Die Stadt Frankfurt, die Informationsfreiheit und die Transparenz der öffentlichen Verwaltung – oder: Gescheitert am eigenen Anspruch?

Transparenz/ Februar 18, 2023/ alle Beiträge, Informationsfreiheit / Transparenz, Regionales/ 0Kommentare

In ihrem Koalitionsvertrag vom Mai 2021 haben die Fraktionen von Grünen, SPD, FDP und Volt vereinbart, für Frankfurt “eine kommunale Informationsfreiheits- und Transparenzsatzung im Sinne der Datensouveränität als rechtssichere Grundlage der Herausgabe von nicht personenbezogenen öffentlichen Daten“ zu schaffen. Und weiter: „Wir lassen uns dabei von dem Gedanken leiten, möglichst viele Daten öffentlich verfügbar zu haben…“ sowie „Wir setzen uns dafür ein, dass allgemeine, nicht-personenbezogene Daten, die von der Stadt erfasst werden… einfach und digital öffentlich zugänglich gemacht werden.

Und in einem am 09.12.2021 mehrheitlich von den Stadtverordneten beschlossenen Antrag der Koalitionsfraktionen wird gefordert: „Möglichst viele Daten öffentlich verfügbar zu haben – eine kommunale Informationsfreiheits- und Transparenzsatzung für Frankfurt!“. Der Magistrat wird damit beauftragt, „der Stadtverordnetenversammlung den Entwurf einer kommunalen Informationsfreiheitssatzung im Sinne der Datensouveränität als rechtssichere Grundlage der Herausgabe von nicht personenbezogenen öffentlichen Daten vorzulegen“.

Formulierungen, die erhoffen ließen, dass eine Frankfurter Informationsfreiheits- und Transparenzsatzung mehr sein könnte, als das, was – mehr als unzureichend – in den §§ 80 – 89 HDSIG geregelt ist. Diese Hoffnung hat der Magistrat der Stadt Frankfurt enttäuscht!

Mit dem Vortrag des Magistrats vom 10.02.2023, M 24 Betreff: Informationsfreiheitssatzung wurde den Stadtverordneten der Entwurf einer Informationsfreiheitssatzung vorgelegt. Dieser beschränkt sich in seiner Ausgestaltung aber lediglich darauf, die §§ 80 – 89 HDSIG für den Zugang zu amtlichen Informationen aus dem eigenen Wirkungskreis der Stadt Frankfurt am Main (für) anwendbar“ zu erklären. Sollten die Stadtverordneten – insbesondere aus den Koalitionsfraktionen von Grünen, SPD, FDP und Volt – dem Satzungsentwurf des Magistrats ohne Veränderung zustimmen, würden sie die im Koalitionsvertrag vom Mai 2021 und im Stadtverordnetenbeschluss vom Dezember 2021 formulierten Positionen in die Tonne treten.

Eine erste Bewertung des Satzungsentwurf

I.

Der Anspruch aus dem Koalitionsvertrag „Wir lassen uns… von dem Gedanken leiten, möglichst viele Daten öffentlich verfügbar zu haben…“ sowie „Wir setzen uns dafür ein, dass allgemeine, nicht-personenbezogene Daten, die von der Stadt erfasst werden… einfach und digital öffentlich zugänglich gemacht werden wird mit dem Satzungsentwurf in keiner Weise eingelöst. Eine pro-aktive Veröffentlichung von Unterlagen, wie beispielsweise im Hamburger Transparenzportal, ist mit diesem Satzungsentwurf nicht beabsichtigt.

II.

Was zudem sofort ins Auge fällt und so nicht hinnehmbar ist, ist die geplante Kostenregelung:

  • Im Vortrag des Magistrats wird erklärt: Es ist beabsichtigt… für die Erteilung von Auskünften keine Kosten zu erheben, solange eine missbräuchliche Inanspruchnahme nicht feststellbar ist.“
  • Im Entwurf der Informationsfreiheitssatzung liest sich dies aber anders: „Die Erteilung mündlicher und einfacher schriftlicher Auskünfte sowie eine Einsichtnahme in die Dateien und Akten vor Ort nach Terminabsprache sind kostenfrei. Für alle sonstigen Amtshandlungen aufgrund dieser Satzung werden Kosten (Gebühren und Auslagen) nach Maßgabe der Verwaltungskostensatzung der Stadt Frankfurt am Main erhoben. Die Gebühren sind auch unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes zu bemessen.“

Nicht nur, dass die Zusage aus dem Magistratsvortrag im Satzungsentwurf in keiner Weise eingelöst wird: Was “eine missbräuchliche Inanspruchnahme” von Informationsfreiheitsansprüchen darstellt, wird in keiner Weise definiert. Diese Begrifflichkeit ist in keiner Weise definiert und öffnet damit Willkür Tür und Tor

III.

