Deutscher Anwaltverein warnt vor systematischer Videoüberwachung mit Gesichtserkennung
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) warnt vor einem breiten Einsatz von Gesichtserkennungssystemen an Flughäfen und Bahnhöfen. Anlass sind die Pläne des Bundesinnenministeriums, die Kompetenzen der Bundespolizei entsprechend zu erweitern.
„Es ist zweifelhaft, ob eine Rechtsgrundlage geschaffen werden kann, die den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entspricht“, gibt Rechtsanwalt Dr. David Albrecht, Mitglied des DAV-Ausschusses Gefahrenabwehrrecht, zu bedenken. Bereits zum Start des umstrittenen Pilotprojekts zur Gesichtserkennung am Bahnhof Südkreuz in Berlin hatte der DAV massive Kritik geäußert. „Wenn massenhaft Gesichter von unbescholtenen Bürgerinnen und Bürgern an Bahnhöfen und Flughäfen gescannt werden, dann liegt darin ein schwerer Grundrechtseingriff“, so Albrecht.
Ein Scannen dieses Ausmaßes führe zu einem nicht hinnehmbaren Gefühl des Überwachtwerdens und der Einschüchterung – so warnte bereits das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen, etwa zur Vorratsdatenspeicherung oder zum automatisierten Erfassen von Kfz-Kennzeichen. Wie schon beim Testlauf am Südkreuz stehen hier umso mehr die Fragen im Raum: Wie fehleranfällig ist das System? Können Missbrauch und Manipulation der Technik verhindert werden? Für wie lange, durch wen und wo werden diese Daten gespeichert?
Mangelnde Diversität der Testpersonen (Alter, Geschlecht, Ethnie), optimale Vergleichsbilder, paralleler Einsatz dreier Systeme: Die nach dem Testlauf am Südkreuz als Erfolg verkauften Zahlen (rund 80 % Trefferquote) sind nicht nur nach empirischen Grundsätzen zweifelhaft, sie hielten auch einem Real-Einsatz nicht stand und bieten daher eine trügerische Sicherheit. Hinzu kommt eine Falsch-Positiv-Rate von 0,67 % – bei rund 200.000 Fluggästen würden allein am Frankfurter Flughafen jeden Tag 1.340 unbescholtene Menschen einen falschen Alarm auslösen und unrechtmäßig ins Visier der Ermittler geraten. Dies kann nicht im Sinne des Rechtsstaats sein.
Quelle: Pressemitteilung des Deutschen Anwaltvereins vom 07.01.2019