Corona: Regelungen zur Kontaktnachverfolgung im Saarland verfassungswidrig – Und in Hessen?

Powidatschl/ August 31, 2020/ alle Beiträge, Datenschutz in Zeiten von Corona, Hessische Landespolitik, Verbraucherdatenschutz/ 0Kommentare

Der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes hat mit Beschluss vom 28.08.2020 auf eine Verfassungsbeschwerde eines im Saarland lebenden Bürgers entschieden, dass

Mit seiner Verfassungsbeschwerde hatte sich der Beschwerdeführer gegen einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 13. Mai 2020 gewandt, mit dem sein Antrag auf Außervollzugsetzung der saarländischen Corona-Verordnung zurückgewiesen wurde. Der Beschwerdeführer sah sich durch die Vorschriften zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung sowie zur Kontaktnachverfolgung in seinen Grundrechten der allgemeinen Handlungsfreiheit und auf Datenschutz verletzt.

Der Verfassungsgerichtshof hat weiter entschieden, dass Art. 2 § 3 der saarländischen Corona-Verordnung mit der Verfassung des Saarlandes unvereinbar ist. Durch die Vorschrift wird die Erhebung persönlicher Informationen nicht nur im Rahmen von Gaststättenbesuchen, sondern auch

  • beim Betrieb von Kinos, Theatern, Opern, Konzerthäusern und weiteren kulturellen Veranstaltungen und dem dazugehörigen Probenbetrieb,
  • beim Betrieb von Indoorspielplätzen,
  • bei Gottesdiensten und Bestattungen,
  • beim Trainings-, Kurs- und Wettkampfbetrieb im Sport,
  • bei sonstigen Veranstaltungen nach Art. 2 § 6 der Corona-Verordnung des Saarlands,
  • bei Hotels, Beherbergungsbetrieben und Campingplätzen und
  • bei Prostitutionsstätten, soweit sie nach dieser Verordnung nicht untersagt sind.

Der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes stelt dazu fest:

  • Über einen solchen Eingriff dürfe nicht die Exekutive alleine entscheiden. Vielmehr sei das Parlament berufen, in öffentlicher, transparenter Debatte Für und Wider abzuwägen, vor allem aber die Verwendung der Informationen rechtssicher zu regeln. Der durch die Vorschrift ermöglichte Eingriff in das Grundrecht auf Schutz der personenbezogenen Daten dauert bereits länger an und wird angesichts der Infektionslage voraussichtlich weitere Monate andauern. Damit ist der Grundrechtseingriff von einer derartigen Intensität, dass nur ein Parlamentsgesetz – nicht aber eine Rechtsverordnung der Landesregierung – ihn rechtfertigen kann.
  • Da Art. 2 § 3 der Corona-Verordnung dem legitimen Ziel der Pandemie-Eindämmung dient, hat der Verfassungsgerichtshof von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Vorschrift bis zu einer Neuregelung durch den Landtag des Saarlandes  vorübergehend – längstens bis zum 30. November 2020 – in Kraft zu lassen.
  • Personenbezogene Daten, die nach der Vorschrift erhoben werden, dürfen jedoch nur aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung an die Gesundheitsbehörden übermittelt werden.“

Die Vorschrift gilt jedoch bis zu einer Neuregelung durch den Landtag unter strengen Auflagen – längstens bis zum 30. November 2020 – fort. 

Quelle: Pressemitteilung des Verfassungsgerichtshof des Saarlandes vom 28.08.2020

Das Urteil des Verfassungsgerichtshof des Saarlandes vom 28.08.2020 (Aktenzeichen: Lv  15/20) ist hier im Wortlaut veröffentlicht.

Und in Hessen?

Die Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung der hessischen Landesregierung vom 07.05.2020 (in der Fassung vom 15.08.2020) sieht ebenfalls die Erfassung von Kontaktdaten bei

  • Zusammenkünften von Glaubensgemeinschaften zur gemeinschaftlichen Religionsausübung,
  • Trauerfeierlichkeiten und Bestattungen (§ 1 Abs. 2a der Verordnung),
  • Zusammenkünften und Veranstaltungen sowie Kulturangeboten, wie Theater, Opern,
  • Konzerte, Kinos und ähnliches (§ 1 Abs. 2b der Verordnung),
  • Betrieb von Spielbanken und Spielhallen (§ 2 Abs. 4 der Verordnung) sowie
  • Betrieb von Gaststätten, Mensen, Hotels, Kantinen, Eisdielen, Eiscafés und anderen Gewerben (§ 4 der Verordnung)

vor. Auch hier hat die Exekutive allein entschieden. Und auch hier ist die Verordnung bereits seit fast vier Monaten in Kraft. Wann werden die Fraktionen des Hessischen Landtags die Entscheidung des Verfassungsgerichtshof des Saarlandes wahrnehmen, bewerten und und in ihrer parlamentarischen Aktivität aufgreifen? Denn

auch für Hessen sollte gelten:

Über einen solchen Eingriff dürfe nicht die Exekutive alleine entscheiden. Vielmehr sei das Parlament berufen, in öffentlicher, transparenter Debatte Für und Wider abzuwägen, vor lem aber die Verwendung der Informationen rechtssicher zu regeln. Der durch die Vorschrift ermöglichte Eingriff in das Grundrecht auf Schutz der personenbezogenen Daten dauert bereits länger an und wird angesichts der Infektionslage voraussichtlich weitere Monate andauern. Damit ist der Grundrechtseingriff von einer derartigen Intensität, dass nur ein Parlamentsgesetz – nicht aber eine Rechtsverordnung der Landesregierung – ihn rechtfertigen kann.“

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