Aus dem Vortrag des Magistrats geht auch hervor, dass – sollte der Satzungsentwurf wie vom Magistrat vorgeschlagen beschlossen werden – mit weiteren bürokratischen Hürden bei der Bearbeitung von Informationsfreiheitsanfragen zu rechnen ist. Dort wird folgendes Verfahren beschrieben:

  • Das Dezernat V – Digitalisierung, Bürger:innenservice, Teilhabe und EU-Angelegenheiten – wird beauftragt, das Weitere zu veranlassen.
  • Das Dezernat I – Oberbürgermeister, Internationale Angelegenheiten – wird beauftragt, einen zentralen Zugang für Anfragen aufgrund dieser Satzung einzurichten und eingehende Anfragen an die zuständigen Ämter und Betriebe weiterzuleiten.
  • Alle Dezernate werden beauftragt, in ihren Zuständigkeitsbereichen die Bearbeitung und Beantwortung eingehender Anfragen aufgrund dieser Satzung durch die zuständigen Ämter und Betriebe sicherzustellen.
  • Der Magistrat wird beauftragt, vor dem In-Kraft treten der Satzung die Zuständigkeiten, insbesondere die vorgesehenen Abläufe und Verantwortlichkeiten der Bearbeitung von Anfragen auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes zu klären und als Prozess darzustellen.“

Wer das Innenleben der Frankfurter Stadtverwaltung und die Konkurrenz bzw. die Eifersüchteleien zwischen den unterschiedlichen Dezernaten kennt, der kann ermessen: Wie die Informationsfreiheitssatzung in den einzelnen Ämtern und Dezernaten „gelebt“ wird, das steht noch in den Sternen. Ohne eine definierte Funktion „Informationsfreiheitsbeauftragte*r“, deren Rechte im Verwaltungsgefüge eindeutig definiert sind, wird Informationsfreiheit in Frankfurt gelebt werden nach dem Motto: In jedem Dezernat ist alles anders; und in jedem Amt sowieso.


Die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main hat im Dezember 2019 einen ersten Entwurf einer Informationsfreiheitssatzung für hessische kommunale Gebietskörperschaften vorgelegt. Auf Grund von Rückmeldungen aus der Bürgerschaft, aber auch von Kommunalpolitiker*innen, hat die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main ihren Entwurf überarbeitet und in einer Neufassung veröffentlicht. Wesentliche Grundlagen für die Neufassung des Satzungsentwurfs waren

  • der im Oktober 2022 veröffentlichte Entwurf für ein Landestransparenzgesetz Baden-Württemberg, den der frühere Datenschutz- und Informationsfreiheitsbeauftragte von Baden-Württemberg, Stefan Brink, erarbeitet hat sowie
  • der Entwurf für ein Bundestransparenzgesetz, , der im November 2022 von einem zivilgesellschaftliches Bündnis (FragdenStaat, Netzwerk Recherche, Mehr Demokratie e.V., Deutsche Gesellschaft für Informationsfreiheit, Transparency International Deutschland, Abgeordnetenwatch, Lobbycontrol, Wikimedia Deutschland, Deutscher Journalisten-Verband) veröffentlicht wurde.

In den beiden Gesetzentwürfen und in der Neufassung des Entwurfs der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main für eine kommunale Informationsfreiheitssatzung wird

  • ein Transparenzregister gefordert, in dem grundsätzlich alle amtlichen Informationen veröffentlicht werden sollen, soweit es nicht zwingende rechtliche Gründe für Abweichungen von diesem Gebot gibt und
  • zu den Kosten für Auskünfte eindeutig festgestellt wird, dass für Informationsfreiheitsanfragen „keine Kosten (Gebühren und Auslagen) oder sonstigen Entgelte erhoben“ werden.

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