Datenkrake Bayer AG und Monsantos schwarze „Glyphosat“-Listen
Der Chemiekonzern Bayer AG späht Privatpersonen aus – und verweigert die Löschung dieser personenbezogenen Daten. Mitte Mai 2019 wurde bekannt, dass das US-Unternehmen Monsanto – 2018 von der Bayer AG übernommen – geheime Listen mit teils privaten Daten von WissenschaftlerInnen, JournalistInnen und PolitikerInnen anfertigen lassen. Auch VertreterInnen von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sollen auf diesen Listen auftauchen. Insbesondere hinsichtlich ihrer Haltung zu Glyphosat wurden die Personen erfasst und in „Gegner“ und „Unterstützer“ eingeteilt. Ziel dieser Erfassung war es, die gelisteten Personen zu „erziehen“ und zu „überwachen“.
Nachdem der Skandal an die Öffentlichkeit gelangt war versprach die Bayer AG, den Vorfall aufzuklären. Bayer-Chef Baumann bemühte sich um Schadensbegrenzung und versprach eine umfassende Aufarbeitung und größtmögliche Transparenz über den Inhalt der Listen. Eine unabhängige Anwaltskanzlei wurde mit der Aufarbeitung der Listen betraut, die Monsanto in mindestens sieben Ländern hatte erstellen lassen – neben Frankreich auch in Deutschland, Italien, Spanien, Polen, den Niederlanden und in Großbritannien. Allein auf der deutschen Liste sollen sich die Namen von mindestens 300 Personen befinden. Dennoch dauerte es noch rund einen Monat, bis Bayer schließlich Mitte Juni verlauten ließ, dass mittlerweile alle betroffenen Personen in Deutschland und Frankreich informiert worden seien.
Das Umweltinstitut aus München will es wissen: Was weiß die Bayer AG über uns?
Nach dem Bekanntwerden der „Monsanto-Listen“ stellten mehrere Mitarbeiter*innen des Umweltinstituts München e. V. im Mai Betroffenheitsanfragen gemäß der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) an die Bayer AG. Die im Mai 2018 in Kraft getretene Europ. datenschutz-Grundverordnung garantiert EU-BürgerInnen das Recht auf Auskunft (Art. 15 DSGVO) über alle sie betreffenden Daten. Sie wollten so schnell wie möglich erfahren: Haben Bayer oder Monsanto auch Daten über uns gespeichert? Denn das Umweltinstitut hat in den letzten Jahren die Öffentlichkeit kritisch über Monsantos toxische Produktpalette zu informieren. So hatte es 2016 bekannt gemacht, dass zahlreiche bekannte deutscher Biere Rückstände des Unkrautvernichters Glyphosat enthielten.
Über das Ergebnis der Anfragen informiert das Umweltinstitut München e. V. wie folgt: „Am 19. Juni kamen endlich die ersten Antworten der Bayer AG auf unsere Anfragen. Zwar wissen wir nach wie vor nicht, ob unsere MitarbeiterInnen auf Monsantos Listen auftauchen, denn dazu äußert sich Bayer in den Antworten nicht. Doch aus dem Antwortschreiben erfahren wir etwas anderes: Bayer erfasst auch jenseits der ‚Monsanto-Listen‘ umfangreiche Daten über Personen, die sich im Internet zu bestimmten Themen wie z.B. Glyphosat äußern. Im Fall eines unserer Mitarbeiter hatte Bayer mehr als 1000 Tweets und Online-Beiträge gesammelt. Auffällig ist, dass Monsantos Aufmerksamkeit sich nicht auf Äußerungen zu Themen wie Gentechnik oder Glyphosat beschränkte; auch Meldungen zu TTIP oder Atomkraft fanden sich in der Datensammlung, außerdem ein Bericht über die Sitzung eines Gartenbauvereins. Personen, die Posts von uns retweetet haben, oder die in einem Artikel namentlich ebenfalls auftauchen wurden dabei gleich miterfasst. Recht auf Vergessenwerden? Nicht bei Bayer! In unseren Anfragen hatten wir auch darum gebeten eventuell vorhandene Daten zu löschen. Doch Bayer weigert sich die Daten zu löschen und argumentiert damit, lediglich öffentliche, für jedermann zugängliche Daten gespeichert zu haben… Diese Aussagen und die Art der übermittelten Daten legen nahe, dass praktisch alle, die sich im Internet zu agrarpolitisch relevanten Themen äußern, in der Datenbank des Konzerns landen können. Alleine in den Tweets und Artikeln, die über unsere Mitarbeiter gesammelt wurden, tauchen die Namen von etlichen weiteren Personen auf. Wir müssen also davon ausgehen, dass weit mehr Menschen von der Sammelwut der ‚Datenkrake Bayer‘ betroffen sind als die rund 300 Personen in Deutschland, die auf der deutschen ‚Monsanto-Liste‘ stehen sollen.“
Ein Beispiel für ein Antwortschreiben der Bayer AG wurde vom Umweltinstitut München e. V. veröffentlicht, verbunden mit dem Hinweis: „Neben dem oben verlinkten Antwortschreiben, wurde uns außerdem jeweils Excel-Tabellen mit Links zu Tweets, Pressemitteilungen und Artikel übermittelt, die Bayer ins seiner Datenbank erfasst hat und in denen unsere Namen auftauchen. In vielen weiteren Spalten des Dokuments wird unter anderem die Stimmung der Meinungsäußerung mit einer Kennzahl bewertet. Da in dieser Datensammlung auch die Namen zahlreicher anderer Personen auftauchen, veröffentlichen wir diese Tabellen zum Schutz dieser Personen nicht auf unserer Homepage.“
So erfahren Sie, ob und was die Bayer AG auch über Sie weiß
Wenn Sie wissen möchten, ob die Bayer AG auch über Sie Daten erhoben hat, nutzen Sie die Musteranfrage des Umweltinstituts München e. V. oder das Formular auf der Homepage der Bayer AG.
Zur Erinnerung: Der Lebensmittelkonzern Nestle ließ seine Kritiker – hauptsächlich Attac – gar mit Hilfe von Securitas (Schweiz) bespitzeln; alles flog auf – Nestle und Securitas wurden verurteilt. (Neue Zürcher Zeitung, 25.01.13). Auf Telepolis war am 12.06.19 zu lesen: „(…) …dass RWE die Aktivitäten der Braunkohlegegner überwacht und in öffentlichen Versammlungen aufzeichnen lässt. Das ist schon für sich genommen ein äußerst bedenklicher Umstand, der viel
Denkstoff über das Thema Demokratie und große Konzerne bietet. (…)“
Es ist davon auszugehen, dass zahlreiche Großunternehmen und Konzerne ihre Kritiker im Auge haben und diesbezüglich “schwarze Listen“ führen. Es liegt doch nahe, dass beispielsweise die Automobilindustrie – u. a. wegen dem Dieselskandal – ebenfalls über Listen von Gegnern und Kritikern verfügt.