänglichen Raum dar…“

Das Landgericht kam in seinem Urteil zum Ergebnis, dass die Interessen des Klägers überwiegen. Sein Allgemeines Persönlichkeitsrecht war erheblich beeinträchtigt, weil er nicht nur befürchten musste, sondern aufgrund der Beschwerden über sein Verhalten auch annehmen musste, dass er jedes Mal beobachtet wird, wenn er den Bereich im Innenhof betritt, auf den die Kamera ausgerichtet war. Das wog umso schwerer, als es sich bei den beobachteten Flächen um einen Rückzugsbereich handelte, der von der Straße aus nicht einsehbar ist und in dem der Kläger und seine Kinder Freizeit verbringen durften. Er war neben seinen Kindern berechtigt, den Kinderspielplatz zu nutzen… Die rechtswidrige Videoüberwachung hat zu einem Schaden geführt… Rechtsfolge ist die Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz gemäß § 249 BGB bzw. Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Gegen die Berechnung des materiellen Schadensersatzes auf Grundlage der geschuldeten Miete und der Einschränkung der Gebrauchstauglichkeit bestehen keine Bedenken…“

Das Urteil des Landgerichts Berlin vom 15.07.2022 (Aktenzeichen: 63 O 213/20) ist im Wortlaut veröffentlicht.

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