Datenschutz im Jobcenter: Was dürfen die Jobcenter fragen, was an Unterlagen anfordern, was kopieren?

Datenschutzrheinmain/ September 21, 2015/ alle Beiträge, praktische Tipps, Sozialdatenschutz/ 0 comments

Das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration hat am 09.09.2015 ein 11-seitiges Schreiben zum ThemaVollzug des SGB II – Erheben, Verarbeiten und Nutzen von Sozialdaten veröffentlicht. Formal richtet es sich ledigtlich an die bayrischen Jobcenter in alleiniger kommunaler Trägerschaft (sogenannte Optionskommunen), ist darüber hinaus aber auch für SozialleistungsbezieherInnen nach SGB II („Hartz IV“ / Alg II) bundesweit von Interesse. Das umfangreiche Schreiben lässt sich nur so erklären, dass dem Ministerium als Fach- und Rechtsaufsicht über die kommunalen Jobcenter in Bayern eine Vielzahl datenschutzrechtlich fragwürdiger bzw. rechtswidriger Praktiken bekannt geworden sind.

In 10 Abschnitten werden Problembereiche, die bei der Antragstellung auf SGB-II-Leistungen und im laufenden Leistungsbezug auftreten, behandelt.

Im Abschnitt „1. Allgemeines“ wird eine offensichtlich häufig vorhandene Praxis kritisiert. Dort ist zu lesen: „Das (formularmäßige) Erheben von Unterlagen/Sozialdaten ‚ins Blaue hinein‘, d. h. die prophylaktische Anforderung aller ggfs.in Betracht kommenden Unterlagen für die Antragsbearbeitung ist … nicht zulässig.“

In den weiteren Abschnitten, z. B. zu den Themen „Personalausweis“, „Vorlage des vollständigen Mietvertrags“, „Erhebung und Speicherung von Arbeitsverträgen“, „Kontoauszüge“ und „Anmeldebestätigung“ werden Hinweise gegeben, die den Rückschluss zulassen, dass diese in vielen Fällen nicht hinreichend beachtet wird. So heißt es z. B.

  • „Es ist… nicht erforderlich, den gesamten Mietvertrag in Kopie zu den Akten zu nehmen.“
  • „Die Datenspeicherung und –nutzung sollte sich auf die Teile des Arbeitsvertrages beschränken, die für die Berechnung der SGBII-Leistungen konkret erforderlich sind. Nur diese Teile des Arbeitsvertrages können in Kopie zu den Aktengenommen werden.“
  • „Kontoauszüge, die ungeschwärzt zu den Akten genommen wurden, ohne die Antragsteller auf die Möglichkeit der Schwärzung hinzuweisen, wurden rechtswidrig erhoben und müssen aus den Akten entfernt werden.“

Im Abschnitt „10. Nicht erforderliche Unterlagen“ wird einleitend festgestellt: „Nach unserer Kenntnis werden von den Jobcentern zum Teil auch Unterlagen gefordert, die unter datenschutzrechtlichen Erwägungen für eine ordnungsgemäße Sachbearbeitung nicht erforderlich sind. Dies ist zu unterlassen.“ Dazu werden mehrere Beispiele genannt, u. a.

  • „Vorlage des vollständigen Gas-und Stromliefervertrages“,
  • „Vorlage von Kfz-Haftpflichtversicherungsverträgen“ und
  • „Vorlage von Scheidungsurteilen“.

Das Schreiben des Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration ist hier im Wortlaut nachlesbar. LeistungsbezieherInnen nach SGB II, denen am Schutz ihres Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung gelegen ist, sollten sich dieses Schreiben gründlich ansehen und mit den Erfahrungen in ihrem jeweiligen Einzelfall vergleichen.

Verschwiegen werden darf aus Sicht des Autors aber nicht, dass manche Formulierungen des Schreibens erkennen lassen, dass der Verfasserin, einer Regierungsdirektorin, die Arbeitsbelastung und Personalsituation in den Jobcentern, insbesondere in der Leistungssachbearbeitung, nicht hinreichend bekannt zu sein scheint. So ist z. B. im Abschnitt „Kontoauszüge“ zu lesen: „Das Jobcenter kann nicht verhindern, dass ihm ungeschwärzte Kontoauszüge übersandt oder vorgelegt werden… Daher sollte vom Betroffenen, wenn er ungeschwärzte Kontoauszüge an das Jobcenter sendet oder solche ungeschwärzt oder ohne Bitte auf Schwärzung vorlegt, die Erklärung eingeholt werden, dass er auf das Recht zur Schwärzung der Kontoauszüge verzichtet und er einwilligt, dass auch ungeschwärzte Kontoauszüge zu den Akten genommen werden dürfen.“ Eine in der Sache völlig richtige Anforderung. Aber fern einer Arbeitsrealität, in der Arbeitsrückstände und unbearbeitete Anträge auf laufende und einmalige Leistungen die Realität sind.

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