Das Jobcenter Frankfurt und die Informationsfreiheit – eine mehr als nur schwierige Beziehung

Transparenz/ März 26, 2023/ alle Beiträge, Informationsfreiheit / Transparenz, Jobcenter Frankfurt/ 0Kommentare

Ein Mensch aus Frankfurt hat zu diesem Thema spezifische Erfahrungen gemacht, die er gerne auch öffentlich bekannt machen möchte. Er hat die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main darüber informiert und gebeten, seine Erleben in anonymisierter Form der interessierten Öffentlichkeit zu präsentieren. Dem kommen wir gerne nach.

Das Jobcenter Frankfurt/Main ist eine gemeinsame Einrichtung der Bundesagentur für Arbeit und der Stadt Frankfurt/Main. Es ist eine öffentliche Einrichtung die dem Bundesrecht und damit auch dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) des Bundes unterliegt. Aber im Jobcenter Frankfurt wird eine äußerst spezifische Auslegung der Normen des IFG gepflegt, die an ein eher vordemokratisches Staats- und Verwaltungsverständnis erinnert.

1. Akt: Am 01.02.2023 hat der Mensch per E-Mail einen Antrag gem. § 7 IFG an das Jobcenter Frankfurt/Main gerichtet. Darin erklärt er, dass er beantragt „dass mir sämtliche Arbeits- bzw. Dienstanweisungen des Jobcenters Frankfurt/M. für die Bearbeitung von Anträgen und sonstigen Anliegen von Bürger/innen, die Leistungen nach SGB II beantragen oder bereits beziehen, in elektronischer Form, ggf. als PDF-Dateien, zur Verfügung“ gestellt werden. Er hat diesen Antrag zudem in folgender Form konkretisiert: Insbesondere bezieht sich dieser Antrag auf die Arbeits- bzw. Dienstanweisungen zu folgenden Themenbereichen:

  1. Bearbeitung eines Antrags auf Leistungen nach SGB II und die dabei zu beachtenden Fristen,
  2. Umgang mit akut mittellosen Antragsteller/innen,
  3. Entgegennahme und Bearbeitung von Unterlagen, die Antragsteller/innen persönlich abgeben oder die sie dem Jobcenter zusenden,
  4. Prüfung der Angemessenheit der Unterkunfts- und Heizkosten (KdU),
  5. Umgang mit Wohnraumbeschaffungskosten (Kaution / Wohngenossenschaftsanteil),
  6. Verfügbarkeit und Nutzung von Dolmetscherdienstleistungen,
  7. den Ermittlungsdienst des Jobcenters,
  8. Hausverbotsregelung(en) und
  9. die Tätigkeit der Widerspruchs- bzw. Rechtsbehelfsstelle des Jobcenters und die dabei zu beachtenden Fristen.“

2. Akt: Nachdem ihm – außer einer am 01.02.2023 maschinell erzeugten Automatischen Eingangsbestätigung“ – keinerlei Rückmeldungen zugingen, hat er dies mit E-Mail vom 20.03.2023 beim Jobcenter reklamiert und erklärt: „… ich erinnere an meine Mail vom 01.02.2023. Sie haben bislang darauf nicht reagiert und mir nicht einmal die von mir erbetene Eingangsbestätigung zugesandt. Sollten mir nicht spätestens am Donnerstag, den 24.03.2023 die von mir beantragten Unterlagen zur Verfügung gestellt werden, werde ich mich ohne weitere Erinnerung mit einer Beschwerde an den Informationsfreiheitsbeauftragten des Bundes wenden.“

3. Akt: Schon am Folgetag, am 21.03.2023 ging ihm eine E-Mail folgenden Inhalts zu: Die E-Mail vom 01.02.2023, die Sie angehängt haben, ist leider scheinbar bei mir bzw. im Jobcenter Frankfurt am Main nicht angekommen. Gerne übersende ich Ihnen die entsprechenden Arbeitsanweisungen, die für eine Veröffentlichung freigegeben sind. Sobald ich diese zusammengestellt habe, werden Sie mehrere E-Mails von mir erhalten, da diese für eine einzige E-Mail zu groß sind… Mit freundlichen Grüßen [Vorname, Name] Zertifizierter behördlicher Datenschutzbeauftragter Jobcenter Frankfurt am Main“.

4. Akt: Wieder einen Tag später, am 22.03.2022 ging erneut eine E-Mail des behördlichen Datenschutzbeauftragten des Jobcenters beim anfragenden Bürger ein. Ihr Inhalt: „… nachdem ich Ihren Antrag nach dem IFG nochmals geprüft habe, erhalten Sie hiermit die Antworten auf Ihre gestellten Fragen/Anforderungen in der Anlage. Diese Anlage war ein dreiseitiges Schreiben, in dem wortreich begründet wurde, warum – entgegen der Zusage vom Tag zuvor – keine einzige der angeforderten Arbeits- bzw. Dienstanweisungen zur Verfügung gestellt werden.

