Der Datenschutz und die Wiederöffnung der Bordelle…

Powidatschl/ September 23, 2020/ alle Beiträge, Beschäftigtendatenschutz, Datenschutz in Zeiten von Corona, Polizei und Geheimdienste (BRD), Vorratsdatenspeicherung/ 0Kommentare

… war Thema einer Rede von Roland Schäfer, aktives Mitglied der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main. Er sprach bei einer Kundgebung, die Doña Carmen e.V., eine Prostituiertenselbsthilfeorganisation, gemeinsam mit dem Bündnis „Grünes Licht fürs Rotlicht“ am 19.09.2020 in Frankfurt durchführte.

Die zentrale Forderung der Veranstalter: Schluss mit der anhaltenden diskriminierenden Ungleichbehandlung des Prostitutionsgewerbes unter dem Vorwand von Corona. Im Aufruf zu der Veranstaltung wird zentral die Verteidigung des in Art. 12 Grundgesetz verankerten Grundrechts auf Berufsfreiheit benannt. Aber auch datenschutzrechtliche Fragestellungen waren ein Thema.

Roland Schäfer ging in seinem Redebeitrag auf die Kontaktdatenerfassung ein, die nicht nur in der Gastronomie, sondern auch in Bereichen körpernaher Dienstleistungen und damit auch in Prostitutionsstätten geführt werden müssen. Seine Bewertung: „Kontaktlisten kommen im Prostitutionsgewerbe einem Betriebsverbot gleich. Sie gefährden die Berufsfreiheit, die auch für die Sexarbeit gilt. Sie verdrängen diese Arbeit in Grauzonen und in die Illegalität und wirken  damit kontraproduktiv auch für den Infektionsschutz.“

Zudem verwies Roland Schäfer auf Erfahrungen in der Gastronomie: „Häufig ist eine datenschutzkonforme Handhabung der Kontaktlisten nicht gewährleistet. Immer wieder wird festgestellt, dass die Kontaktdaten der Gäste in Listenform erfasst werden, so dass Unbefugte sehen können, wer außer ihnen selbst die Gaststätte, das Café oder Restaurant besucht. Oder die ausgefüllten Blätter werden in offenen oder durchsichtigen Sammelboxen abgelegt. Hinzu kommen in vielen Fällen fehlende Datenschutzinformationen.“

Als großes Problem benannte Schäfer die Zweitnutzung der gesammelten Daten durch die Polizei, die anfänglich von den Behörden verheimlicht wurde. „Dies ist eine Täuschung der Bürgerinnen und Bürger“ – so Schäfer. Und es hat zur Folge, dass seither eine Vielzahl von Menschen die Kontaktlisten falsch oder unvollständig ausfüllen, so dass sie ihren angestrebten Zweck nicht erreichen können.

Roland Schäfer während seiner Rede

„Auch die Corona-Kontaktlisten stellen eine Form von Vorratsdatenspeicherung dar“, so Schäfer. „Der Europäische Gerichtshof und das Bundesverfassungsgericht haben wiederholt festgestellt, dass Vorratsdatenspeicherung grundrechtswidrig und unzulässig ist. Der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes hat Ende August entschieden, dass die Vorschrift zur Kontaktnachverfolgung im Saarland verfassungswidrig ist.“

Abschließend ging Schäfer darauf ein, dass die Verwendung von Kontaktlisten im Prostitutionsgewerbe bedeuten würde, durch die Erfassung von Namen, Adressen und Kontaktdaten der Kund*innen auch deren intime Daten (sexuelle Orientierung und Gewohnheiten) mit zu erfassen. Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung einer natürlichen Person, so Schäfer, sind aber – neben anderen Daten – gemäß Art. 9 DSGVO Kategorien personenbezogener Daten, die einen besonders hohen Schutzstatus genießen und lediglich in sehr engen Grenzen verarbeitet werden dürfen. Deshalb kann der Einsatz von Kontaktlisten in der Sexarbeit nicht grundrechtskonform stattfinden und muss abgelehnt werden.“

Kundgebungsteilnehmer*innen und ihre Forderungen während der Rede von Roland Schäfer

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