5. (und vorerst letzter) Akt: Der anfragende Mensch ist zuerst verdutzt, dann verärgert und entschließt sich in der Folge zu einer Beschwerde beim Informationsfreiheitsbeauftragten des Bundes wg. Handhabung des IFG durch das Jobcenter Frankfurt. Darin erklärt er:

  1. Zu meinem umfassenden Antrag nimmt das Jobcenter keine Stellung.
  2. Keine der von mir genauer bezeichneten Arbeits- bzw. Dienstanweisungen zu einzelnen Themenbereichen wurde mir zugesandt, obwohl dies noch in der E-Mail vom 21.03.2023 zugesichert wurde.
  3. Auskünfte zur Arbeits- bzw. Dienstanweisung ‚Bearbeitung eines Antrags auf Leistungen nach SGB II und die dabei zu beachtenden Fristen‘ wurden mir mit Bezug auf § 4 IFG verweigert, obwohl im Schreiben des Jobcenters bestätigt wird, dass es eine ‚entsprechende Weisung‘ gibt, die aber nur ‚für den internen Verfahrensablauf bestimmt‘ sei. Ich habe weder ‚Entwürfe zu Entscheidungen‘ noch ‚Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung‘ angefordert, so dass der Verweis auf § 4 IFG aus meiner Sicht willkürlich, mindestens aber grob rechtsfehlerhaft ist.
  4. Auskünfte zur Arbeits- bzw. Dienstanweisungen zu den Themen ‚Ermittlungsdienst des Jobcenters, Hausverbotsregelung(en) und die Tätigkeit der Widerspruchs- bzw. Rechtsbehelfsstelle des Jobcenters und die dabei zu beachtenden Fristen‘ wurden mir mit Bezug auf § 6 IFG verweigert. Ich halte auch den Bezug auf diese Rechtsgrundlage für willkürlich, mindestens aber grob rechtsfehlerhaft, denn weder der ‚Schutz geistigen Eigentums‘ ist gefährdet noch werden ‚Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse‘ offenbart, wenn mir die entsprechenden Arbeits- bzw. Dienstanweisungen im Wortlaut zur Verfügung gestellt werden.

Ich bin mehr als nur erstaunt über die Auslegung der Regelungen des IFG durch das Jobcenter Frankfurt/Main. Denn die Bundesagentur für Arbeit, die ebenfalls den Regelungen des IFG unterliegt und die ebenfalls gehalten ist, Aufgaben nach SGB II wahrzunehmen, veröffentlicht seit mehreren Jahren ihre „Aktenpläne, Durchführungsanweisungen, Geschäftsanweisungen und Weisungenfür alle Interessierten Menschen auf Ihrer Homepage und aktualisiert diese nach meiner Kenntnis auch regelmäßig und zeitnah. Das Jobcenter Frankfurt/Main dagegen ist in seiner Informationspolitik deutlich restriktiver und veröffentlich auf seiner Homepage nur wenige (aktuell elf) Arbeitsanweisungen.

Ich möchte Sie bitten, in Ihrer Funktion als Informationsfreiheitsbeauftragter für Behörden und Einrichtungen des Bundes

  • meine Beschwerde zu prüfen,
  • das Jobcenter Frankfurt/Main auf einen rechtkonformen Umgang mit meinem Antrag vom 01.02.2023 zu verpflichten und
  • mir nach Abschluss Ihrer Ermittlungen eine Stellungnahme zu meiner Beschwerde zukommen zu lassen.“

Gespannt wartet der anfragende Mensch jetzt auf die Stellungnahme des Informationsfreiheitsbeauftragten des Bundes.


Ein Hinweis der Redaktion:

Wir haben in den letzten Jahren wiederholt zu dieser Thematik berichtet.

In einer E-Mail des Jobcenters Frankfurt vom 14.12.2017 an ein Mitglied der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main wurde damals mitgeteilt: Sehr geehrter Herr …, anbei erhalten Sie alle derzeit gültigen Arbeitsanweisungen des Jobcenter Frankfurt am Main, welche noch nicht auf unserer Internetseite veröffentlicht wurden. Ich bitte Sie zu berücksichtigen, dass derzeit einige Arbeitsanweisungen noch in Überarbeitung sind und demnächst ersetzt werden bzw. einige auch wegfallen werden. Die überarbeiteten Arbeitsanweisungen werden wir dann auch auf unserer Internetseite veröffentlichen. Mit freundlichen Grüßen […] Zertifizierter behördlicher Datenschutzbeauftragter und IT-Sicherheitsverantwortlicher

Was war dem voraus gegangen? Das Jobcenter Frankfurt hatte im Laufe der letzten 12 Monate vor diesem Schriftwechsel nachweislich mindestens vier Anträge erhalten, seine hausinternen Arbeitsanweisungen gemäß den Vorgaben des IFG bekannt zu geben.

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